RechtUndInformatik

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Endnote klagt gegen Zotero

30 September 2008 | Beat Döbeli Honegger | RechtUndInformatik

Gemäss eines Berichts des Chronicle of Higher Education die Firma Thomas Reuters Inc., Entwicklerin der kommerziellen Literaturverwaltungssoftware EndNote die George Mason University, Entwicklerin der quelloffenen Literaturverwaltung Zotero wegen unerlaubtem Reverse Engineering eingeklagt PDF-Dokument.

Die neuste Version von Zotero kann EndNote-Dateien lesen und in Zotero importieren. Da Zotero kostenlos sei, werde damit EndNote das Wasser bzw. die Kunden abgegraben. Thomas Reuters Inc. fordert nun, dass die George Mason Universität für den entstandenen Schaden aufkommt und es zukünftig unterlässt, Versionen von Zotero zugänglich zu machen, "which accesses, uses, converts and/or distributes, in whole or in part" [...] EndNote.

Bei der Klage beruft sich Thomas Reuter Inc. auf die Verletzung des Lizenzabkommens, dem die George Mason Universität als Nutzerin zugestimmt habe.

Irgendwie kommt einem diese Klage bekannt vor. Im Jahr 2006 hat die Firma Blackboard in erster Instanz ein Patent anerkannt erhalten, das im Prinzip die Grundfunktionalitäten eines LMS (Biblionetz:w01423) definiert (siehe PatentWahnHateLearningErreicht). Kurz darauf hat die Firma Blackboard dann ihre Konkurrentin desire2learn wegen Verletzung ebendieses Patents eingeklagt.

Wenn nun die Entwickler von EndNote juristisch gegen Zotero vorgehen, dann kann dies als Zeichen gewertet werden, dass Zotero eine Bedrohung für EndNote darstellt. Im Unterschied zum Blackboard-Streit geht hier aber nicht ein kommerzielles Unternehmen gegen ein anderes vor, sondern es ist ein Streit commercial software versus open source software, ein ungleiches Paar. Bereits Bill Gates musste mit Linux die Erfahrung machen, dass für ein kommerzielles Unternehmen Open-Source-Software eine ganz neue Bedrohung darstellt, da diese nicht den ungeschriebenen Gesetzen der Marktwirtschaft gehorcht.

Dieser juristische Streit ist für mich ein gutes Beispiel für die Bedeutung offener Dokumentenstandards. EndNote speichert die Daten der User in einem proprietären Format ab und versucht nun, anderen die Verwendung dieses Formats zu verbieten. Streitpunkt ist also nicht die widerrechtliche Verwendung des Programms EndNote, sondern des Datenformats von EndNote. Kommt Thomas Reuters Inc. mit dieser Klage durch, so sind die Daten von EndNote-Usern bis zu einem gewissen Grad in proprietären Datensilos gefangen und die User somit an EndNote gebunden.

Blackboard-Patentstreit

02 March 2008 | Beat Döbeli Honegger | RechtUndInformatik, Schul-ICT
Während an den morgigen Berner Telematiktagen das Learning Management System Blackboard (Biblionetz:w01598) als state of the art learning management system präsentiert werden wird, urteilt die Edu-Blogosphäre derzeit deutlich negativer. Der Grund ist ein laufender Patentstreit:

Die Firma Blackboard hat im Januar 1996 das US-Patent Patent 6,988,138 PDF-Dokument über "Internet-based education support system and methods" zugesprochen erhalten, das Verfahren zur webbasierten Ankündigung, Studierendenzuteilung, Informationanzeige und Noteneinsicht von Lehrveranstaltungen beschreibt. Bereits ein halbes Jahr später hat die Firma Blackboard Klage PDF-Dokument gegen die Firma Desire2Learn wegen Verletzung eben dieses Patents erhoben.

Darauf hin ging ein erster Sturm der Entrüstung los, weil viele das Patent von Blackboard als Trivialpatent bezeichneten. Die Beschreibung sei so allgemein gehalten, dass sich mit diesem Patent prakisch sämtliche derzeitigen Learning Management Systeme der Patentverletzung schuldig machen würden. Davon betroffen wären nicht nur kommerzielle Learning Management Systeme, sondern auch Open-Source-Produkte wie Moodle, Ilias oder Sakai.

