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Wenn der Beamer nicht mehr dem Lehrer vorbehalten ist...

04 November 2011 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

%STARTBLOG% Hier eine weitere Erfahrung aus der vergangenen Blockwoche (siehe Netzwerk-Scanner und Post-It-War). Als Vorbereitung für den Kurs-Nachmittag Netzwerktechnik in der Schule habe ich mir u.a. die in allen Seminarräumen an der Decke montierten Beamer endlich einmal genauer angeschaut. Ich wusste schon lange, dass unsere Modelle über ein WLAN-Modul verfügen, das aber bisher von unserer PH nicht genutzt worden war (und das sich auch nicht abschalten lässt...).

Nach einigem Umkonfigurieren (womit wir beim Thema des Nachmittags wären) hatte ich den Beamer soweit, dass er von Computern aus dem Netzwerk mit der entsprechenden Software als externer Monitor verwendet werden konnte. Soweit, so gut - an und für sich nichts neues. Spannend wurde es aber, als ich bei den Recherchen auf eine App für iDevices gestossen bin, die den drahtlosen Zugriff auf den Beamer von iPod Touch, iPhone und iPad ermöglichen:

Mit der Panasonic Wireless Projector for iOS lassen sich derzeit Bilder, PDFs, Webseiten und mit der integrierten Kamera gemachte Fotos drahtlos auf den Beamer übertragen. Dank Touchscreen lassen sich auf allen angezeigten Bildern auch Markierungen mit dem Finger anbringen.

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Die iPad-App mit Fingernotizen

Da ich für die Blockwoche für die Studierenden persönliche iPhones organisiert hatte, konnten wir das auch real ausprobieren. Natürlich erschienen am ersten Tag während des Unterrichts immer mal wieder mehr oder weniger lustige Fotos, bereits am zweiten Tag konnte ich diese technische Spielerei auch ernsthaft nutzen: "Zeigen Sie doch mal ihre Ergebnisse auf dem Beamer" und kurz darauf erschien das Ergebnis der ersten Arbeitsgruppe vorne auf dem Beamer, ohne Gestöpsel und Geläuf im Schulzimmer.

Die App ist noch nicht wirklich perfekt, aber sie zeigt eine Entwicklung auf: Wie könnte sich in Zukunft die Beamernutzung verändern,
  • wenn nicht primär die Lehrperson den Beamer nutzt weil der benötigte Anschluss unter ihrer Kontrolle ist?
  • wenn für das Beamen nicht erst aufgestanden und gestöpselt werden müsste?
Nichts Revolutionäres. Aber eine massive Vereinfachung, die sich im Schulalltag eben auswirkt. P.S.: Im Projekt Klassenzimmer der Zukunft in Magdeburg wird dies bereits seit längerem mit Interaktiven Whiteboards, Tablet-PCs und einer speziell entwickelten Software gemacht. Für mich neu war, dass das mit iDevices bei uns im Haus auch klappt. Auch bei mir gilt: Selber erleben ist glaubhafter als von anderswo hören... wink


Jugendmedienkompetenzschutz?

03 November 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung, Veranstaltung
Heute vor einer Woche war ich an einer gesamtschweizerischen Veranstaltung, die durch ein Begrüssungswort eines Bundesrats geadelt worden war. Aber auch eine Woche später ist mir noch nicht restlos klar, an was für einer Veranstaltung ich vor einer Woche eigentlich war. (Ein Gefühl, das Heinz Moser (Biblionetz:p00885) bereits vor der Veranstaltung beschlich.)

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Die Dachveranstaltung nannte sich 1. Schweizer Tag der Medienkompetenz, zentraler Bestandteil darin war das Nationale Fachforum Jugendmedienschutz und zwischen diesen beiden Polen (?) bewegte sich die Veranstaltung, wobei ich öfters das Gefühl bekam, dass das Schützen gegenüber dem Kompetenzen fördern und den Potenzialen digitaler Medien die Überhand hatte. Offiziell waren beispielsweise die Fachforen schön aufgeteilt zwischen fördern und schützen, das Bauchgefühl aber blieb.

