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Was ist denn nun mit dem iPad?

28 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | HandheldInSchool, Schul-ICT, Tablet-PC
Kurt Jakob ist nicht der einzige (siehe seinen Kommentar zum Posting EiEiEiPad), der mich nach meiner Einschätzung zum iPad (Biblionetz:w02189) fragt. Seit bald zwei Monaten trage ich ein iPad mit mir herum - Zeit also für eine erste Bilanz.

Erstes Fazit: Das iPad ersetzt für mich kein anderes Gerät

Das beunruhigt mich aber wenig. Da der Installations- und Wartungsaufwand (bisher) gering war, geht nicht wesentlich Arbeitszeit verloren für den Betrieb des iPads. Es ist einfach ein weiterer Bildschirm mit gewissen Vor- und gewissen Nachteilen. Und Bildschirmfläche hat man eh immer zu wenig (siehe Wie viele Bildschirme braucht der Mensch?). Das iPad hat mir diesbezüglich die Augen geöffnet für die banale Erkenntnis, dass One-to-One-Computing (Biblionetz:w02173) bei weiterhin gültigem Moore'schem Gesetz (Biblionetz:w00862) höchstens ein Übergangsphänomen sein wird: Wer wird denn nur einen Computer brauchen wollen, wenn er auch viele haben kann? Computer werden ubiquitous (Biblionetz:w00533), etwas, das ich theoretisch schon lange weiss, mir das iPad aber wieder einmal konkret vorführt.

Zweites Fazit: Das iPad erweitert das Altersspektrum für Computernutzung auf beiden Seiten

Da ist einerseits die Erinnerung an Nachtessen im Restaurant in den Ferien, während deren drei Kinder zwischen anderthalb und dreieinhalb zufrieden und konzentriert rund um ein iPad sassen, abwechslungsweise die Metallkugel durchs virtuelle Holzlabyrinth lotsten und sich gegenseitig Tipps zur Problemlösung gaben. Eifrige Verfechter der Primärerfahrung (Biblionetz:w01866) werden aufheulen, aber wenn ich diesen Kindern durch die pädagogisch deformierte Brille beim Spielen zusah, war für mich der Aufbau von Problemlöse- und Sozialkompetenz mindestens so viel wert wie ein echtes Holzspielzeug, für das ich aber im Gepäck keinen Platz gefunden hätte. (Nebenbei schätzte ich als Vater natürlich auch das ruhige Nachtessen wink )

Andererseits habe ich meiner über 80jährigen Nachbarin, die nicht länger auf Computer & Internet verzichten wollte, um weiterhin vollumfänglich am privaten und gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, ein iPad als Notebookalternative vorgeschlagen. Seit zwei Wochen mailt und surft sie nun voller Freude und Interesse - und hatte vorher noch nie eine Computermaus in der Hand.

Beide Erfahrungen zeigen mir: Computernutzung ist einfacher geworden. Massiv einfacher.

Drittes Fazit: Das iPad ist kleingruppenfreundlich

Mir ist aufgefallen, wie oft das Gerät in den letzten zwei Monaten in kleinen Gruppen genutzt worden ist, sei es in Sitzungen, privat mit Freunden oder wie bereits oben erwähnt durch eine Gruppe Kinder. Einerseits gilt es als eher nerdig, wenn man sein Notebook hervorzieht und etwas zeigen will ("Ach der Informatiker wieder...") während das iPad natürlich über einen Coolness-Faktor verfügt. Andererseits sind es aber auch Multitouch, Lagesensor und fehlende Tastatur, die eine Nutzung in Gruppen fördert: Alle können mit dem Finger manipulieren, der Lagesensor erlaubt ein Neuausrichten des Bildschirms durch leichtes Neigen des Geräts und mit dem Fehlen einer Tastatur fällt auch gleich die "richtige" Nutzungsposition weg.

