Dies ist der private Weblog von Beat Döbeli Honegger

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Machen Sie den Bücher-Check!

21 April 2019 | Beat Döbeli Honegger

Die ewigen Schwarz-weiss-Diskussionen zur Digitalisierung in der Bildung sind sowas von ermüdend. Meine ewigen Aufrufe zu differenzierteren Auseinandersetzungen vermutlich auch:

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Der Schweizer Medienpädagoge Heinz Moser schrieb in seinem Buch «Der Computer vor der Schultür» im Jahr 1986: «Anpassung oder Widerstand, das ist heute eine überholte und verfehlte Frage. Weigern sich Lehrer, Eltern oder Schulbehörden, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, dann geben sie lediglich ihr Mitspracherecht sang- und klanglos preis. Denn die Computer sind schon da, mitten in unserer Gesellschaft – nur manche haben dies noch nicht gemerkt.»

Heute, 33 Jahre später, dürften dies alle gemerkt haben. Die Digitalisierung hat längst alle Bereiche unseres Lebens durchdrungen und verändert, sowohl Berufs- und Privatleben als auch politische und gesellschaftliche Kontexte. Es ist deshalb wichtig und richtig, dass auch verstärkt über die Digitalisierung in allen Bereichen unseres Lebens kontrovers diskutiert wird. Gerade weil sich vieles ändert, müssen wir uns als Gesellschaft streiten, in welche Richtung sich die Informationsgesellschaft bewegen soll – welche Entwicklungen wir uns wünschen und welche wir lieber verhindern möchten.

Sorge bereitet mir hingegen, dass auch über dreissig Jahre nach Mosers Worten oft immer noch schwarz-weiss argumentiert wird: Wald oder Web? Buch oder Bildschirm? Tinte oder Tastatur? Diese scheinbaren Gegensätze beschreiben jedoch unsere Realität immer weniger. Schreiben von Hand und Computer schliessen sich längst nicht mehr aus, weil immer mehr Geräte das handschriftliche Notieren mit Stift ermöglichen. Bücher lassen sich nicht nur auf Papier, sondern auch auf Tablets und E-Reader lesen. Und eine Schulklasse kann sehr wohl am Vormittag den Wald besuchen und am Nachmittag den Fuchs, den sie im Wald nicht getroffen hat, im Web bewundern.

Bald vierzig Jahre nach dem Einzug der ersten Computer in Schweizer Schulen und Privathaushalte hat sich das Digitale ähnlich stark mit unserem Alltag verwoben wie etwa die Schrift. Ein Leben ohne ist zwar noch knapp vorstellbar, aber doch eher alltagsfern. Niemand würde bei der Schrift behaupten, sie sei an sich gut oder böse. Niemand würde vor zu viel Schrift warnen oder einen schriftfreien Tag pro Woche einfordern – denn selbst beim Wandern in der Natur ist es nicht schlecht, den Wegweiser lesen zu können.

Genauso sollten wir beim Digitalen einsehen, dass es nicht um ein simples «Mehr!» oder «Weniger!» gehen kann. Wir müssen genauer hinschauen. «Jetzt sitzt er oder sie schon wieder vor dem Bildschirm!», kann vieles heissen. Liest er ein Buch? Schaut sie fern? Macht er Hausaufgaben? Spielt sie ein Computerspiel? Kommuniziert er mit Kollegen?

Wenn uns jemand erzählt, im Silicon Valley würden immer mehr Eltern ihre Kinder in Waldorf-Schulen schicken, müssen wir uns fragen, woran das liegt: Wollen die Computerfachleute ihre Kinder möglichst lange vor dem Digitalen bewahren oder können sich Gutverdienende schlicht eher Privatschulen mit besserer Betreuung leisten?

Auch die Geschichten von Apple-Gründer Steve Jobs und Microsoft-Gründer Bill Gates, die ihre Kinder angeblich vor digitalen Medien ferngehalten haben, klingen erst einmal überzeugend: «Die beiden wussten um die problematischen Aspekte dieser Geräte – vielleicht sollten wir das mit unseren Kindern ähnlich handhaben!» Ruft man sich aber in Erinnerung, dass die zwei ihr Studium abgebrochen haben, wünscht man sich vielleicht doch andere Vorbilder für Sohn und Tochter.

Deshalb: Seien Sie kritisch! Einerseits: Digital ist nicht automatisch besser. Andererseits: Trifft die Kritik wirklich nur auf das Digitale zu? Machen Sie den Bücher-Check, wenn Ihnen wieder mal ein Argument gegen die Digitalisierung begegnet! Ersetzen Sie im Argument den Begriff «Computer » durch «Bücher» und fragen Sie sich: Ist das mit Büchern nicht ähnlich? Macht ständiges Lesen wirklich weniger einsam und dick als Computer und Internet? Geben Bücher nicht genauso nur eine medial vermittelte Wirklichkeit wieder, wie dies Computern und Internet vorgeworfen wird? Ich freue mich auf künftige Diskussionen mit mehr Farben als bloss Schwarz und Weiss!

Quelle: Bote der Urschweiz, 18.04.2019 PDF-Dokument (Biblionetz:t24000)

Warum mein Biblionetz vor veralteten Seiten warnt

07 April 2019 | Beat Döbeli Honegger | Biblionetz
Das Biblionetz ist unterdessen mehr als 20 Jahre alt. Es gibt darin gewisse Themen, die ich nicht mehr so aktiv beackere. Seit mehreren Jahren gibt es deshalb einen Automatismus, der auf Biblionetzseiten, die sich seit mehr als sechs Monaten inhaltlich nicht mehr geändert haben, eine entsprechende Warnmeldung platziert:

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Warum mache ich das?