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Vor allem aber hatte ich das Gefühl, der Veranstaltung fehle eine Vision oder schon nur eine positive Grundstimmung, dass sich in diesem Bereich auch Chancen auftun. Der Tag machte eher den Eindruck einer Pflichtübung auf verschiedenen Ebenen: Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen, weil es die Politik aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung verlangt.

Selbstverständlich ist eine schweizweite Koordination der entsprechenden Aktivitäten wichtig. Die vom Bundesamt für Sozialversicherungen in Auftrag gegebene Bestandesaufnahme der Informations- und Schulungsangebote im Jugendmedienschutz und zur Förderung der Medienkompetenzen PDF-Dokument hat dann aber für mich den eher zweifelhaften Beigeschmack einer wenig innovativen oder visionären Amtshandlung. Bisher wurden 561 Angebote gefunden (wissenschaftlich: n=561) und an der Tagung präsentiert, aufgeschlüsselt nach Trägerschaft und Art der Objekte. Da wurde dann festgestellt, dass 27.8% der Objekte "Broschüren/Flyer/Merkblatt/Ratgeber" sind und nur 1.1% "Kampagnen/Programme/Strategien."

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Ach ja!? Trotz der Unterschiedlichkeit der Objekte wurden dann Prozentangaben präsentiert, welcher Anteil der Objekte von welchen Urhebern stammt und für welches Zielpublikum gedacht sind. Was sagen diese Zahlen aus, wem dienen sie? Hier entsteht leider eher der Eindruck, dass ein Thema verwaltet wird, um am Ende des Bundesprogramms sagen zu können, man habe etwas gemacht (und zwar wissenschaftlich).

Die Veranstalter gingen anscheinend nicht davon aus, dass die Teilnehmenden Internet und soziale Netze würden nutzen wollen. So gab es am Veranstaltungsort kein zugängliches WLAN und ein Hashtag für Twitter war keines vorgesehen.

Gefallen hat mir eigentlich die Eröffnungsrede von Bundesrat Didier Burkhalter unter dem Titel L'èducation est la clé! (Biblionetz:t14759). Hier einige Zitate:

Die Förderung von Medienkompetenzen ist ein Lern- und Bildungsprozess. Deshalb erachten wir es als entscheidend, dass alle Partner zusammenarbeiten, die in diesem Bereich tätig sind. Dazu gehören Schulen, pädagogische Hochschulen, Fachstellen auf kantonaler und lokaler Ebene, private Vereine und Stiftungen, Polizeidienste und die Wirtschaft: Wir alle sind gefordert und wir können und sollen uns unserer Verantwortung nicht entziehen.

Der Bundesrat hat gleichzeitig klargestellt, dass die Förderung eines kompetenten Umgangs mit den Chancen und Gefahren von Medien im Vordergrund steht und nicht die Ausarbeitung neuer Verbotsregelungen; denn eine sozusagen Überbevormundung erzielt oft den gegenteiligen Effekt und bietet nur kurzfristige Lösungsansätze an.

La clé de la réussite de ce processus passe d'abord et avant tout par ce que l'on peut donner aux enfants, ce que l'on doit donner aux enfants : l'éducation. Par l'apprentissage des chances et des dangers. Par une capacité à relativiser, à remettre les informations dans leur contexte, à faire usage de son esprit critique.

Die beste Antwort ist die aktive Begleitung der Medienaktivitäten von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene. Der Schlüssel dazu ist Bildung in Verbindung mit Vertrauen und Selbstverantwortung. Diese Kombination, diese Werte sind - und bleiben - die wichtigsten Jugendschutzmassnahmen.

