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Aber sicher gehört Programmieren in die Grundschule!

In einem Gastkommentar für die Welt formuliert Klaus Zierer (Biblionetz:p13834) am 7.12.19 unter dem Titel Programmieren ist nichts für die Grundschule (Biblionetz:t25784) vier Argumente:

  1. Programmieren ist nicht wichtig zum Verständnis der heutigen Welt
    "Wir Menschen müssen nicht programmieren können, um zu verstehen, wie ein Computer funktioniert."
  2. Andere Kompetenzen sind wichtiger als das Programmieren (logisches Denken, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Umgang mit Fehlern)
    "Zweitens arbeiten Befürworter des Programmierens gerne mit der Angst: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Die Biografien erfolgreicher Programmierer widerlegen das: logisches Denken, Kreativität, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, Selbstbeherrschung und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern – und zwar jenseits von 0 und 1! – sind entscheidend."
  3. Programmieren verstärkt die Verkopfung der Schule
    "die Debatte über das Programmieren zu einer weiteren Verkopfung von Schule und damit zu einer Reduzierung von Bildung auf das Kognitive."
  4. Programmieren wird von Befürwortern nur aus ökonomischen Gründen gefordert und das ist problematisch
    "Viertens ist das Hauptargument der Befürworter des Programmierens ein ökonomisches: Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren – an eine Milliarde Chinesen, die in einem Land mit der höchsten Selbstmordrate im Primarbereich und einer der höchsten Burn-out-Raten im Tertiärbereich leben? Wohl kaum."

Es ist vermutlich nicht überraschend, dass ich mit keinem der vier Argumente einverstanden bin. Noch schlimmer: Über Argument 1 lässt sich streiten, die Argumente 2-4 sind für mich unseriöse, rhetorische Strohmänner.

1. Informatik ist für das Weltverständnis heute so wichtig wie Physik, Chemie und Biologie (und Programmieren ist eine wichtige, aber nicht die einzige Aktivität in der Informatik)

Die Lebenswelt von heutigen Grundschülerinnen und Grundschülern ist heute stark geprägt von Informatiksystemen, angefangen von Smartphones, Staubsaugerrobotern über Sprachassistenten wie Siri und Alexa bis zu Lernapps, Empfehlungsalgorithmen bei Youtube und computergesteuerten Avataren in Computerspielen. Genau so, wie Kinder verstehen wollen und sollen, warum gewisse Dinge im Wasser schwimmen und andere sinken, wie eine Kläranlage und eine Bäckerei funktioniert, so wollen und sollen Kinder auch wissen, wie Informatiksysteme um sie herum funktionieren. Programmieren ist eine aktive Tätigkeit, mit der Kinder bereits im Grundschulalter gewisse Konzepte von Informatiksystemen erkennen können und dies mit viel Spass auch tun.

2. Programmieren ist eine Möglichkeit, um wichtige Kompetenzen des 21. Jhds zu fördern

Geschieht dies mit Hilfe von entsprechenden Robotern, so passiert Programmieren auch nicht primär am Bildschirm, sondern enaktiv in der physischen Welt. Es gibt genügend gut dokumentierte und frei verfügbare Unterrichtsbeispiele für Informatik und Programmieren in der Grundschule die belegen, dass Programmieren neben logischem Denken auch "Kreativität, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, Selbstbeherrschung und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern" fördern - also genau das, was Zierer in seinem Gastkommentar als wichtig bezeichnet, aber dem Programmieren in der Grundschule abspricht!

(Ebenfalls strohmannartig muten Zierers Annahmen an, zu Lasten welcher Inhalte denn Programmieren in der Grundschule eingeführt werden würde. Würde Programmieren beispielsweise als Teil der Mathematik verstanden, würde sich an der kognitiven Schwere des Grundschulunterrichts nicht viel ändern: Programmieren könnte aber ganz im Sinne von Seymour Papert (Biblionetz:p00192) ein motivierendes und lernförderliches Instrument eines modernen Mathematikunterrichts bereits in der Grundschule sein. Paperts Konstruktionismus (Biblionetz:w00561) besagt im Wesentlichen: Begriffen habe ich ein Konzept, wenn ich es selbst konstruieren, oder einem Computer beibringen kann).

3. Programmieren muss in der Grundschule keineswegs überaus kopflastig sein

Hier sehe ich ein Hauptproblem in Zierers Argumentationsweise: Er malt - absichtlich oder unabsichtlich - ein seltsames Zerrbild des Programmierens in der Grundschule. Niemand fordert unter dem Stichwort "Programmieren in der Grundschule" ernsthaft das dröge, kopflastige Auswendiglernen und Anwenden von Befehlen einer Programmiersprache. Die bereits erwähnten Roboter aber auch computer science unplugged -Aktivitäten (Biblionetz:w02379) und Entwicklungsprojekte erlauben einen Grundschulunterricht, der auch beim Programmieren Kopf, Hand und Herz integriert.

4. Fachkräftemangel ist keine ernsthafte Begründung für Programmieren in der Grundschule

Zierers Griff zu argumentativen Strohmännern geht aber noch weiter: Bei zwei Argumenten unterstellt er imaginären Befürwortern, sie würden mit der Angst der Zuhörenden arbeiten oder aus ökonomischen Gründen Zustände wie in China anstreben. Ich kenne aber keine ernsthafte Expertinnen oder Experten, die aus ökonomischen Gründen Programmieren bereits in der Grundschule fordern würden. Aufgabe der Grundschule ist die Allgemeinbildung und programmiert zu haben (nicht zwingend programmieren zu können) ist im 21. Jahrhundert ein notwendiger Teil der Allgemeinbildung.


 
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