Aus diesem Grund wurde in der Folge versucht, die Gültigkeit des Patents anzufechten, indem gezeigt werden soll, dass Blackboard nicht die ersten waren, welche die in der Patentschrift verwendeten Verfahren angewendet haben. Entsprechende Dokumentationen sind in der englischsprachigen Wikipedia und auf der Website von Moodle zu finden. Am 25.Januar 2007 wurde die Aufforderung ans US-Patentamt gutgeheissen, die Gültigkeit des Blackboard-Patents aufgrund der neuen Beweislage ("prior art") neu zu prüfen. Das Ergebnis dieser Gültigkeitsprüfung steht noch aus.

blackboard-boykott.jpg

Ausgelöst durch diesen Patentstreit enstanden auch mehrere Protestbewegung, einerseits konkret gegen die Firma Blackboard unter http://www.boycottblackboard.org/ und andererseits generell gegen Patente im Bildungswesen.

Im Februar 2007 versuchte die Firma Blackboard die Wogen zu glätten, indem sie versicherte, ihre Patente nicht gegen Open Source LMS einzusetzen:

Blackboard hereby commits not to assert any of the U.S. patents listed below, as well as all counterparts of these patents issued in other countries, against the development, use or distribution of Open Source Software or Home-Grown Systems to the extent that such Open Source Software and Home-Grown Systems are not Bundled with proprietary software.

Den Rechtsstreit mit der Firma Desire2Learn hingegen wurde aufrecht erhalten. Am 22. Februar 2008 hat nun ein texanisches Gericht entschieden, dass die Firma Desire2Learn tatsächlich das Patent der Firma Blackboard verletze, was den jüngsten Entrüstungssturm ausgelöst hat (z.B. bei slashdot).

Der endgültige Ausgang dieses Patentstreits ist noch nicht absehbar, da das Ergebnis der Gültigkeitsprüfung noch länger auf sich warten lassen dürfte.

Why do I blog this: Die ganze Geschichte ist aus zwei Gründen interessant:
  • Einerseits wird spannend zu beobachten sein, wie dieser Rechtsstreit die LMS-Szene beeinflusst, ob z.B. dadurch Open-Source-LMS Aufwind erhalten.
  • Andererseits zeigt dieser Patentstreit deutlich, welche Folgen die Patentierbarkeit von Software haben kann. Dies könnte die Diskussion um Softwarepatente in Europa beeinflussen (siehe auch http://www.nosoftwarepatents.com).

Siehe auch:

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Eigenes Passbild veröffentlichen

23 July 2007 | Beat Döbeli Honegger | RechtUndInformatik
Immer noch ist Saure-Gurke-Zeit. Hier ein schönes Müsterchen aus der Kategorie [[][Informatik und Recht]]:

Die Verfügungsklägerin betreibt das Fotostudio A, der Verfügungsbeklagte ist Rechtsanwalt und IT-Berater. Am 25.8.2006 ließ der Verfügungsbeklagte von der Mitarbeiterin der Verfügungsklägerin, der Zeugin B., Fotos von sich in dem Fotostudio anfertigen. Was genau zwischen den Parteien vereinbart wurde ist streitig.

Der Verfügungsbeklagte zahlte 44,50 Euro sowie zusätzlich 30,- Euro für eine CD-ROM mit den Fotos. Am 18.9.2006 bemerkte die Zeugin B., dass der Verfügungsbeklagte eines der von ihr gefertigten Fotos auf der lnternetseite … öffentlich zugänglich machte. Nach einer Abmahnung durch das Fotostudio entfernte der Verfügungsbeklagte die Bilder, gab jedoch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Das Fotostudio ist der Ansicht, einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung des streitgegenständlichen Fotos gegen den Verfügungsbeklagten zu haben. Der Verfügungsbeklagte habe gegenüber der Zeugin B. die Erstellung eines Bewerbungsfotos in Auftrag gegeben. Von einer anderweitigen Nutzung sei nicht gesprochen worden.
(Quelle)

Versuchen wir das mal zu übersetzen: Ein Rechtsanwalt und IT-Berater geht ins Fotostudio,lässt von sich ein Foto machen und bezahlt dafür 74.50 Euro inkl. CD-ROM. Dieses Foto stellt er auf seine Internetseite und wird in der Folge vom Fotostudio abgemahnt. Er nimmt zwar das Foto wieder weg, weigert sich aber, zu unterschreiben, dass er das in Zukunft nicht mehr tun wird. Es kommt zur gerichtlichen Beurteilung durch das Landgericht Köln. Dieses sagt:

  1. Die Veröffentlichung eines Bewerbungsfotos ohne ausdrückliche Einwilligung des Rechteinhabers verstößt gegen § 19a UrhG.
  2. Die Vereinbarung über eine „Online“-Nutzung des Fotos umfasst nicht die öffentliche Zugänglichmachung, sondern lediglich das Versenden des Fotos an einzelne Personen.