Das Medienecho auf die Veranstaltung war in meiner Wahrnehmung relativ gering, abgesehen von Tagesschau und 10vor10. Diese beiden Beiträge bestätigen aber meinen zu Beginn geäusserten Eindruck, dass es vor allem um das Schützen vor den Gefahren des Internets ging. Beide Beiträge drehen sich ums Thema Cybermobbing:

Tagesschau vom 27.10.2011

10vor10 vom 27.10.2011


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Wenn die Schulbuchverlage zur Schnüffelsoftware greifen

02 November 2011 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT
Angestossen durch einen Bericht bei netzpolitik.org unter dem Titel Der Schultrojaner - Eine neue Innovation der Verlage stehen die deutschen Lehrmittelverlage derzeit heftig in der Kritik.

Worum geht es? Die 16 deutschen Bundesländer haben im Dezember 2010 einen Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG (PDF-Dokument) der Schulbuchverlage und Verwertungsgesellschaften unterschrieben, der seit Januar 2011 in Kraft ist. Dieser Vertrag regelt, welche urheberrechtlich geschützten Werke die Schulen zu welchen Konditionen vervielfältigen dürfen ("maximal 12% eines Werkes, jedoch nicht mehr als 20 Seiten").

Soweit, so gut. Für Unmut sorgt nun aber §6, Absatz 4:

Die Verlage stellen den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können. Die Länder wirken - die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software vorausgesetzt - darauf hin, dass jährlich mindestens 1 % der öffentlichen Schulen ihre Speichersysteme durch Einsatz dieser Plagiatssoftware auf das Vorhandensein solcher Digitalisate prüfen lässt. Der Modus der Auswahl der Schulen erfolgt - aufgeschlüsselt nach Ländern und Schularten - in Absprache mit den Verlagen auf Basis eines anerkannten statistischen Verfahrens. Die Überprüfungen erfolgen ab Bereitstellung der Software, frühestens jedoch im 2. Schulhalbjahr 2011/2012.

Zusammengefasst verpflichten sich die Bundesländer somit, einen Raubkopienscanner der Verlage auf 1% der Schulserver einzusetzen.

netzpolitik.org fragt sich nun, ob das datenschutzrechtlich, arbeitsrechtlich und beamtenrechtlich unbedenklich sei und ob sich die Bundesländer angesichts der aktuellen Bundestrojanerdiskussion bewusst seien, welche Büchse der Pandora sie da öffnen:

Also nochmal zusammengefasst:

Unsere Kultusminister schließen einen Rahmenvertrag mit Rechteinhabern und erlauben diesen im Gegenzug, einen Schultrojaner auf unsere Schulen loszulassen, und ggf. Lehrer für unberechtigte Kopien zu sanktionieren. Es klingt wie eine Schnapsidee, wobei es äußerst fragwürdig ist, ob das überhaupt rechtlich durchführbar ist. Hat das eigentlich mal jemand vor Vertragsabschluß durchdacht? Erschütternd ist, dass unsere Kultusministerien sowas überhaupt verhandelt und dann durch den bayrischen Kultusminister unterschrieben haben. Noch ist Zeit, den Einsatz dieser Schnüffelsoftware zu verhindern.

Das Blogposting von netzpoltik.org hat erste Massenmedien auf die Geschichte aufmerksam gemacht ((taz, bild.de, spiegel.de, zeit.de, heise.de), was dann wiederum den Verband der Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien zu einer Stellungsnahme gebracht hat. Darin versucht der Verband, den kommunikativen Schaden einzugrenzen, indem er darauf hinweist, dass die Plagiatsüberprüfung weder heimlich geschehe (der Begriff Schultrojaner somit nicht angebracht sei), noch private E-Mails von Lehrern gescannt würden und sowieso gemäss Vertrag alles datenschutzgesetzkonform von den Bundesländern umgesetzt werde.

Die Diskussion zieht unterdessen weitere Kreise. So weist Rainer Kuhlen (Biblionetz:p00412) in seinem Blogposting Nicht nur "Schnüffelsoftware", sondern im Gesamtvertrag über den Tisch gezogen: Schulen sollen analog bleiben darauf hin, dass die Bundesländer auf dem besten Weg seien, der Schule und damit der Jugend den Weg in die digitale Zukunft zu verbauen. In einer gemeinsamen Broschüre von Kultusministerien und Verband der Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien steht nämlich

Zulässig sind nur analoge Kopien. Die digitale Speicherung und ein digitales Verteilen von Kopien (z.B. per E-Mail) ist schon von Gesetzes wegen nicht gestattet und wird von der neuen vertraglichen Regelung ebenfalls nicht erfasst.