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Viertes Fazit: Ich muss nicht mehr erklären, was ein Tablet ist

Endlich weiss die Allgemeinheit, was ein Tablet (Biblionetz:w01414) ist. Seit sieben Jahren laufe ich mit einem solchen Ding durch die Gegend und während sieben Jahren war sicher immer wieder jemand der fragte: "Können Sie mir sagen, mit welcher Software sie so einfach in Power-Point zeichnen können?" und "Wie nennt man das?" Jetzt sagen alle nur noch: "Ah, wie beim iPad."

Ein Gerät für die Schule?

In Bezug auf die Eignung für die Schule scheint es mir relevanter, einzelne Eigenschaften des iPads und ihre jeweiligen Chancen und Gefahren für Schulzwecke darzustellen, als das konkrete Produkt iPad auf Schultauglichkeit zu untersuchen. Dabei interessiert mich insbesondere die Primarschultauglichkeit.

  • Instant-On: Eine Eigenschaft, welche das iPad mit Handhelds und Smartphones teilt: Ein Knopfdruck und das iPad ist betriebsbereit. Kein Booten, kein spürbares Aufwachen aus dem Standby. Was nach einem kleinen, technischen Detail klingt, hat meines Erachtens grosse Auswirkungen auf die Einsatzmöglichkeiten im Unterricht: Ein Kurzeinsatz von 3 Minuten oder gar 30 Sekunden ist effizient, man verliert nicht wertvolle Zeit bis das Gerät ansprechbar ist.
  • Multitouch und Lagesensor: Durch das Multitouch-Interface und den Lagesensor wird die Nutzung direkter: Ich benötige weder Tastatur noch Maus und ich führe meine Finger dorthin, wo etwas geschehen soll. Mit solchen Interfaces kann aus den Lehrplänen der Punkt "Kann mit der Maus navigieren und klicken" bereits wieder gestrichen werden, bevor er überhaupt überall eingeführt wurde. Bereits Zweijährige können bestens mit dem Touchscreen umgehen.
  • Multitouch, Lagesensor und fehlende Tastatur: Wie bereits oben beschrieben, fördert das andersartige User-Interface die Nutzung in kleinen Gruppen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob bis zur sechsten Klasse das Fehlen einer Hardware-Tastatur ein Problem darstellt, oder ob die bei Bedarf vorhandene Softtastatur nicht ausreicht.
  • Laufzeit: Als iPhone-Akku-Geschädigter ist die Batterielaufzeit des iPad mit 10h Dauernutzung natürlich umwerfend. Für die Schule heisst das: Wenn die Geräte morgens geladen sind, braucht es den ganzen Tag keinen Stromadapter.
  • Geräuschlosigkeit: Kein Lüfter, keine Festplatte, kein Lärm. Was bereits bei einem einzelnen Gerät sowohl zuhause als auch in Sitzungen angenehm ist, gilt erst recht in einem 1:1-Setting.
  • App-Store als einzige (legale) Installationsmöglichkeit für Software: Die auf einer einer abstrakteren bildungs- und gesellschaftspolitischen Ebene problematische Gatekeeper-Funktion (Biblionetz:w02191) der Firma Apple, welche abschliessend darüber entscheiden kann, welche Software auf dem iPad laufen darf und welche nicht, erleichtert den konkreten Schulbetrieb natürlich schon: Derzeit sind weder Viren noch sonst bösartige oder systemschädigende Programme im Umlauf. Bereits Primarschulkindern kann somit das Recht erteilt werden, selbst Programme zu installieren, ohne dass in der Folge gleich das ganze System neu aufgesetzt werden muss.

Schulfazit: Für mich stellt das iPad ein derzeit guter Archetyp eines Gegenkonzepts zu Notebooks und Netbooks dar. Die technischen Details und Gerätetypen werden sich weiterentwickeln, aber als Näherung könnte ich mir durchaus eine Zweiteilung vorstellen: Handheld-Tablets Geräte für die Primarschule, Net- und Notebooks mit Hardwaretastatur (und Multitouch...) ab Sekundarstufe I.