Bei gedruckten Texten ist die Sache vergleichsweise einfach: Es genügt die Angabe eines Publikationsdatums, damit Leserinnen und Leser wissen, zu welchem Zeitpunkt letztmals aktuelle Informationen in einen Text hätten aufgenommen werden konnten, denn schliesslich lassen sich gedruckte Texte nicht nachträglich aktualisiert werden.

Bei digital online verfügbaren Texten ist es komplizierter: Es ist jederzeit möglich, die Inhalte zu verändern. Das Erstpublikationsdatum einer online verfügbaren Ressource sagt somit nichts darüber aus, wann diese Ressource letztmals verändert worden ist - es ist somit nicht auf einen Blick ersichtlich, wie veraltet die Ressource sein könnte. Aus diesem Grund erachte ich es als sinnvoll, wenn meine Webseiten deutlich deklarieren, wann sie zum letzten Mal aktualisiert worden sind.

Für mich ist dies eine Dienstleistung für Besucherinnen & Besucher und ich bin eigentlich erstaunt, dass ich keine anderen Webseiten kenne, die dies auch so handhaben.

Ganz pragmatisch ersparen mir diese Hinweise auch zahlreiche Mails von Besucherinnen und Besuchern, die mich - erraten - auf veraltete Informationen hinweisen wollen.

Verkürzte Zitate - Folge 138

02 April 2019 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbericht

Bereits in der 137. Folge der verkürzten Zitate war Andreas Schleicher (Biblionetz:p04057), OECD-Direktor für Bildung und verantwortlich für die PISA-Studien (Biblionetz:w01358) betroffen. So auch in der 138. Folge.

Teaching children coding is a waste of time, OECD chief says lautet der Titel eines Artikels aus dem Februar 2019 im Telegraph (Biblionetz:t24114) und fährt fort mit den Worten

Teaching children coding is a waste of time, the OECD’s education chief has said, as he predicts the skill will soon be obsolete.

Andreas Schleicher, director of education and skills at the Organisation for Economic Co-operation and Development, said that the skill is merely “a technique of our times” and will become irrelevant in the future.

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Gemäss diesem Artikel soll Schleicher also der Meinung sein, Programmieren zu lernen sei eine Zeitverschwenung, weil diese Fertigkeit bald überflüssig sein werde. (Biblionetz:f00114)

Kritisiert Schleicher somit den Informatikunterricht als kurzlebig und damit überflüssig?

Am heutigen 12. März 2019 wird im Ständerat der aktuelle Entwurf des zu revidierenden Urheberrechts PDF-Dokument diskutiert.

Der erst kürzlich eingefügte Artikel 13b lautet dabei folgendermassen:

Art. 13b Zugänglichmachen von journalistischen Werken

¹ Wer, als Betreiber eines sozialen Netzwerks, eines Informations- oder Unterhaltungsdienstes oder einer anderen Kommunikationsplattform im Internet, journalistische Sprachwerke oder Fotografien so zugänglich macht, dass Personen von Orten und Zeiten ihrer Wahl dazu Zugang haben, schuldet den Urhebern und den Urheberinnen hierfür eine Vergütung.

In meinem Verständnis betrifft dies auch mein Biblionetz, das ich seit über 20 Jahren auf nichtkommerzieller Basis betreibe. Unter anderem aggregiere ich auch Zeitungsartikel ("journalistische Sprachwerke") und mache sie so zugänglich, "dass Personen von Orten und Zeiten ihrer Wahl dazu Zugang haben".

Dabei geht es nicht um die Zugänglichmachung der Volltexte, den das ist bereits unter dem aktuellen Urheberrecht nicht einfach so erlaubt. Es geht um die Zugänglichmachnung von so genannten "Snippets", also Anrissen der jeweiligen Artikel.

Meta-Meta-Studien sind auch nicht mehr, was sie einmal waren

14 January 2019 | Beat Döbeli Honegger
Ich handle mir damit vermutlich wieder einmal den Vorwurf ein, auf Details herumzureiten statt mich den wesentlichen Fragen zu stellen. Aber eine Meta-Meta-Studie, die Meta-Studien auswerten kann, die Studien ausgewertet haben zu Geräten, die erst drei (Smartphone) bzw. fünf (Tablet) Jahre nach den Studien auf den Markt kamen, lassen mich doch an der Datengrundlage und damit an der Qualität der Meta-Meta-Studie zweifeln:

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Dies ist mit Absicht eine sehr plakative Kritik an den Resultaten der Hattie-Studie. Es geht mir darum, innert 30 Sekunden ohne statistische Details erklären zu können, dass Aussagen aus Visible Learning (Biblionetz:b04477) nicht unhinterfragt übernommen werden sollten. Eine ausführlichere inhaltliche und methodische Kritik bieten Rolf Schulmeister und Jörn Loviscach in Fehler in John Hatties «sichtbarem Lernen» (Biblionetz:t17260)


Na ja, wer glaubt, dass iPhones die ersten Smartphones waren, der hat nicht wirklich einen Überblick über technische Entwicklungen …

-- Main.TimoMeister - 14 Jan 2019

Auch mir ist klar, dass das iPhone nicht das erste Smartphone auf dem Markt war. Aber vor dem iPhone war praktisch kein Smartphone-Markt und schon gar kein nennenswerter Einsatz in Schulen. Das gleiche gilt für das iPad.

Ich nehme gerne sachdienliche Hinweise zu schulischen Smartphone-Projekten vor 2008 entgegen. (Meine Literaturliste zu Mobiltelefon in der Schule befindet sich unter Biblionetz:w01971)

-- Main.BeatDoebeli - 14 Jan 2019