Rainer Kuhlen fragt sich darum:

Warum nutzen die Länder ihre große Macht gegenüber den Verlagen und Verwertungsgesellschaften nicht aus, um brauchbare Lösungen auszuhandeln oder um unbrauchbare Lösungen zu verhindern? Vertragsregelungen gehen ja über die Schrankenregelungen. Warum hat man nicht als Minimum ausgehandelt, dass die Lehrer sehr wohl im Sinne der obigen Frage scannen dürfen, wenn sie das Resultat dann brav als Papierkopie verteilen? Das ist natürlich heute 2011 schon absurd wenig genug.

Wie sollen Schulen und SchülerInnen für das digitale Zeitalter fit gemacht werden, wenn den Schulen nicht erlaubt ist, den Schülern einer Klasse auch elektronische Materialien zugänglich zu machen? Warum haben die Länder nicht gleich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen, um die vollkommen unrealistische Regelung in § 52a UrhG, der ja das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, auch für Schulen, regelt, gleich mit in die vertragliche Vereinbarung mit einzubeziehen.

Herr Larbig schreibt einen offenen Brief an die Schulbuchverlage. Da meint er unter anderem:

Das Problem ist, dass Sie Vereinbarungen treffen, die Lehrern und Schulen mindestens generell unterstellen, diese bräuchten die Präsenz einer solcher Kontrollsoftware, um davon abgehalten zu werden, womöglich rechtswidrige digitale Kopien anzufertigen. Weniger nett gedacht, stellen Sie die gesamte Lehrerschaft und alle Schulen unter Generalverdacht - und das völlig verdachtsunabhängig.

[...]

Wenn mir jemand misstraut, dann begegne ich ihm mit Misstrauen.

Früher habe ich vielleicht die Preise von Schulbüchern als teuer empfunden, ärgerte ich mich über schlechte Unterrichtseinheiten in Schulbüchern, nervten mich veraltete Unterrichtsmedien. Ich hoffte darauf, dass Schulbuchverlage endlich stärker im digitalen Informationszeitalter ankommen würden, hätte aber nicht damit gerechnet, dass einer der frühen Schritte der Bildungsmedienanbieter der Gernalverdacht in Sachen Urheberrechtsverletzungen digitaler Art gegenüber Lehrern und Schulen wäre.

Ich hätte eher gedacht, dass Schulbuchverlage auftreten und uns vorführen, wie toll das Arbeiten mit Computern ist, wie wunderbar digitale Unterrichtsmedien genutzt werden können, wie innovativ die damit möglich werdenden Unterrichtskonzepte sein können. Aber nein, sie scheinen digitalen Welten nicht viel zuzutrauen, außer dass sie zur Anfertigung von digitalen Kopien Ihrer analogen Medien genutzt werden könnten.

Eine solche Einstellung verhindert Innovation. Einen solche Einstellung verschreckt gerade die Lehrer, die bereits hochgradig vernetzt arbeiten und eigentlich für Sie als Zielgruppe und Multiplikatoren wichtig wären.

Nun haben Sie erreicht, dass gerade diese Lehrkräfte auf (noch größere) Distanz zu den Schulbuchverlagen gehen, ja, teilweise nicht einmal mehr der Meinung sind, dass ein Kommunikationsprozess sinnvoll sein könnte, weil die Schulbuchverlage alleine den Gesetzen der Ökonomie folgten. Sie haben mit dieser Regelung sehr viel Porzellan zerschlagen.

Tja, was ist dem noch hinzuzufügen? Ich kann nur hoffen, dass wir Schweizer Lehrmittelverlage von solchen Schritten abhalten können...

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