Dies ist der private Weblog von Beat Döbeli Honegger

Archive

Tschüss !WhatsApp

08 October 2016 | Beat Döbeli Honegger

Vor kurzem hat mich Facebook (Biblionetz:w02039) wieder einmal fürsorglich nach meiner Mobiltelefonnummer gefragt:

facebook-telefonnummer.jpg

"Nur du kannst deine Nummer sehen."

Liebes Facebook, du weisst selbst, dass das nicht stimmt, denn DU kannst meine Nummer auch sehen. Und das ist vermutlich der Hauptgrund, warum die regelmässig nach meiner Nummer fragst. Mobiltelefonnummern sind wertvolle Identifikationsmerkmale von Personen, da sie einerseits meist persönlich und andererseits relativ dauerhaft sind.

Als du WhatsApp gekauft hast, war das Versprechen, dass zwischen euch keine Daten ausgetauscht würden. Zwei Jahre später sieht das anders aus. Und mit dem lustigen Schalter in WhatsApp hätte ich nicht verhindern können, dass ihr die Daten austauscht, sondern nur... ach ich weiss es nicht mehr.

Denn ich habe beschlossen, meinen WhatsApp-Account zu löschen. Es gibt zahlreiche Alternativen, die nicht davon leben meine Daten auszuwerten oder zu verkaufen:

  • Ich nutze seit längerem auf dem Smartphone die Schweizer App Threema, die mir End-zu-End-Verschlüsselung ohne zentrale Speicherung meiner Kommunikation bietet.
  • Seit kurzem nutze ich auch die App Signal, da es dazu nun auch eine Desktop-App gibt, so dass ich auch unter Windows damit kommunizieren kann.

Mit meinem Entscheid, WhatsApp zu löschen, handle ich mir kurzfristig Probleme ein, da ich gewisse Kommunikationspartner nicht mehr per Instant Messaging erreiche. Trotzdem ist es mir wichtig zu zeigen, dass es Bereiche des digitalen Lebens gibt, wo durchaus Alternativen zu den üblichen Monopolisten existieren, die Datensparsamkeit (Biblionetz:w01211) und privacy by design (Biblionetz:w02435) hochhalten.

(Das beantwortet auch die Frage, was die Newsmeldung, dass Yahoo seit einem Jahr alle Mails in Echtzeit durchsucht und die Ergebnisse dem amerikanischen Geheimdienst weitergeleitet hat, mit meiner Kündigung zu tun hat: Datensparsamkeit. Wenn Daten schon gar nicht zentral gespeichert werden (ein Beispiel für privacy by desgin...), dann kann auch niemand diese Daten (miss)brauchen.)

Weiterführende Hinweise bei netzpolitik.org:

Weiterführende Hinweise bei heise.de:

