Korelation stat Kausalität
UPDATE 08.07.2017: Die in diesem Blogposting kritisierte Präsentation der BLIKK-Studie wurde von der Website entfernt ("Die Ergebnis-Präsentation wird aktuell überarbeitet.") Da die Studie aber unterdessen mehrfach zitiert wird (ohne dass mehr als eine Präsentation und eine Pressemitteilung verfügbar sind), habe ich in Ermangelung einer Publikation die Studie als Begriff aufgenommen: Biblionetz:w2940.
Diese Woche hat
die deutsche Drogenbeauftragte Marlene Mortler die
Ergebnisse der BLIKK Studie 2017 vorgestellt. Die Zusammenfassung der Medienmitteilung lautet:
Die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung stehen außer Frage. Doch die Digitalisierung ist nicht ohne Risiko, zumindest dann, wenn der Medienkonsum außer Kontrolle gerät: Die Zahlen internetabhängiger Jugendlicher und junger Erwachsener steigen rasant - mittlerweile gehen Experten von etwa 600 000 Internetabhängigen und 2,5 Millionen problematischen Nutzern in Deutschland aus. Mit der heute vorgestellten BLIKK-Medienstudie werden nun auch die gesundheitlichen Risiken übermäßigen Medienkonsums für Kinder immer deutlicher. Sie reichen von Fütter- und Einschlafstörungen bei Babys über Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern bis zu Konzentrationsstörungen im Grundschulalter. Wenn der Medienkonsum bei Kind oder Eltern auffallend hoch ist, stellen Kinder- und Jugendärzte weit überdurchschnittlich entsprechende Auffälligkeiten fest.
und
Die wesentlichen Ergebnisse im Überblick:
- 70 % der Kinder im Kita-Alter benutzen das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich.
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen der Kinder
- Bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr finden sich vermehrt Sprachentwicklungsstörungen sowie motorische Hyperaktivität bei denjenigen, die intensiv Medien nutzen
- Wird eine digitale Medienkompetenz nicht frühzeitig erlernt, besteht ein erhöhtes Risiko, den Umgang mit den digitalen Medien nicht kontrollieren zu können
Weder in der
Medienmitteilung noch im
Factsheet oder in der
Präsentation wird erwähnt, dass es sich dabei um Korrelationen und nicht zwingend um Kausalitäten handelt.
Massenmedien haben jedoch bereits angefangen, verkürzend über die Ergebnisse der Studie zu berichten. Hier stellvertretend aus dem Tages Anzeiger vom 30.05.2017:
Smartphones schaden Kindern
Das Smartphone steigert bei Kindern und Jugendlichen das Risiko von Konzentrationsschwäche und Hyperaktivität. So führt die tägliche Smartphon-Nutzung von mehr als einer halben Stunde bei 8- bis 13-Jährigen zu einem sechsmal höheren Risiko von
Konzentrationsstörungen als üblich. Das geht aus einer deutschen Studie hervor, für die 5500 Kinder und Eltern befragt wurden.
Motorische Hyperaktivität ist demnach bei 2- bis 5-Jährigen bei einer Smartphone-Nutzung von mehr als einer halben Stunde
pro Tag 3,5-mal häufiger als normalerweise. Das Smartphone kann aber schon früher zum Problem werden: Wenn die Mutter etwa
parallel zum Stillen des Säuglings digitale Medien nutze, gebe es messbare Hinweise auf Bindungsstörungen. «Kinder trinken
nicht richtig, sie schlafen schlecht», sagte die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler bei der Vorstellung der Studie
des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung Köln. (SDA).
schwupp und aus den Korrelationen der Studie sind Kausalitäten geworden.
Man würde ja gerne einen Blick in die Studie werfen. Die ist jedoch bis heute (31.05.2017) nicht auf der
Website der deutschen Drogenbeauftragtenabrufbar. Stattdessen muss man sich mit den
Präsentationsfolien der Pressekonferenz begnügen.
Beim Betrachten dieser Folien bin ich allerdings selbst in Versuchung, aus Korrelationen Kausalitäten zu machen: Sowohl die unprofessionell wirkende Foliengestaltung, die naiven Bilder eines medienfreien Familienfrühstücks ("Wie schön!!!.... miteinander Essen, Sprechen, Lachen….") als auch mehrere Schreibfehler auf einer einzigen Folie ("BICKEN statt Liken" und "PADDELN statt Datteln") sagen kausal
nichts über die Qualität der Studie aus. Sie lassen mich jedoch trotzdem ins Grübeln kommen….
P.S.: Ja, die Tippfehler im Titel dieses Beitrags sind beabsichtigt.
P.S.II: Oh, die Autoren der Präsentation
sagen, dass auch ihre Schreibfehler Absicht gewesen wären. Eine ganz neue Strategie der Wissenschaftskommunikation in Zeiten des Informationsüberflusses…
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