Was mich am konkreten Produkt iPad derzeit stört

  • Spiegelnder Bildschirm: Mir leuchtet nicht ein, warum kein matter Bildschirm verwendet wurde. Sowohl die Fingerabdrücke als auch das Spiegeln stören beim Benutzen, insbesondere beim Lesen.
  • eReader: Bisher habe ich keinen eReader gefunden, bei dem ich ohne iTunes automatisch meine PDF-Sammlung synchronisieren und die einzelnen Dateien annotieren (markieren und mit Notizen versehen) kann. Sachdienliche Hinweise gerne in den Kommentaren...
  • RSS-Reader: Gerne würde ich meine RSS-Feeds mit dem iPad lesen. Doch bisher habe ich keinen RSS-Reader gefunden, der das offline Lesen ermöglicht und meinen Lesestatus auf andere Geräte synchronisiert (so wie das bei eReadern üblich ist).
  • Fehlendes Multitasking: Beim Versuch, das iPad an einer Konferenz zu nutzen, habe ich bemerkt, dass mir Multitasking fehlt. Ich will einen Twitter-Client, einen Webbrowser und ein Mailprogramm gleichzeitig offen haben können.

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iPad-Nutzung an der PLE 2010 (Photo by samscam)

Was andere zum iPad sagen (Update)


PDF editieren und organisieren: Mit dem Goodreader kann man die Dokumente gut organisieren und ohne iTunes über den Browser, einen integrierten Server oder ein Mac-Programm befüllen. iAnnotate ist bisher meine erste Wahl zum Markieren und Kommentieren von PDFs. Hat leider keinen integrierten Server zum direkten Importieren der Pdfs.

Als RSS Reader finde ich Reeder hervorragend. Synct mit GoogleReader und funktioniert (theoretisch) auch offline.

(Beitrag wurde vom iPad erstellt und editiert).

-- Main.FelixSchaumburg - 24 Jul 2010 Zu deinem Fazit betreffend Primarschultauglichkeit kann ich dir als Primarlehrer recht geben. Alle aufgezählten Punkte sind relevant, aber die wichtigsten finde ich "Instant-on" und "Geräuschlosigkeit". Als eReader bietet sich vielleicht Evernote an … kenne aber infolge Fehlens eines iPads heul die Möglichkeiten auf dem iPad nicht. Für RSS empfehle ich NetNewsWire.

Als weiteren störenden Punkt würde ich noch das Fehlen einer Kamera anfügen. Beim iPhone-Projekt stellt sich immer wieder heraus, dass die Kamera oft gewinnbringend genutzt wird. -- Main.ChristianNeff - 24 Jul 2010 Eines der größten Probleme des iPad als Lesegerät sehe ich derzeit in der DRM Situation. Jeder Anbieter nutzt zwar das ePub Format, hat jedoch ein eigenes DRM. Bücher aus iBooks können nur in iBooks gelesen werden. Gleiches gilt für Bücher im Kindle Format. Buecher.de hat zwar kein App aber ein eigenes DRM, das wiederum weder mit Kindle noch iBooks kompatibel ist. Wer sein Buch dort online gekauft hat, hat das Nachsehen. Das gilt für die Angebote von txtr und anderen Anbietern. Wer nicht als User auf Angebote ohne DRM setzt, kauft derzeit wohl am besten seine eBooks bei Amazon, da das Format auf recht vielen Geräten (Apple iOS, Android) unterstützt wird und somit die wenigsten Einschränkungen hat. Ohne DRM gibt es gegenwärtig leider kaum Angebote neben den Büchern des Projekt Gutenbergs. Selbst rippen kann man Bücher auch nicht und das DRM aus ePub Büchern zu entfernen ist einmal illegal und andereseits schwierig (mit mp3 nicht zu vergleichen).

Für mich immer im Blick die Schule: Solange das Problem DRM nicht gelöst ist, ist das iPad als Medium für digitale Schulbücher ungeeignet, da man sich als Schule auf einen Verlag (z.B. Klett) einlassen müsste und damit an dessen Buchangebot für alle Fächer gebunden wäre. -- Main.DamianDuchamps - 25 Jul 2010 Das die Abgeschlossenheit des iPad nicht als störend genannt wird, finde ich merkwürdig. Es werden hierdurch ja nicht nur Lehrpersonen und andere von der Programmmierung ausgeschlossen, es werden dadurch auch soziale Hürden errichtet, was im Bidlungsbereich völlig unakzeptabel ist. Dass ein Gerät, das noch nicht einmal Multitasking beherrscht, faszinierend ist, zeigt, wie leicht sich Leute durch Äußerlichkeiten blenden lassen.

