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How to Act in a World of Change

26 March 2013 | Beat Döbeli Honegger
In einem Wired-Interview im Juni 2012 wurde Joi Ito, aktueller Leiter des MIT Media Lab gefragt, wie man in der heutigen Welt handeln soll:

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Bild von Bruce Sterling

There are nine or so principles to work in a world like this:
  1. Resilience instead of strength, which means you want to yield and allow failure and you bounce back instead of trying to resist failure.
  2. You pull instead of push. That means you pull the resources from the network as you need them, as opposed to centrally stocking them and controlling them.
  3. You want to take risk instead of focusing on safety.
  4. You want to focus on the system instead of objects.
  5. You want to have good compasses not maps.
  6. You want to work on practice instead of theory. Because sometimes you don’t why it works, but what is important is that it is working, not that you have some theory around it.
  7. It disobedience instead of compliance. You don’t get a Nobel Prize for doing what you are told. Too much of school is about obedience, we should really be celebrating disobedience.
  8. It’s the crowd instead of experts.
  9. It’s a focus on learning instead of education.

Auf Deutsch übersetzt von Andrea Jonjic:

  1. Ausdauer statt Stärke, was bedeutet: Du willst lieber nachgeben, Fehler zulassen und wieder auf die Beine kommen anstatt versuchen, keine Fehler zu machen.
  2. Du ziehst anstatt zu drücken. Das heißt, du ziehst Resourcen aus dem Netzwerk, so wie du sie benötigst, anstatt sie zentral zu lagern und zu kontrollieren.
  3. Du willst lieber etwas riskieren, anstatt auf Sicherheit bedacht zu sein.
  4. Du willst das System fokussieren anstatt Objekte.
  5. Du willst gute Kompasse haben und keine Karten.
  6. Du willst praktisch arbeiten, nicht theoretisch. Manchmal weißt du nicht, wieso es funktioniert, aber es ist wichtig dass es funktioniert und nicht, dass du irgendeine Theorie dafür hast.
  7. Ungehorsamkeit statt Regelbefolgung. Du bekommst keinen Nobel-Preis dafür, zu tun, was dir gesagt wird. In der Schule geht es zu viel um Gehorsamkeit, wo wir doch eigentlich den Ungehorsam feiern sollten.
  8. Es ist die Crowd, nicht die Experten.
  9. Der Fokus liegt auf Lernen, nicht auf Bildung.

Das Gruselkabinett des Manfred Spitzer

20 March 2013 | Beat Döbeli Honegger
Immer wieder wird mir in Diskussionen gesagt, Manfred Spitzer (Biblionetz:p01290) würde durchaus eine differenzierte Sicht auf digitale Medien vertreten. Spitzer würde sich vor allem gegen die übermässige private Nutzung von digitalen Medien insbesondere im frühen Kindesalter wenden, gegen eine sinnvolle Nutzung von digitalen Medien in der Schule hätte er überhaupt nichts.

NEIN. Dem ist definitiv nicht so.

Polemischer und pauschaler als Manfred Spitzer kann man sich zu digitalen Medien in der Schule kaum äussern.

Damit ich mich nicht jedes Mal aufs neue ärgern muss, wenn mir Spitzers Haltung als differenziert entgegengehalten wird, hier einige Zitate aus Spitzers Gruselkabinett:

Bei digitalen Medien im Kindergarten und in der Grundschule handelt es sich daher in Wahrheit um nichts weiter als eine Art von Anfixen.

Quelle: Digitale Demenz (Biblionetz:b04942), Schule: Copy and Paste - statt Lesen und Schreiben? (Biblionetz:t14152) Seite 75

Was wir nicht brauchen, ist Medienkompetenz, ein Internetführerschein oder Ähnliches. Das ist eher wie das «Anfixen» in der Drogenszene.

Quelle: Manfred Spitzer im Sonntagsblick vom 29.07.2012 im Artikel Digitale Demenz (Biblionetz:t14185)
Wer also glaubt, dass Schüler beispielsweise das Programmieren oder gar ganz allgemein besser zu denken lernen, wenn es Computer an der Schule gibt, der irrt. Man kann sogar davon ausgehen, dass die Beziehung umgekehrt ist: Je mehr Computer eine Schule hat, desto schlechter stehen die Chancen, dass damit irgendetwas Vernünftiges getan wird - stellte hierzu schon vor einigen Jahren der amerikanisehe Computerwissenschaftler Palma (2000, S.41) fest.