Update 5.10.2016: Replik auf Philippe Wampfler

In seinem Blogpost Warum ich WhatsApp nicht lösche nimmt Philippe Wampfler (Biblionetz:p12709) Bezug auf meinen Entscheid, WhatsApp zu löschen. Er nennt mehrere Gründe, warum er WhatsApp weiterhin verwenden wird:
  1. Ich will meinem Gegenüber nicht den Kommunikationskanal diktieren
    "Ich möchte den Jugendlichen und den Studierenden, die ich pädagogisch begleite, zuhören können. Das bedeutet, dass meine Kommunikationsschwellen so tief wie möglich sind: Ich will erreichbar sein, um an pädagogischen Gesprächen teilnehmen zu können. Das bedeutet für mich, dass ich nicht anderen die Kanäle diktiere, sondern ihre Kanalwahl respektiere."
    Das sehe ich in der Tat anders. Ich kann - schon aus Ressourcengründen - gar nicht anders, als meinen potenziellen Kommunikationspartnern gewisse Rahmenbedingungen der gemeinsamen Kommunikation zu diktieren (wenn nicht den Kanal, dann doch z.B. die Reaktionszeit). Ich sehe es zudem in meiner aktuellen beruflichen Tätigkeit nicht als notwendig an, auf allen denkbaren Kanälen erreichbar zu sein (bei einer anderen Tätigkeit könnte das anders sein). Umgekehrt habe ich auch eine Vorbildwirkung: Ich zeige im Guten wie im Schlechten, wie und warum digitale Medien genutzt oder nicht genutzt werden sollen.
  2. Dieser Entscheid ist nur Privilegierten möglich
    "Gleichwohl ist aber eine solche Entscheidung nur Privilegierten möglich, die davon ausgehen können, den sozialen Preis zahlen zu können."
    Ich bin mir bewusst, diesbezüglich privilegiert zu sein. Nur: Solange ich nicht das gleiche Verhalten von anderen fordere (was ich in meinem Posting mit keine Wort tue), sehe ich nicht ein, warum das Privilegiertsein hier störend sein könnte. Ja, man könnte mir vorwerfen, dass ich mich moralisch auf eine höhere Ebene stellen würde (ich wäre mir aber nicht bewusst, das zu tun). Aber auch hier wieder: Gerade weil ich privilegiert bin, sollte ich vielleicht diese Möglichkeiten auch nutzen.
  3. Datenschutz ist ein Scheindiskurs
    "Ich halte Datenschutz für einen Symboldiskurs. Wir haben die Kontrolle über unsere Daten verloren."
    Ich teile diese Post-Privacy-Ansicht (Biblionetz:w02424) in ihrer Pauschalität nicht. Wie wir künftig kommunizieren werden, hängt auch von unserem Verhalten ab. Gerade gewinnorientierte Unternehmen schauen sehr genau hin, was Nutzerinnen und Nutzer tun. Wenden sich allzu viele User von allzu datenkrakigen (und im Falle von Facebook auch noch heuchlerisch lügenden ("Wir sorgen uns um deine Sicherheit") Plattformen ab, so werden sich die Unternehmen schon bemühen, ihre Geschäftspraktiken zu ändern.
  4. Mit meiner Aktion kann ich das Problem sowieso nicht lösen
    "Wenn nun einfache Entscheidungen wie der Verzicht auf WhatsApp herangezogen werden, um scheinbar klare Linien zu ziehen zwischen gutem und schlechtem Verhalten, zwischen Datensparsamkeit und Datensammeln, zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, dann hat das symbolischen Wert: Die Telefonnummern werden immer noch an vielen Orten gespeichert, sie gelangen über andere Wege zu Facebook und den Unternehmen, die daran interessiert sind."
    Ich bin mir der Symbolhaftigkeit sehr wohl bewusst. Auch das ist jedoch für mich kein Grund, es nicht zu tun. Bei vielen grossen Problemen der Welt kann ich sie weder alleine lösen noch selbst meinen Anteil vollständig leisten.
  5. Solche Probleme sollte man ausschliesslich politisch lösen
    "Meiner Meinung nach gibt es nur politische Mittel im Kampf um einen ethischen Umgang mit Daten. Die Verantwortung an Individuen abzugeben, führt zu Schuldgefühlen und Überforderung – nicht zu Lösungen."
    Es ist nicht ein Entweder-Oder. Es braucht ein Sowohl-als-auch. Politische Mittel und kleine Schritte einzelner Privilegierter.

Während dem Schreiben dieser Antworten drängt sich mir der (vermutlich nicht ins ins letzte Detail passende) Vergleich mit dem Klimawandel auf:
  • Ich kann das Problem nicht alleine Lösen
  • Viele persönliche Massnahmen (Nachtzug statt Flieger, Home-Office statt Büro, saisonales Biogemüse aus der Region, Leicht-Elektromobil statt Auto) kann ich nur treffen, weil ich privilegiert bin
  • Nicht mal ich (als Privilegierter) werde ohne Preisgabe grosser Bequemlichkeit die Ziele 2000-Watt-Gesellschaft hinkriegen
  • Nicht alle Massnahmen ziehe ich konsequent durch (morgen fliege ich innerhalb von Europa)

Nur: Sind das Gründe, gänzlich auf Massnahmen zu verzichten, die den Klimawandel ein kleines bisschen verlangsamen könnten? (Warum ist das Angebot von Bio-Gemüse in letzter Zeit so gestiegen: Weil Privilegierte angefangen haben, es zu verlangen. (dass das ungerecht ist, ist wiederum ein anderes Problem). Aber es waren nicht zuerst die politischen Massnahmen, sondern die Aktionen Einzelner, die etwas bewirkt haben).

Kommentare

Auch PHW sammelt und verwaltet Daten im Umkreis seiner Schulen, die gemeinhin als sensibel und schützenswert angesehen werden. Ich gehe davon aus, dass auch er dieses Daten als schützenswert betrachtet.

