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eLearning in der Schweiz ist toll

25 July 2008 | Beat Döbeli Honegger
Der Ausschuss des deutschen Bundestags für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat im Juni 2008 einen Bericht zu eLearning an deutschen Schulen PDF-Dokument veröffentlicht (Biblionetz:b03420). Der Bericht zeigt ein insgesamt ein düsteres Bild der ICT-Nutzung in Deutschlands Schulen. Der Einsatz neuer Medien sei im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich, die Lehrerschaft überdurchschnittlich kritisch eingestellt.

Verglichen wird die Situation in Deutschland mit derjenigen in Finnland, England und der Schweiz. Ich bin an der Zusammenfassung der Schweizer Situation hängen geblieben:

eLearning hat in der Schweiz auf breiter Ebene Einzug in den Unterrichtsalltag gehalten. Ausschlaggebend dafür sind vielfältige Aktivitäten und Initiativen. Die Angebote richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, wie z. B. Lehrpersonen, Multiplikatoren, Schulleitungen und Schüler. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Organisationen, die sich gezielt mit der Einführung und pädagogisch sinnvollen Nutzung von IKT im Schulwesen beschäftigen. Viele dieser Akteure fördern innovative Projekte in den einzelnen Kantonen. Auch die Privatwirtschaft engagiert sich im Bereich eLearning und unterstützt die Schulen vielfältig, sei es durch die Bereitstellung von Technik und Support oder mithilfe von Schulungen.

Besonderer Wert wird auf die IKT-bezogene Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und ihrer Ausbilder gelegt. In allen Kantonen gibt es vielfältige Angebote, die teilweise kostenfrei oder teilfinanziert sind. An den Universitäten sind die IKT und deren Einsatzmöglichkeiten im Unterricht obligatorischer Bestandteil der Lehrerausbildung für alle Schulstufen. Insgesamt haben sich durch das erweiterte Aus- und Fortbildungsangebot die IKT-Kompetenz der Lehrkräfte sowie ihre Einstellung zum IKTEinsatz im Unterricht deutlich verbessert. Auch die Schüler werden durch zielgruppenspezifisch konzipierte Plattformen beim eLearning unterstützt. Die Palette der Angebote zu Hausaufgabenhilfe oder Lernsoftware ist groß. Schließlich konnte die IKT-Ausstattung der Schulen in quantitativer wie qualitativer Hinsicht in den letzten Jahren deutlich verbessert werden.

Im Rahmen von „Public Private Partnership – Schule im Netz“ konnten vielfältige Einzelprojekte kantonübergreifend gefördert werden. Die Fördervoraussetzungen sollen zwei zentralen Problemen begegnen, die die Wirksamkeit IKT-bezogener Maßnahmen einschränken: Aufgrund der Bildungshoheit der Kantone sind die einzelnen Maßnahmen oft nicht einheitlich, und gute Beispiele werden zu selten auf andere Kantone übertragen. Ein zweites zentrales Problem ist die Kurzfristigkeit vieler Projekte. So werden häufig vielversprechende Maßnahmen konzipiert, dann aber nur über einen kurzen Zeitraum durchgeführt und anschließend eingestellt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Schweiz mit den bisherigen Maßnahmen im Bereich schulisches eLearning gut positioniert hat. Die Bildungsverantwortlichen haben erkannt, dass es in Zukunft darum gehen muss, die Nachhaltigkeit der bisherigen Bemühungen zu sichern, die interkantonale Zusammenarbeit weiter zu forcieren und die Lehrkräfte bei der Umsetzung der im Rahmen der Aus- und Fortbildung erworbenen Kenntnisse im Unterricht weiterhin intensiv zu unterstützen. Hier liegt dementsprechend auch der Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit der „Schweizerischen Koordinationsstelle ICT und Bildung“.

Wow! Schon lange habe ich keine derart positive Beschreibung des ICT-Einsatzes in Schweizer Schulen mehr gelesen! Da scheint ja alles wunderbar zu klappen, alle arbeiten einvernehmlich zusammen und generieren innovative Projekte gleich im Multipack. Ich muss ja wirklich im eLearning-Paradies leben und arbeiten!

