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Weil die Aussage immer mal wieder in den Medien auftaucht, aber dadurch nicht wahrer wird und ich es leid bin, jedes Mal das Gegenteil zu erklären, möchte ich es hier ein für alle Mal dokumentieren:
Bereits die 2013 veröffentlichte Konsultationsversion des Lehrplans 21 enthielt Informatikkompetenzen.
Worum geht es?
Juraj Hromkovic (
Biblionetz:p03989) hat in den vergangenen Monaten in Interviews öfters zu Protokoll gegeben, in der 2013 veröffentlichten Entwurfsfassung des Lehrplans 21 sei das Wort
Informatik nicht vorgekommen. Erst nachdem er in der zweiten Phase der Lehrplanentwicklung mitwirken konnte, sei Informatik in den Lehrplan gekommen.
Im Interview vom 9.01.2020 klingt das z.B. so:
Anfangs kam das Wort «Informatik» im Lehrplan 21 nicht mal vor. Im letzten Augenblick, eineinhalb Jahre vor dem Abschluss des Lehrplans 21, hat man der ETH noch erlaubt, sich zu beteiligen, und uns ermöglicht, ein Modul «Informatik» reinzubringen. Leider nicht separat, aber im Rahmen des Faches «Medien und Informatik».
Quelle: (
Biblionetz:t25867)
Die Aussage, dass das Wort "Informatik" in der Konsultations-/Entwurfsfassung von 2013 nicht vorkomme, ist sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn falsch.
Die Entwurfsfassung des Lehrplans 21 war im Jahr 2013 zur öffentlichen Konsultation unter
http://konsultation.lehrplan.ch/ abrufbar und enthielt ein Kapitel
ICT und Medien (
Biblionetz:t15600). Leider ist sie heute nicht mehr offiziell verfügbar. Das Kapitel
ICT und Medien kann aber z.B.
hier herunter geladen werden.
Eine kurze Volltextsuche ergibt, dass der Begriff
Informatik in diesem Kapitel zwei Mal vorkommt:
Dieses wörtliche Vorkommen ist aber in der Tat Wortklauberei. Viel relevanter ist die Tatsache, dass die grosse Mehrheit der in der Schlussfassung des Lehrplans 21 vorkommenden Kompetenzbeschreibungen für das Themengebiet Informatik bereits in der Entwurfsfassung vorkommen.
In der damaligen Struktur hiess ein Kompetenzbereich
ICT/M.1 Kennen und Einordnen von Medien und enthielt sechs Unterkapitel. Drei davon (also die Hälfte) sind eindeutig dem Informatikbereich zuzuordnen:
- Die Schülerinnen und Schüler können einfache Datenstrukturen und ihre Darstellungsformen verstehen und verwenden.
- Die Schülerinnen und Schüler können Algorithmen darstellen, als Programm umsetzen sowie deren Ergebnisse interpretieren und überprüfen.
- Die Schülerinnen und Schüler verstehen Aufbau und Funktionsweise von informationsverabeitenden Systemen.
Quelle: Kapitel
ICT und Medien, Entwurfsfassung Lehrplan 21 (2013) (
Biblionetz:t15600)
Liest man die nun geltende Schlussfassung des Lehrplans 21, so lauten im Kapitel
Medien und Informatik (
Biblionetz:t17600) die Überschriften des Kompetenzaufbaus Informatik
- Die Schülerinnen und Schüler können Daten aus ihrer Umwelt darstellen, strukturieren und auswerten.
- Die Schülerinnen und Schüler können einfache Problemstellungen analysieren, mögliche Lösungsverfahren beschreiben und in Programmen umsetzen.
- Die Schülerinnen und Schüler verstehen Aufbau und Funktionsweise von informationsverarbeitenden Systemen und können Konzepte der sicheren Datenverarbeitung anwenden.
Quelle: Kapitel
Medien und Informatik, Schlussfassung Lehrplan 21 (2015) (
Biblionetz:t17600)
Sprachlich anders formuliert, inhaltlich praktisch identisch. Es sind die drei Bereiche
Daten,
Algorithmen,
Informatiksysteme.
Wer es detailliert wissen möchte, hier die drei Abschnitte wortwörtlich aus dem Lehrplanentwurf von 2013:
Zum Schluss eine noch detailliertere Analyse: Alle Kompetenzbeschreibungen des
Kompetenzbereichs Informatik aus der Schlussversion von 2019 in der linken Spalte und
jeweils die entsprechenden Formulierungen in der rechten Spalte:
Im Unterbereich
Datenstrukturen haben 7 von 10 Kompetenzbeschreibungen der
Schlussversion eine Entsprechung in der Entwurfsversion, in einem Fall
(relationale Datenbanken) war die Entwurfsversion sogar umfangreicher als
die Schlussversion. Neu hinzugekommen ist in diesem Unterbereich das "Ordnen von
Objekten nach selbstgewählten Eigenschaften" im Zyklus 1 und das Erfinden von eigenen
Programmiersprachen. Dafür ist das "Erkennen von Elementen formaler Sprachen" verloren
gegangen (eine Vorläuferfertigkeit für reguläre Ausdrücke).
Im Unterbereich
Algorithmen haben 6 von 8 Kompetenzbeschreibungen der
Schlussversion eine Entsprechung in der Entwurfsversion, in einem Fall
(technische und ethische Grenzen der Automatisierung) ist die Kompetenz
in der Entwurfsversion später, aber dafür umfangreicher formuliert). In der
Entwurfsversion fehlt die Kompetenzbeschreibung zu Beginn des Zyklus 2, dass Schülerinnen
und Schüler verschiedene Lösungswese finden, prüfen und vergleichen können.
Im Unterbereich
Informatiksysteme sind schliesslich 12 von 13
Kompetenzbeschreibungen praktisch identisch. Sowohl bei der Entwurfsversion als auch
bei der Schlussversion ist je eine Kompetenzbeschreibung nicht vorhanden.
Fazit
Anhand der gemachten Vergleiche ist die Aussage, in der Entwurfsversion sei Informatik nicht enthalten gewesen, definitiv nicht korrekt.
Was hingegen stimmt: Der Begriff Informatik hat durch die Aufnahme in den Titel
an Bedeutung gewonnen und die Struktur der Schlussversion macht die
Kompetenzbeschreibungen der Informatik massiv deutlicher sichtbar.
Aber inhaltlich war alles bereits in der Entwurfsversion vorhanden.
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