-- Main.BeatRueedi - 07 Oct 2016


Jetzt auch noch in der Schule?

24 September 2016 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht

Am 09.09.2016 ist mein Forumsbeitrag in der Zeitung Bote der Urschweiz erschienen (Biblionetz:t19000):

t19000.jpg

Die sitzen doch zu Hause schon genug vor dem Bildschirm!», werden einige denken, wenn sie von der Einführung des Fachs «Medien und Informatik» in der Volksschule oder der Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler des Bezirks Schwyz mit persönlichen Tablets hören. Damit liegen sie gar nicht so falsch. Tatsächlich verbringen Kinder und Jugendliche ausserhalb der Schule viel Zeit mit digitalen Medien – das belegen zahlreiche Studien und die Erfahrung vieler Eltern. Dies spricht jedoch nicht dagegen, dass digitale Medien auch ihren Platz in der Schule erhalten – im Gegenteil. Die Allgegenwärtigkeit digitaler Medien sowohl im Berufs- als auch im Privatleben zeigt, wie wichtig dieser Themenbereich geworden ist.

Autofahren lässt sich als isolierte Fertigkeit innert kurzer Zeit gut ausserhalb der Schule erlernen. Die Bedienung eines Autos hat sich in den letzten 50 Jahren nicht gross verändert, und mit Autos kann man primär eines: fahren. Digitale Medien, also Computer, Tablets, Smartphones etc. sind dagegen Universalwerkzeuge, deren Möglichkeiten laufend zunehmen. Im Gegensatz zum Auto genügt es nicht zu wissen, auf welches Pedal man drücken muss. Kinder und Jugendliche benötigen ein vertieftes Verständnis der digitalen Welt, um sich mündig in ihr bewegen zu können.

Hier kann nur die Schule die Chancengerechtigkeit gewährleisten. Wo, wenn nicht in der Schule, sollen Kinder und Jugendliche lernen, mit digitalen Medien vernünftig umzugehen? Nur in der Schule werden alle Schülerinnen und Schüler erreicht, unabhängig von den Möglichkeiten der Eltern, die erforderliche Medienbildung zu übernehmen. So hat sich die Stimmung an Elternabenden in den letzten Jahren stark gewandelt. Die meisten Eltern begrüssen es heute sehr, wenn sie bei der anspruchsvollen Aufgabe unterstützt werden, einen mündigen und kritischen Umgang mit Medien zu vermitteln. Die Schule kann auch ein differenzierteres Bild von digitalen Medien vermitteln. Während diese im privaten Umfeld vorwiegend als Unterhaltungsgeräte wahrgenommen werden, kann die Schule dazu beitragen, die Geräte auch als Werkzeug zum Lernen und Arbeiten zu sehen und zu verwenden. Die langjährigen Erfahrungen an der Projektschule Goldau zeigen, dass dies kein praxisferner Wunschtraum, sondern eine durchaus realistische Folge des gezielten Computereinsatzes an der Schule sein kann.

Die sitzen doch zu Hause schon genug vor dem Bildschirm!», ist auch verbunden mit dem Vorurteil, dass Schülerinnen und Schüler dauernd vor digitalen Geräten sitzen würden, sobald diese in der Schule verfügbar sind. Auch da sprechen die Erfahrungen der Projektschule Goldau eine andere Sprache. Etwa 10 bis 15 Prozent der Unterrichtszeit arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit den jederzeit verfügbaren, persönlichen Digitalgeräten. Weder der Sportunterricht, die Schulreisen noch die allgemeine Bewegung haben deswegen in der Projektschule Goldau abgenommen. Eigentlich nicht verwunderlich: Niemand würde erwarten, dass die Wandtafel dauernd genutzt wird, nur weil sie im Schulzimmer hängt. Genutzt wird sie, wenn es didaktisch sinnvoll ist. Bei den digitalen Geräten müssen wir uns eine ähnliche Gelassenheit erst angewöhnen. Auch der erste Zwischenbericht einer mehrjährigen Tabletstudie der Pädagogischen Hochschule Schwyz kann vielleicht die Gemüter etwas beruhigen. Es hat sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die in der Schule über ein persönliches Tablet verfügen, deswegen zu Hause nicht häufiger Computerspiele spielen.