-- Main.RomeyW - 26 Jul 2010 Hmm, die Problematik der Abgeschlossenheit der iDevices habe ich im Beitrag Generatives Internet oder Gated-Virtual Communities schon erörtert - und tatsächlich hier nicht wiederholt.

Nicht einverstanden bin ich beim Punkt "fehlendes Multitasking": Nicht alle Usergruppen benötigen Multitasking, oft ist weniger mehr (Meine 81jährige Nachbarin benötigt z.B. kein Multitasking, im Gegenteil, das würde sie eher verwirren. Auch bei Primarschulkindern bin ich mir nicht sicher, ob fehlendes Multitasking ein Problem darstellt.)

-- Main.BeatDoebeli - 27 Jul 2010 Die Mobilität, das Format und das Instant-On machen für mich das iPad zu einem Gerät, das zum ersten Mal Computer und das Internet wirklich mobil machen (noch dazu wirklich alltagstauglich, kann mensch vom iPhone nicht immer behaupten). Ich sehe großes Potenzial auch für die Medienpädagogik, wenn denn mal die ersten richtigen Apps erscheinen, die die Qualität der iWork-Suite haben. Die ersten Videoschnitt-Programme lassen aufhorchen. Gleichzeitig müssen meiner Meinung nach aber noch einige Knackpunkte verbessert bzw. beseitigt werden: Die Dokumenten-Freigabe/-Synchronisation (für mich ganz zentral), das fehlende Multitasking und der DRM-Wust. (geschrieben mit dem iPad :-))

-- Main.EikeRoesch - 27 Jul 2010 Ja, "wenn den mal die ersten richtigen Apps erscheinen" und die Gnade von Apple finden und dann auch noch für Kinder, die in Armut leben, bzw. deren Eltern, finanzierbar sind. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es so wenigen wichtig ist, dass keine sozialen Barrieren durch Software entstehen. Wenn es geht, muss im Bildungsbereich freie Software verwendet werden, die ja in der Regel auch Kosten frei verfügbar ist und die man auch dann noch legal nutzen kann, wenn man nach Schule und Ausbildung kein reguläres Einkommen hat. - Meine 80jährige Oma benötigt Multitasking :-). Kann man auf dem iPad z.B. Text zwischen zwei gleichzeitig laufenden Anwendungen per drag´n´drop kopieren? Das kann doch wohl jeder unabhängig vom Alter gebrauchen.

-- Main.RomeyW - 28 Jul 2010 Die angesprochenen Hardware-Schwächen werden vielleicht schon schnell (spätestens ab Dezember wird es eine Reihe günstiger Android-Tablets geben, die mehr Saft, mehr Anschlüsse und mit dem Android-OS auch eine weniger verbarrikadierte Entwicklungsplattform haben. Apps-mäßig hat Apple die längste Zeit die Nase vorne gehabt, Android wird wohl das Windows der mobilen Geräte werden. Für den Schulgebrauch ist das iPad m.E. viel zu teuer und unflexibel. Beim momentanen Softwarestand verleitet es m.E. auch nich zu sehr zur passiven Rezeption. Für Digital Storytelling oder andere kreative Einsatzmöglichkeiten sind die Geräte noch nicht fit. Handy & Co. lassen sich im Unterricht (momentan noch) wesentlich sinnvoller einsetzen.

-- Main.MatthiasHeil - 28 Sep 2010

Biblionetz-Paper an der GMW

25 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Biblionetz
Seit mehreren Jahren wurde ich an GMW-Jahrestagungen aufgefordert, doch mal mein Biblionetz an einer GMW-Tagung vorzustellen. Ich habe das in der Vergangenheit immer abgelehnt, einerseits weil ich nicht der Meinung war, dass das Biblionetz von der Struktur her etwas mit Mediendidaktik (so meine bisherige Wahrnehmung des Interesses der GMW) zu tun hat, andererseits weil ich noch immer davon überzeugt bin, dass alle Elemente des Biblionetzes nur semiprofessionell sind, während es jeden Aspekt in besserer Qualität anderswo gibt (Design, Visualisierung, bibliometrische Elemente etc.).