(Quelle)

Das gefällt mir immer, wenn Juristen technische Begriffe normativ definieren. Online heisst demnach z.B. E-Mail, aber z.B. nicht Web. Oder um es juristisch zu formulieren:

Ein solches Nutzungsrecht ergibt sich insb. nicht aus § 60 UrhG. Denn diese Vorschrift berechtigt nicht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Lichtbilds (vgl. OLG Köln ZUM 2004, 227 [= MMR 2004, 253]). Sie dient vielmehr dem aus der persönlichen Verbundenheit herrührenden Interesse des Bestellers, die bildliche Darstellung, die auf seine Bestellung entstanden ist, auch selbst vervielfältigen und unentgeltlich an einzelne Dritte weitergeben zu können. Demgegenüber erfasst sie die öffentliche Wiedergabe des Bilds, an der ein derartiges schätzenswertes und ggü. den Nutzungsrechten des Urhebers vorrangiges Erinnerungsinteresse nicht besteht, nicht (OLG Köln ZUM 2004, 227 [= MMR 2004, 253] m.w.Nw.).
(Quelle)

und weiter:

Es mag insoweit durchaus sein, dass der Verfügungsbekl. davon ausging, die von ihm ggü. der Zeugin B. getätigten Angaben reichten aus, um für die Zeugin erkennbar zu machen, dass er mit dem Lichtbild auf seiner geschäftlichen Website werben wollte. Eine Willenserklärung ist hingegen nicht nach dem subjektiven Willen und dem Horizont des Erklärenden, sondern danach auszulegen, wie sie nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen ist, §§ 133, 157 BGB. Nach diesem liegt indes die Auslegung näher, dass der Verfügungsbekl. das Lichtbild für Bewerbungen, auch Onlinebewerbungen, an einzelne Arbeitgeber verwenden wollte, um mittels dieser Bewerbungen seine Beraterdienste anzubieten und sich für Projekte zu bewerben. Letzteres ist von gänzlich anderer Qualität als das öffentliche Zugänglichmachen des Lichtbilds auf der eigenen Website des Verfügungsbekl., mag dieses … in der Branche, in der der Verfügungsbekl. tätig ist, auch üblich sein. Das Wissen hierum ist jedenfalls in der Bevölkerung nicht derart verbreitet, dass ein objektiver Dritter an der Stelle der Zeugin B. die Angaben des Verfügungsbekl. dahingehend verstehen musste, dass eben diese Art der Nutzung geplant war.
(Quelle)

und auch diese Passage wieder zu übersetzen: Laut dem Gericht gehört es nicht zur Allgemeinbildung von Fotostudioinhaber/innen, dass man Fotos auch auf dem Web publizieren will. Macht ja keiner...

Im Law-Blog ist eine längere Diskussion zum noch nicht rechtskräftigen Urteil zu finden. Ich bin via Tim Schlotfeldt darauf aufmerksam geworden.

Der Patentwahn hat eLearning erreicht

02 August 2006 | Beat Döbeli Honegger | RechtUndInformatik
Der Patentwahn hat vor kurzem den Bereich eLearning erreicht: Die Firma Blackboard lässt in einer Pressemitteilung verlauten, dass sie von der amerikanischen Patentbehörde ein Patent zu eLearning-Technologien erhalten habe:

WASHINGTON--(BUSINESS WIRE)--July 26, 2006--Blackboard Inc. (NASDAQ:BBBB), a leading provider of enterprise software and services to the education industry, announced that it has been issued a U.S. patent for technology used for internet-based education support systems and methods. The patent covers core technology relating to certain systems and methods involved in offering online education, including course management systems and enterprise e-Learning systems.

Liest man die Patentschrift (im Original oder gekürzt als BlackboardPatentSummaryOfInvention), so sieht man sich einer allgemeinen Definition eines Learning Management Systems gegenüber. (Ich habe mir überlegt, ob ich dieses Patent als Definition des Begriffs Learning Managment System im Biblionetz:w01423 aufnehmen sollte... )

Am Tag der Bekanntgabe hat die Firma Blackboard auch bereits die erste Konkurrentin verklagt: desire2learn (siehe PDF-Dokument).

Nun geht ein Gemurmel des Entsetzens durch die eLearning-Blog-Szene, da dieses Patent sämtliche LMS betrifft, ob kommerziell oder Open Source. Kann Blackboard dieses Patent vor einem Gericht durchsetzen, so droht eine unverhoffte Standardisierung auf dem LMS-Markt...

Andere Stimmen erklären das Prinzip LMS für veraltet, so dass dieses Patent keinen grossen Schaden anrichten werde. Diese Sicht verkennt den Ernst der Lage: Was passiert, wenn das erste Patent für Web 2.0 erteilt wird?

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