Manfred Spitzer (2005): Vorsicht Bildschirm! (Biblionetz:b02182), Seite 260

Hinzu kommt, dass der Computer ein teures und zugleich recht kurzlebiges Wirtschaftsgut ist, denn wenn er nach drei Jahren überhaupt noch funktionieren sollte, ist er auf jeden Fall völlig veraltet und damit wertlos. Dann ist das Geld für die Anschaffung erneut fällig, und so geht es weiter. Kaum ein Produkt dieser Preisklasse hat einen so hohen Preis bei einer derart kürzen Nutzungsdauer. Welcher Konsument aus der Gruppe sozial schwacher Bürger würde beispielsweise ein Auto kaufen, das nach zwölf bis achtzehn Monaten kaum noch die Hälfte wert ist und nach drei Jahren nicht mehr repariert oder überholt wird, weil es sich einfach nicht mehr lohnt? Schon gar nicht würden dies Schulen oder Kindergärten tun, aber beim Computer machen alle eine Ausnahme, was die Hersteller sehr freut.

Manfred Spitzer (2012): Digitale Demenz (Biblionetz:b04942) im Text Was tun? (Biblionetz:t14170) auf Seite 307

Wir brauchen keine Computer, weder im Kindergarten noch in der Grundschule oder in der Sekundarschule. Meine Empfehlung lautet: Computer erst ab Oberstufe.

[...]

Es genügt aber, wenn Menschen ab sechzehn Jahren damit arbeiten. Wir müssen die Kinder nicht an den Computer heranführen. In meinen Augen ist es wahnwitzig, welche absurden Argumente wir uns ständig aus den Fingern saugen, um die mediale Praxis zu rechtfertigen, die wir heute haben. Der Kinderkanal zum Beispiel hat die grösste Gewaltdichte aller Sendungen. Die grösste! Nach den Kindersendungen kommen die Nachrichten, Westernfilme sind dagegen ziemlich harmlos.

Manfred Spitzer 2008 im Interview mit der NZZ am Sonntag (Biblionetz:t14696)

Reicht das? Mir schon.

Besten Dank für diese Zusammenstellung. Ein wichtiger Link, falls ich ebenfalls wieder in die Situation komme, jemandem zu erklären, dass das was Spitzer macht, nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun hat. Mir reicht es ebenfalls wink

-- Main.MaxWoodtli - 20 Mar 2013

Bundesordner oder Tablet?

15 March 2013 | Beat Döbeli Honegger
Zur Zeit sind noch alle auf die Inhalte des kommenden Lehrplans 21 (Biblionetz:w02172) fokussiert: Hinter den Kulissen wird intensiv an den Inhalten gearbeitet, vor der Kulisse wird vor allem gerätselt, Inhalte vermutet und vorverurteilt. Mitte 2013 soll der Entwurf in die Vernehmlassung kommen, dann werden die Inhalte einer grösseren Öffentlichkeit bekannt werden.

Noch wenig ist von der Umsetzung des Lehrplans 21 zu hören. Erst wenige Kantone haben sich dazu geäussert, wann sie den neuen Lehrplan 21 für verbindlich erklären möchten, noch weniger ist bekannt, wie der neue Lehrplan eingeführt werden soll. Es werden Weiterbildungen für Lehrpersonen notwendig sein, es werden neue Lehrmittel erarbeitet und ebenfalls eingeführt werden müssen etc. Kurz: Ich gehe davon aus, dass der Lehrplan 21 die Volksschulweiterbildung eine gewisse Zeit dominieren wird.