Das Thema Digitale Medien in Lehre und Forschung der diesjährigen GMW-Tagung und die damit verbundene Frage, wie sich mit digitalen Medien Lehre und Forschung verbinden liessen, bot nun Gelegenheit, das Biblionetz an einer GMW-Tagung unterzubringen bzw. in einen grösseren Kontext zu stellen.

Unter dem Titel Literaturverwaltung 2.0 als Bindeglied zwischen Forschung und Lehre? PDF-Dokument (Biblionetz:t11000) habe ich darum einerseits das Biblionetz in groben Zügen vorgestellt, danach aber versucht, meine Nutzung des Biblionetzes in den letzten 13 Jahren im Hinblick auf die Verbindung von Forschung und Lehre zu analysieren.

Ich habe dabei vier Nutzungssphären unterschieden, angefangen bei mir selbst, über mein persönlich bekanntes Umfeld (strong ties) und der beruflichen Community (weak ties) bis zur allgemeinen Öffentlichkeit. In jeder Sphäre (ausser bei mir selbst wink ) lässt sich Forschung und Lehre unterscheiden und ich habe anhand des Biblionetzes gezeigt, wie eine öffentliche Literaturverwaltung die Verbindung von Forschung und Lehre fördern kann.

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Folie 30

Um das Biblionetz aber in einen grösseren Kontext zu stellen, waren mir aber insbesondere im Vortrag zwei Aussagen sehr wichtig:

  1. Das Biblionetz ist von Web 1.0 zu Web 2.0 auf halben Weg stehen geblieben
  2. 1996 musste man für eine öffentliche Literaturverwaltung Informatiker sein, im Jahr 2010 nicht mehr

Das Biblionetz ist von Web 1.0 zu Web 2.0 auf halben Weg stehen geblieben: Das Biblionetz ist zwar öffentlich sichtbar, aber nur in HTML lesbar, d.h. weder von anderen schreibbar noch in einem maschinenlesbaren Austauschformat. Kollaboration ist im Biblionetz nicht auf einer technischen Ebene vorgesehen. Da gehen heutige Literatwerverwaltungssysteme wie Zotero oder Mendeley einiges weiter.

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Folie 31

1996 musste man für eine öffentliche Literaturverwaltung Informatiker sein, im Jahr 2010 nicht mehr Beim Erstellen der Vortragsfolien habe ich gemerkt, wie schnell die Zeit vergeht (entweder die Informationstechnologie sich entwickelt und/oder ich älter werde...): Dass es 1996, als ich mit dem Biblionetz begann, Wikipedia noch nicht gab, war mir aktiv bewusst. Dass aber auch Google noch nicht gegründet war, musste ich mir erst wieder vor Augen führen. In diesem Sinne ist auch die Entstehung des Biblionetzes zu verstehen: 1996 gab es weder Wikipedia noch Google, webbasierte Literaturverwaltungen schon gar nicht. Somit musste man 1996 Informatiker sein, wenn man etwas aufbauen wollte. Kein Wunder, dass dies selten geschah.

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Folie 23

Die spannende Frage im Jahr 2010 ist nun aber: Unterdessen muss man keineswegs mehr Informatik studiert zu haben. Werden nun bald alle ihr persönliches Biblionetz haben? Was sind die nichttechnischen Gründe, dass dies bisher nicht in grossem Umfang geschehen ist? Sind wir damit bereits beim Thema Leitmedienwechsel?

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Folie 34

Wer programmiert hier wen?

22 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht
Im Tages Anzeiger von gestern Montag, den 20.09.2010 ist unter dem Titel Versicherer ziehen konservative Bewerber vor ein Artikel zu Online-Eignungstests von Schweizer Versicherungsunternehmen für zukünftige Aussendienstmitarbeitende zu lesen.