Hmm, erstaunlich nur, dass ich mich bei der Beschreibung der deutschen Situation oft an Schweizer Verhältnisse erinnert fühlte:

Zitat aus dem Bericht Meine Bemerkung zur Schweizer Situation
"Zwar werden in Deutschland eLearning-Strategien und -Aktionspläne auch auf Bundesebene entworfen, letztlich entscheidet aber jedes Landes-Kultusministerium, inwieweit eLearning und der Erwerb von Medienkompetenz bei Lehrkräften und Schülern in die eigenen Schulgesetze, Bildungspläne, Lehrpläne etc. eingebunden und damit wegweisend für die Praxis in den jeweiligen Schulverwaltungs- bzw. Regierungsbezirken werden soll." Das ist in der Schweiz im massiv kleineren Massstab (und mit 26 Kantonen statt 16 Bundesländern) bisher nicht anders.
"Ein Vergleich der Ansätze in den Bundesländern zeigt, dass sie sich inhaltlich nicht so sehr unterscheiden." Das gleiche gilt für die Ansätze der meisten Schweizer Kantone.
"Kinder und Jugendliche [erwerben] ihre auf IKT bezogenen Fähigkeiten größtenteils eigenständig im außerschulischen Umfeld." Das ist in der Schweiz nicht anders.

Nun gut, es gibt gewisse Bereiche, wo die Schweizer wirklich spitze sind (und sich gewisse Vorurteile bestätigen lassen): Praktisch kein anderes Land gibt pro Kopf so viel aus für ICT wie die Schweiz. Nur schlägt sich dieser Spitzenplatz bei den Investitionen leider nicht in einen Spitzenplatz bei der Nutzung um...

Da mich interessiert hat, wieso der Bericht zu einem solch positiven Bild der ICT-Nutzung in Schweizer Schulen gekommen ist, habe ich sofort das entsprechende Kapitel studiert. Danach wurde mir einiges klarer. Vermutlich haben die Autor/innen des Kapitels ihr Wissen ausschliesslich aus (politisch gefärbten) Dokumenten und mit niemandem aus der Schweiz gesprochen. Sicher aber haben sie das Kapitel niemandem aus der Schweizer ICT-Bildungsszene vorgängig zum Gegenlesen gegeben. Im Bericht des Bundestages stimmen einige offensichtliche Fakten zur Situation in der Schweiz nicht. So wird beispielsweise die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) folgendermassen definiert:

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) (www.edk.ch) setzt sich zusammen aus dem Eidgenössischen Departement des Inneren, dem Staatssekretariat für Bildung und Forschung, dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie.

Das passt nicht ganz mit der Eigendefinition der EDK (http://www.edk.ch) zusammen:

In der Schweiz tragen die Kantone die Hauptverantwortung für Bildung und Kultur. Sie koordinieren ihre Arbeit auf nationaler Ebene. Dafür bilden die 26 kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren eine politische Behörde: die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).

Die EDK würde sich wohl auch bedanken, wenn ihre Aufgaben tatsächlich die folgenden wären:

Aufgaben der Konferenz sind die Verankerung der IKT in den Lehrplänen, die Koordination zwischen den verschiedenen Schulstufen, die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte sowie die Festlegung der Rahmenbedingungen (z. B. Verträge mit Software-Herstellern, Finanzierung des Internetzugangs).

(Die Finanzierung des Internetzugangs wird seit 2001 durch die Telecom-Firma Swisscom übernommen, die den Schulen einen kostenlosen Breitbandinternetzugang bietet).

Auch beim Gründungsjahr der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) liegt der Bericht mit 2005 mehr als ein Jahrzehnt neben der Angabe, die auf http://www.sfib.ch zu finden ist:

Die SFIB wurde 1989 als gemeinsame Institution von Bund (BBT) und Kantonen eingerichtet; seit 2006 tragen vor allem die Kantone (EDK) die Kosten der Fachstelle.

Weiter im Text:

Auch die Kantone selbst bieten Fortbildungen an. Auf Initiative des Vereins Schule und Weiterbildung Schweiz nehmen jeden Sommer mehr als 3'000 Lehrkräfte an entsprechenden Kursen teil.

swch bietet zwar tatsächlich jährlich ca. 200 Kurse für etwa 3000 Teilnehmende an. Dabei geht es aber nicht spezifisch um ICT, wie das Zitat aus der aktuellen Pressemitteilung von swch PDF-Dokument zeigt:

Das Spektrum der Kurse ist sehr breit und geht von der Weiterbildung für Schulleitende, etwa mit dem Schwerpunktthema „Personalgespräche führen“, über Streitschlichter-Programme, Sprach- und Theaterkursen bis hin zu Vertiefungsangeboten im Bereich technisches Gestalten, etwa einem Schwachstrom und Magnetismus Kurs. Besonders hervorzuheben ist der Gospeltrain, einem Chorkurs unter der Leitung von Martin Loeffel, mit drei- und vierstimmigen Gospelmaterial. Kostproben werden am 17. Juli 2008 in der Franziskanerkirche geboten.