Hier wäre es ja schon spannend zu überlegen, wie solche Weiterbildungen im 21. Jahrhundert aussehen könnten bzw. sollten. Plakativ gefragt: Bundesordner oder Tablet?

ordner-oder-tablet.jpg

Werden die Lehrpersonen zwei Wochen vor einem Präsenzkurs in ihrer Region einen Bundesordner mit dem neuen Lehrplan 21 erhalten und dann in Weiterbildungskursen Ziele, Inhalte und Methoden vorgestellt erhalten und diskutieren, danach nach Hause gehen und alleine im stillen Kämmerchen neue Papierunterlagen herstellen? Oder werden die Kantone den Lehrpersonen einen Tablet mit allen Unterlagen zur Verfügung stellen, eine Diskussions- und Austauschplattform aufgebaut haben und Lehrpersonen auffordern, neue Unterrichtsmaterialen gleich digital zu erarbeiten, anderen Lehrpersonen zur Verfügung zu stellen und gleich passend zu verschlagworten?

Werden Lehrmittelverlage fleissig neue Lehrmittel erstellen? Vermutlich. Werden diese Lehrmittel zwar kompetenzorientiert, fachbereichs- statt fachspezifisch, aber weiterhin primär papiergebunden sein (selbstverständlich mit einem online-Angebot) oder ist der Lehrmittelwandel anlässlich der Lehrplan-21-Einführung gleich Auslöser einer digitalen - vielleicht sogar offenen - Lehrmittelinnovation?

Ich weiss es nicht. Bisher ist wenig an entsprechenden Überlegungen bis zu mir gedrungen. Wäre das nicht eine Idee für ein zweites Public-Private-Partnership, wie die Initiative Schule ins Netz (PPP-SiN) (Biblionetz:w01006) vor einigen Jahren?

Die Frage, welche Rolle digitale Medien in der Schule des 21. Jahrhunderts spielen (mindestens im ersten Viertel...) hängt nicht nur davon ab, was bezüglich digitaler Medien im Lehrplan 21 steht. Sondern auch, wie der Lehrplan 21 eingeführt wird. Dies ist eine Chance, die wir packen oder vorbeiziehen lassen können.


Hallo Beat Du bist ja mächtig produktiv. Gestern angedacht und heute publiziert! Die Idee ist bestechend und könnte durchaus in deinem Sinne im Rahmen von einem zweiten PPP umgesetzt werden.

-- Main.AndreasUrfer - 15 Mar 2013 Angedacht nicht erst seit gestern! Sondern die gestrige Diskussion zum Anlass genommen, das Angedachte endlich in einem ersten Posing online zu stellen.

-- Main.BeatDoebeli - 15 Mar 2013

So, nach der prominenten Unterstützung fürs Programmieren in der Schule durch Leute wie Bill Gates und Mark Zuckerberg wurde heute in Bern auch ein Schweizer(deutscher) Film zur Informatik als Teil der Allgemeinbildung lanciert:

Mich würde interessieren, ob die Jugendlichen die Texte selbst gestaltet haben oder ob ihnen diese in den Mund gelegt wurden. Gibt es ein Making of?

Aufbruch oder schöne Worte?

08 March 2013 | Beat Döbeli Honegger
Erstaunlich deutliche Aussagen hat der deutsche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in seiner Rede anlässlich der CeBIT 2013 (Biblionetz:t14675) gebraucht.

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Unter dem Titel "Soziale Medien als Chance nutzen" sprach Steinbrück von einer notwendigen neuen Gründerzeit und meinte unter anderem:

Ich gehöre, wie viele andere Entscheidungsträger, zur Generation Plattenladen. Doch die Jungen heute sind die Generation YouTube. Das muss unser Bildungssystem endlich kapieren. Wir brauchen einen radikalen Wandel von Schule, von Ausbildung, von Universitäten. Die Vermittlung von technischer und digitaler Kompetenz muss integral verankert werden. Der Laptop ist die Werkbank des 21. Jahrhundert. Jeder Schüler, jede Schülerin braucht einen Laptop oder Tablet, wir müssen die Lehrerausbildung verändern, die Bildungsmaterialien digitalisieren, die naturwissenschaftlichen und technischen Studiengänge stärken.

und

Wir müssen dafür sorgen, dass digitale Fähigkeiten kein Exklusiv-Produkt sind, sondern ein Allgemeingut. Jeder Schüler braucht einen mobilen Computer. Jeder Schüler braucht digitale Lehrmittelfreiheit. Jeder Schüler verdient Lehrpersonal, das online-kompetent ist.

Anfang eines Aufbruchs oder schöne Worte eines Politikers, der Kanzler werden will?

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