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Die Geschichte in Kürze: Die Versicherer liessen ihre bestehenden Aussendienstmitarbeitenden gegen 800 Fragen zu ihrer Lebensweise, Einstellungen etc. beantworten. Mittels Statistikprogrammen eruierten sie danach diejenigen Fragen bzw. Antworten, welche mit dem Verkaufserfolg der Mitarbeitenden korrelierten. Diese Fragen stellen sie nun per Webinterface Stellenbewerberinnen und -bewerbern und können so automatisiert potenziell erfolgreiche Mitarbeitende aussortieren. Im Artikel wird anschliessend darauf eingegangen, ob dieses Vorgehen arbeitsrechtlich korrekt sei.

Mich interessiert ein anderer Aspekt der Geschichte: Welche Rolle spielt hier der Computer? Eines ist klar: Ohne Computer wäre dieses Vorgehen unmöglich. Erst der Computer ermöglicht, mit einigermassen vertretbarem Aufwand alle Mitarbeitenden 800 Fragen beantworten zu lassen und dann Korrelationen zum Mitarbeitenden-Umsatz zu suchen. Dies ist ein Beispiel für die These, dass der Computer dazu geführt hat, immer mehr zu messen und auszuwerten. Gunter Dueck (Biblionetz:p01183) hat dafür den Begriff Omnimetrie (Biblionetz:w01810) geprägt, den er als "die Sucht oder die Notwendigkeit, alles zu messen." definiert.

Der Computer hat in dieser Geschichte noch eine andere Rolle: Er wimmelt automatisiert und scheinbar ohne menschliche Verantwortung aus Sicht der Versicherungen ungeeignete Bewerberinnen und Bewerber ab. Hier werden Entscheidungen scheinbar an den Computer delegiert. Kein Mensch in der Versicherung muss mehr hinstehen und jemandem ins Gesicht sagen, dass die Versicherung nicht an der Bewerbung interessiert sei. Das erledigt der Computer.

Omnimetrie und Delegation sind zwei Aspekte des Mensch-Maschine-Verhältnisses, das wir auf dem Niveau Sekundarstufe 2 im Modul Wer programmiert hier wen? des Online-Informatik-Lehrmittels http://iLearnIT.ch behandeln.

Das Modul beschäftigt sich mit der Interdependenz von Mensch und Maschine. Auf der Primarschulstufe (5./6. Klasse) geht es primär um die sinnvolle Gestaltung der Benutzerschnittstelle, auf der Sekundarstufe II sind dann auch gesellschaftliche und ethische Aspekte ein Thema.

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Als Rahmengeschichte wollen die drei Roboter, bit, byte und nibble Tickets für eine Bergbahn kaufen. Zu diesem Zweck stehen ihnen drei Kaufmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Ticket-Automat
  • Webinterface
  • Bestelltelefon

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Alle drei Kaufmöglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile. Anhand dieser wird das Verhältnis Mensch-Maschine diskutiert. Die drei Kaufmöglichkeiten müssen analysiert werden, lassen sich umprogrammieren und anhand von Türen und Lichtschaltern wird das Thema auch ohne Computer aufgezeigt.

Das Modul ist in drei Schwierigkeitsstufen verfügbar:

Bemerkungen & Fehlermeldungen gerne an info@iLearnIT.ch

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Twitterloch und Beatloch

21 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Veranstaltung

Hat Twitter (Biblionetz:w02116) in der E-Learning-Community soeben die Spitze des hype cycles (Biblionetz:w01398) hinter sich, folgt nun das Twitterloch ?

Während vor einem Jahr bei der E-Learning 2009 in Berlin heftig getwittert worden war und dies entsprechende Debatten zur richtigen Konferenzkultur ausgelöst hat, war Twitter an der GMW-Jahrestagung 2010 primär sehr unterhaltsames Thema einer Abend-Einlage von Joachim Wedekind (Biblionetz:p02497) und Koni Osterwalder, getwittert wurde aber auf der Tagung praktisch nicht.