Tja, und was mache ich nun mit diesem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des deutschen Bundestages? Im Kapitel Schweiz hat die Recherche bzw. das Gegenlesen offensicht versagt. Kann ich nun den restlichen Kapiteln noch vertrauen?

Warum ich das blogge: Einmal mehr haue ich eine fremde Publikation in die Pfanne (statt eigene Publikationen fertig zu stellen). Muss das sein? Ich finde ja, denn der Bericht wird zitiert und für die öffentliche, politische Diskussion verwendet. Da scheint es mir relevant, auch Qualitätsprobleme solcher Berichte aufzuzeigen.
Hallo Beat Vielen Dank für deine kritische Einschätzung des Berichts auf die Schweiz. Ich hatte mich beim Lesen (mit Fokus auf meine Arbeit) vor allem auf den deutschen Teil beschränkt. Mir kam es bezogen auf die Schweiz auch sehr positiv vor, aber mir fehlte natürlich das gesamte Hintergrund-KnowHow, das du eingebracht hast. Die Kapitel für Deutschland versuche ich gerade zu "verifizieren", indem ich mir die Hintergrundberichte dazu anschaue. Aber das braucht mal wieder Zeit. Allerdings sind die meisten Veröffentlichungen für den deutschen Raum sehr ähnlich.

Das andere Problem bei diesen Berichten ist, dass es meist die einzigen Dokumente sind, die Anerkennung in der Bildungspolitik finden. Sie vertieft mit diesem Thema (auch empirisch) auseinander zu setzen, findet kaum statt - und wird von vielen Seiten erschwert, wie ich gerade am eigenen Leib erfahre. So berufen sich dann viele auf Berichte, die schneller und einfacher zugänglich sind.

-- Main.MandySchiefner - 23 Jul 2008


Schon noch interessant. Zeigt doch einmal mehr, dass es an empirischen Daten dazu fehlt, wie die teure IT-Infrastruktur im Unterricht tatsächlich genutzt wird - bislang sind mir nur anekdotische Berichte zu Ohren gekommen, die eine grosse Bandbreite abdecken. Grundsätzlich scheint es mir aber doch eher so zu sein, dass e-Learning (sowohl "gutes" wie "schlechtes") an den Schulen nur geringe Bedeutung geniesst und die Schüler/innen in der Regel unter "Computer-Einsatz" für die Schule das Generieren von Wordvorlagen und PowerPoint-Präsentationen im "Informatik"-Unterricht verstehen, oder das Befolgen der Lehreraufforderung "Recherchiert das mal im Internet". Ich hoffte, ich läge mit dieser Einschätzung total daneben.

lg

--Main.JanHodel - 25 Jul 2008

Font-Konferenz

24 July 2008 | Beat Döbeli Honegger | Geek, Video

HP Tablet PC 2730P

24 July 2008 | Beat Döbeli Honegger | Tablet-PC
Da ich bei der Arbeit wegen meines 4-jährigen Tablet PCs bereits schief angeschaut werde ("Und Du willst Experte für neue Medien sein??"), muss ich mich wohl für ein aktuelleres Modell umsehen. Der erstmals im September 2007 ausgelieferte HP 2710p ist eigentlich mein derzeitiger Favorit. Aber eigentlich - so meinte ich vergangene Woche beim Mittagessen - wäre ja ein Nachfolgemodell noch ganz nett, damit sich das Warten auch gelohnt hat.

Tja, meine Rechnung könnte aufgehen: Dieser Tage sind erste Bilder und technische Daten des Nachfolgers 2730p aufgetaucht (und bei der Originalquelle wieder verschwunden).

hp2730p.jpg

Die Rede ist derzeit von
  • 12.1-inch WXGA Bildschirm
  • 1.86GHz Core 2 Duo L9400 CPU,
  • 2GByte RAM
  • 120GB HD
  • GMA 4500MHD integrated graphics chipset
  • Windows Vista

Hmm, mal abwarten.

