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Jetzt auch noch in der Schule?

24 September 2016 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht

Am 09.09.2016 ist mein Forumsbeitrag in der Zeitung Bote der Urschweiz erschienen (Biblionetz:t19000):

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Die sitzen doch zu Hause schon genug vor dem Bildschirm!», werden einige denken, wenn sie von der Einführung des Fachs «Medien und Informatik» in der Volksschule oder der Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler des Bezirks Schwyz mit persönlichen Tablets hören. Damit liegen sie gar nicht so falsch. Tatsächlich verbringen Kinder und Jugendliche ausserhalb der Schule viel Zeit mit digitalen Medien – das belegen zahlreiche Studien und die Erfahrung vieler Eltern. Dies spricht jedoch nicht dagegen, dass digitale Medien auch ihren Platz in der Schule erhalten – im Gegenteil. Die Allgegenwärtigkeit digitaler Medien sowohl im Berufs- als auch im Privatleben zeigt, wie wichtig dieser Themenbereich geworden ist.

Autofahren lässt sich als isolierte Fertigkeit innert kurzer Zeit gut ausserhalb der Schule erlernen. Die Bedienung eines Autos hat sich in den letzten 50 Jahren nicht gross verändert, und mit Autos kann man primär eines: fahren. Digitale Medien, also Computer, Tablets, Smartphones etc. sind dagegen Universalwerkzeuge, deren Möglichkeiten laufend zunehmen. Im Gegensatz zum Auto genügt es nicht zu wissen, auf welches Pedal man drücken muss. Kinder und Jugendliche benötigen ein vertieftes Verständnis der digitalen Welt, um sich mündig in ihr bewegen zu können.

Hier kann nur die Schule die Chancengerechtigkeit gewährleisten. Wo, wenn nicht in der Schule, sollen Kinder und Jugendliche lernen, mit digitalen Medien vernünftig umzugehen? Nur in der Schule werden alle Schülerinnen und Schüler erreicht, unabhängig von den Möglichkeiten der Eltern, die erforderliche Medienbildung zu übernehmen. So hat sich die Stimmung an Elternabenden in den letzten Jahren stark gewandelt. Die meisten Eltern begrüssen es heute sehr, wenn sie bei der anspruchsvollen Aufgabe unterstützt werden, einen mündigen und kritischen Umgang mit Medien zu vermitteln. Die Schule kann auch ein differenzierteres Bild von digitalen Medien vermitteln. Während diese im privaten Umfeld vorwiegend als Unterhaltungsgeräte wahrgenommen werden, kann die Schule dazu beitragen, die Geräte auch als Werkzeug zum Lernen und Arbeiten zu sehen und zu verwenden. Die langjährigen Erfahrungen an der Projektschule Goldau zeigen, dass dies kein praxisferner Wunschtraum, sondern eine durchaus realistische Folge des gezielten Computereinsatzes an der Schule sein kann.

Die sitzen doch zu Hause schon genug vor dem Bildschirm!», ist auch verbunden mit dem Vorurteil, dass Schülerinnen und Schüler dauernd vor digitalen Geräten sitzen würden, sobald diese in der Schule verfügbar sind. Auch da sprechen die Erfahrungen der Projektschule Goldau eine andere Sprache. Etwa 10 bis 15 Prozent der Unterrichtszeit arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit den jederzeit verfügbaren, persönlichen Digitalgeräten. Weder der Sportunterricht, die Schulreisen noch die allgemeine Bewegung haben deswegen in der Projektschule Goldau abgenommen. Eigentlich nicht verwunderlich: Niemand würde erwarten, dass die Wandtafel dauernd genutzt wird, nur weil sie im Schulzimmer hängt. Genutzt wird sie, wenn es didaktisch sinnvoll ist. Bei den digitalen Geräten müssen wir uns eine ähnliche Gelassenheit erst angewöhnen. Auch der erste Zwischenbericht einer mehrjährigen Tabletstudie der Pädagogischen Hochschule Schwyz kann vielleicht die Gemüter etwas beruhigen. Es hat sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die in der Schule über ein persönliches Tablet verfügen, deswegen zu Hause nicht häufiger Computerspiele spielen.

Die Zeit des «entweder – oder» ist bei digitalen Medien in der Schule definitiv vorbei. Es geht um ein sinnvolles «sowohl – als auch». Die Schule steht vor der dreifachen Herausforderung, mit, über und trotz digitaler Medien zu unterrichten. Ich freue mich darauf, auch die diese Woche eingetretenen Erstsemestrigen an der Pädagogischen Hochschule Schwyz auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten!

Dr. Beat Döbeli Honegger ist Professor für Informatik- und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz in Goldau. Im März dieses Jahres ist sein Buch «Mehr als 0 und 1 – Schule in einer digitalisierten Welt» im hep-Verlag erschienen.

red. Im «Bote»-Forum schreiben regelmässig prominente Schwyzer. Sie sind in der Themenwahl frei und schreiben autonom. Der Inhalt des «Bote»-Forums kann, aber muss sich nicht mit der Redaktionshaltung decken.


Ić bin kein Schweizer

03 September 2016 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbericht

Unter dem Titel Ić bin kein Schweizer (Biblionetz:t19159) berichtet das Magazin des Tages-Anzeigers von Robert Matešić der sich gerne in der Schweiz einbürgern lassen möchte, dem die Behörden jedoch mitteilen, sein Nachname lasse sich nicht wie gewünscht als Matešić schreiben, da die entsprechende Verordnung das Zeichen ć nicht kenne. Der Artikel erklärt gegen Ende, dass eigentlich technische Gründe dafür den Ausschlag geben. Da man bei den Behörden noch nicht mit dem umfassenden Zeichensatz UTF-8 arbeitet, hat man sich früher für einen Teilzeichensatz entscheiden müssen und hat ISO 8859-15, den westeuropäischen Zeichensatz gewählt. Somit lassen sich alle westeuropäischen Namen problemlos im Schweizer Pass abbilden, nicht jedoch die osteuropäischen. Der Artikel schliesst mit der Frage, ob dies dem Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung widerspricht: "Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache..."

In der aktuellen FAZ vom 17.08.2016 spricht sich Adrian Lobe im Artikel Auf dem Lehrplan der Siliziumtalschule (Biblionetz:t19106) gegen das Programmieren als Teil der Allgemeinbildung (Biblionetz:f00114) aus:

Müssen wir jetzt alle programmieren lernen? Die IT-Giganten lassen sich entsprechende Förderprogramme ganz schön was kosten. Doch ihre Ziele sind eher ideologischer als praktischer Natur.

Ich möchte seine Argumentationsweise nicht unwidersprochen lassen. So wie sich viele Diskussionen um Kinder und Computer entschärfen lassen, wenn man Computer durch Buch ersetzt, erscheinen viele Aussagen Lobes in einem anderen Licht, wenn man Informatik oder Programmieren durch Biologie oder Chemie ersetzt.

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