So musste ich mit Schreck feststellen, dass meine 38 mit #gmw10 getaggten Tweets bereits gereicht haben, um der aktivste Twitterer der Hauptkonferenz zu sein (auf 38 kam ich auch nur, weil ich während meines Vortrags die erwähnten Webseiten autotwitterte):

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Quelle: summarizr

Ich? Ich bin doch kein Twitterer, nutze ich doch Twitter praktisch ausschliesslich als Konferenz-Werkzeug, somit also nur an wenigen Tagen im Jahr. Aus diesem Grund followe ich auch niemandem, sondern abonniere während einer Konferenz einfach das Konferenz-Hashtag. Dies scheint in der E-Learning-Community die Ausnahme zu sein, so dass Joachim und Koni den Begriff des Beatlochs prägten (Joachim: Danke für den Film) und in der Folge mein Twitterimpact in ihrem Berechnungen dank einer Division durch 0 ins Unendliche schnellte wink

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Doch ernsthafter, was hat das zu bedeuten? Vor kurzem hat Twitter die Zahl der Blogpostings verringert, weil immer mehr Blogger die Zeit nicht mehr fanden, lange und fundierte Blogpostings zu verfassen und sich somit zunehmend mit 140 Zeichen begnügten. Kommt nun die Zeit, wo auch die Twitter-Sau erfolgreich aus dem Dorf vertrieben worden ist und man wieder den Wert des direkten Gesprächs und der realen Begegnung schätzt?

Ich weiss es nicht. Angesichts der vielen offenen Notebooks während der GMW 2010 und der wenigen Tweets: Habe ich evtl. den nächsten Hype verpasst und alle nnblggn, nur ich hab's noch nicht gemerkt?

P.S.: Zur Frage des Twitterns an Konferenzen siehe auch Getting Granular on Twitter Tweets from a Conference and their Limited Usefulness for Non-Participants PDF-Dokument (Biblionetz:t12156)

Twittern während des Vortrags

20 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Software, Veranstaltung
An Tagungen und Konferenzen hat sich in letzter Zeit ein (heimlicher) Kommunikationskanal etabliert: Twitter (Biblionetz:w02116). Losgelöst vom Referenten wird da Nützliches und Ärgerliches über den laufenden Vortrag publiziert und diskutiert, seien dies weiterführende Links, Fragen zum Thema, aber auch hämische Kommentare zur Präsentation.

Während sich die Zuhörer über Twitter fröhlich austauschen können, ist der Referent davon ausgeschlossen, denn er muss sich ja auf seinen Vortrag konzentrieren und kann nicht gleichzeitig den Rückkanal verfolgen oder gar bedienen.

Hmm, liesse sich dieser Rückkanal nicht trotzdem auch als Referent nutzen? Ich könnte während meines Vortrags URLs gleich twittern, statt sie zum mühsamen Abschreiben auf die Folien schreiben.

Ein solches Werkzeug gibt es, und ich habe es heute während meines GMW-Vortrags zu Literaturverwaltung 2.0 erfolgreich ausprobiert.

Mit dem PowerPoint-Plugin AutoTweet lassen sich in den Vortragsnotizen pro Folien Tweets definieren, die dann bei der Anzeige der entsprechenden Folie automatisch publiziert werden.

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Mein Experiment hat dazu geführt, dass gewisse Zuhörer heute intensiv versucht haben herauszufinden, wann ich denn heimlich zur Tastatur greife und twittere... wink

Auf der gleichen Webseite sind auch andere Twitter-Tools für PowerPoint zu finden, mit dem sich Twitter-Umfragen oder eine Twitterwall in den Vortrag einbauen lassen.

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Ein Blick auf diese Tools dürfte sich lohnen!

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Kommentare:

Danke übrigens für den "use case" zu Auto-Tweet. Als ich die PPT-Twitter-Tools angeschaut hatte, war mir nicht ganz klar, wozu das Auto-Tweet gut sein sollte; das "ich rede gerade über … Selbstmarketing" finde ich nicht so sympathisch. Aber empfohlene Links ("Literaturhinweise", "Quellen") twittern, das ist eine gute Idee. Gruss, A. Back, HSG

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