Mindestens folgende Dinge machen mich noch nicht glücklich mit diesem Modell:
  • Keine Tablet-Tasten für Scrollen u.ä. (im Gegensatz zu meinem aktuellen Modell TC1100)
  • Kein DVI-Videoausgang für den digitalen Anschluss des externen Bildschirms (da meine aktuelle Dockingstation den 24-Zoll-Screen zum Flackern bringt, ist das für mich relevant).

via jkOnTheRun

Zeitschrift Log In zu Web 2.0 in der Schule

21 July 2008 | Beat Döbeli Honegger | Wiki
Dieser Tage erscheint die Ausgabe 151/152 der Zeitschrift Log In mit dem Schwerpunktthema "Web 2.0 in der Schule" (Biblionetz:b03418). Wikis in der Schule (Biblionetz:w01331) werden dabei in verschiedenen lesenswerten Artikeln thematisiert, so z.B. in

Von mir gibt's ausnahmsweise keinen Artikel zu Wiki in der Schule wink (und auch sonst keinen Artikel). Stattdessen kam mich Reinhard Dietrich diesen März in Goldau besuchen. Das Ergebnis unseres Gesprächs ist als Interview unter dem Titel Von der Faszination des Web 2.0 (Biblionetz:t08500) nachlesbar.


Ich habe heute Frankfurts Bibliotheken genau danach unsicher gemacht, bis man mich aufgeklärt hat, dass ich einer "Vorankündigung" auf der Homepage des Verlags aufgesessen bin wink Bin aber auch schon sehr gespannt, das Heft in die Finger zu bekommen. Viele Grüße von René by www.blog.initiatived21.de

-- Main.ReneScheppler - 21 Jul 2008

Typen von E-Learning

20 July 2008 | Beat Döbeli Honegger
Rolf Schulmeister (Biblionetz:p00317) sagt im Kapitel Kriterien didaktischer Qualität im E-Learning zur Sicherung der Akzeptanz und Nachhaltigkeit (Biblionetz:t04808) als Erstes in etwa:

Es lässt sich nichts Allgemeines über E-Learning sagen.

Danach baut er Differenzierungskriterien von E-Learning-Angeboten auf. Besonders interessant ist dabei folgende Unterscheidung:

Zunächst sind zwei grundsätzlich verschiedene Typen von E-Learning zu unterscheiden, die so gut wie nichts miteinander zu tun haben, zwischen denen sich aber graduelle Übergänge und Mischformen finden lassen:

Es gibt E-Learning-Umgebungen, deren wesentliches Merkmal in einem umfangreichen Angebot von Standard-Lerninhalten besteht, während es E-Learning-Seminare gibt, die anfangs völlig ohne Inhalte starten. Ferner gibt es E-Learning-Umgebungen, deren Hauptzweck das Selbstlernen ist, während einige Online-Seminare überwiegend der Kommunikation und dem Diskurs gewidmet sind.

Die Unterschiede sind gravierend: Während der Studierende im E-Learning-Typ A sich vorwiegend mit vorgefertigten Lernobjekten auseinandersetzt, erarbeitet der Studierende im E-Learning-Typ B Wissen gemeinsam mit anderen. Entsprechend variieren die Konsequenzen für die Qualität der beiden Typen. Während im Typ A die Qualität des Lernens überwiegend von der Interaktivität der Lernobjekte abhängt, beruht die Qualität der Lernprozesse im Typ B sehr auf der Qualität der Moderation.

elearning_typen.jpg *

* Das Bild stammt von Biblionetz:b02507 .

Das erinnert mich an den Ausdruck stuff and stir, der im Zusammenhang mit E-Learning von Allison Rossett zu stammen scheint (Februar 2003):

A useful distinction is made by a leading US commentator, Professor Allison Rossett of San Diego University. She distinguishes between the 'stuff' and the 'stir' of e-learning. By 'stuff' she means the reusable web-based learning objects which are deployed on corporate intranets – an example would be a module which is downloaded by the user in order to learn to use Microsoft Excel. The 'stir' refers to the collaborative tools of e-learning, such as online discussions and virtual classrooms.

Source PDF-Dokument

-- Main.BeatDoebeli - 19 Dec 2005

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