Die Zeit des «entweder – oder» ist bei digitalen Medien in der Schule definitiv vorbei. Es geht um ein sinnvolles «sowohl – als auch». Die Schule steht vor der dreifachen Herausforderung, mit, über und trotz digitaler Medien zu unterrichten. Ich freue mich darauf, auch die diese Woche eingetretenen Erstsemestrigen an der Pädagogischen Hochschule Schwyz auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten!

Dr. Beat Döbeli Honegger ist Professor für Informatik- und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz in Goldau. Im März dieses Jahres ist sein Buch «Mehr als 0 und 1 – Schule in einer digitalisierten Welt» im hep-Verlag erschienen.

red. Im «Bote»-Forum schreiben regelmässig prominente Schwyzer. Sie sind in der Themenwahl frei und schreiben autonom. Der Inhalt des «Bote»-Forums kann, aber muss sich nicht mit der Redaktionshaltung decken.


Ić bin kein Schweizer

03 September 2016 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbericht

Unter dem Titel Ić bin kein Schweizer (Biblionetz:t19159) berichtet das Magazin des Tages-Anzeigers von Robert Matešić der sich gerne in der Schweiz einbürgern lassen möchte, dem die Behörden jedoch mitteilen, sein Nachname lasse sich nicht wie gewünscht als Matešić schreiben, da die entsprechende Verordnung das Zeichen ć nicht kenne. Der Artikel erklärt gegen Ende, dass eigentlich technische Gründe dafür den Ausschlag geben. Da man bei den Behörden noch nicht mit dem umfassenden Zeichensatz UTF-8 arbeitet, hat man sich früher für einen Teilzeichensatz entscheiden müssen und hat ISO 8859-15, den westeuropäischen Zeichensatz gewählt. Somit lassen sich alle westeuropäischen Namen problemlos im Schweizer Pass abbilden, nicht jedoch die osteuropäischen. Der Artikel schliesst mit der Frage, ob dies dem Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung widerspricht: "Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache..."

In der aktuellen FAZ vom 17.08.2016 spricht sich Adrian Lobe im Artikel Auf dem Lehrplan der Siliziumtalschule (Biblionetz:t19106) gegen das Programmieren als Teil der Allgemeinbildung (Biblionetz:f00114) aus:

Müssen wir jetzt alle programmieren lernen? Die IT-Giganten lassen sich entsprechende Förderprogramme ganz schön was kosten. Doch ihre Ziele sind eher ideologischer als praktischer Natur.

Ich möchte seine Argumentationsweise nicht unwidersprochen lassen. So wie sich viele Diskussionen um Kinder und Computer entschärfen lassen, wenn man Computer durch Buch ersetzt, erscheinen viele Aussagen Lobes in einem anderen Licht, wenn man Informatik oder Programmieren durch Biologie oder Chemie ersetzt.

Interessante Managementansätze bei Schweizer IT-Unternehmen

04 August 2016 | Beat Döbeli Honegger

Vielleicht ist ja Zufall, aber in den letzten Tagen bin ich grad zwei Interviews mit CEOs von Schweizer IT-Unternehmen begegnet, die ungewöhnliche Managmentsansätze haben:

  • ERGON AG: "Jeder weiss, was der andere verdient"
    "Lohntransparenz und Mitbestimmung bei der Wahl des CEOs: «Züriberg» sprach mit Patrick Burkhalter, dem abtretenden CEO von Ergon Informatik, und seiner Nachfolgerin Gabriela Keller über Löhne, «Future Work» und die Informatiktage." (Biblionetz:t18702) Interview auf der letzten Seite der Zeitung Züriberg vom 2.06.2016 PDF-Dokument
  • Liip AG: "Meine To-do-Liste wurde in der Firma zum Running Gag"
    "Keine Chefs, keine Budgets, keine Zielvorgaben, kaum Kontrolle: Die Firma Liip verstösst gegen viele Regeln der Unternehmensführung und ist damit sehr erfolgreich. Mitgründer und Mitinhaber Christian Stocker erläutert, wie er sich als Chef überflüssig gemacht hat, wie sich 140 Mitarbeiter selber organisieren und was passiert, wenn man auf Vorschriften verzichtet." (Biblionetz:t18702) online hier

t18701.jpg t18702.jpg

Woran liegt es, dass es bei diesen Unternehmen zu funktionieren scheint?
hmmm … hast du schon Antworten auf deine Frage gefunden?

-- Main.MarcWidmer - 04 Aug 2016