Dies ist der private Weblog von Beat Döbeli Honegger

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Zugegebenermassen ein Streit unter Experten - aber die Frage, welche Programmiersprache sich denn für die Schule eignet, bewegt die Gemüter seit Jahren. Während Aussenstehende erst die Frage geklärt haben möchten, ob Programmieren überhaupt zur Allgemeinbildung gehört (Biblionetz:f00114), ist dies für Informatik-Didaktiker klar.

Weniger klar ist dagegen, mit welcher Programmiersprache dies geschehen soll. In der Ausgabe 168 der Zeitschrift Login (Biblionetz:b04641) ist ein lesenswerter Artikel von Eckart Modrow, Jens Mönig und Kerstin Strecker erschienen, bei dem mir einzig der Titel missglückt zu sein scheint:

Eckart Modrow, Jens Mönig, Kerstin Strecker
Wozu Java? PDF-Dokument
Plädoyer für grafisches Programmieren
(Biblionetz:t13629)

Im Artikel argumentieren die AutorInnen, dass in Deutschland die Schülerinnen und Schüler meistens beim "Schreiben" der Programme die Motivation verlieren würden:

Sehen wir uns die schon mehrfach zitierte 80%-Ausstiegsquote im Informatikunterricht an, dann tritt die nur auf, wenn die Schülerinnen und Schüler „Programme schreiben“ müssen. Mit den anderen Themenbereichen des Informatikunterrichts gibt es meist keine Schwierigkeiten. Keine Schwierigkeiten gibt es in der Regel auch mit dem Finden eigener Ideen zur Lösung der (möglichst selbst) gestellten Probleme. Die treten erst „beim Schreiben“, also beim Kodieren auf. Der Zyklus „Lösungsidee > Formulierung der Idee > Test > Änderung der Lösungsidee > … wird durch Kodierungsprobleme unterbrochen. Die meisten Schülerinnen und Schüler bleiben beim Kodieren stecken, nicht beim (hier weiter gefassten) Programmieren. Brauchen wir aber überhaupt Code? Ist der Begriff „Programme schreiben“ nicht eigentlich überholt?

Der Artikel favorisiert dann grafische Programmiersprachen (Biblionetz:w02287), da diese keine Kodierungshürde aufweisen würden und verweist u.a. auf LabView als professionelle visuelle Programmiersprache, mit der unter anderem das südafrikanische Großteleskop SALT gesteuert werde.

Auch das Vorurteil, mit grafischen Programmierumgebungen wie Scratch (Biblionetz:w02030) könne man anspruchsvolle Konzepte der Informatik gar nicht vermitteln, versucht der Artikel zu widerlegen. Während sich Scratch durchaus eigne, um auch anspruchsvolle Konzepte der Physik zu modellieren (Bsp. Federpendel), sei insbesondere der Scratch-Ableger Build-your-own-Blocks (BYOB) (Biblionetz:w02279) so mächtig, dass sich auch ein universitärer Informatikgrundkurs allein mit dieser Programmiersprache umsetzen lasse, wie Berkeley mit der Informatikvorlesung CS10 im Rahmen des APCurriculums (AP Principles 2010) beweise.

Der Artikel versucht diese Mächtigkeit auch mit Beispielen aufzuzeigen, die mich durchaus ans Informatikstudium erinnern:

Das Beispiel illustriert kurz die weitergehenden Möglichkeiten des Systems, hier die „Lambdafizierung“ von BYOB-Strukturen, die es gestattet, diese wahlweise als Code oder Daten zu interpretieren.
Die BYOB-Listen lassen sich trivialerweise als Schlangen oder Stapel nutzen. Geschachtelte Listen bilden Bäume, Dictionaries, Graphen usw. Im Bereich der Datenstrukturen gib es hier keinerlei Beschränkungen.

Spätestens bei der Lambdafizierung wird niemand mehr von einer Kindergartensprache reden...

Der Artikel schliesst mit folgenden Fragen:

  1. Worin besteht der bildende Wert textbasierter Programmierung, also der Möglichkeit, Syntaxfehler machen zu können, wenn inhaltlich alle informatischen Konzepte, aber auch Standardanwendungsbereiche und –aufgaben mit BYOB als Werkzeug implementiert werden können? Ist die damit verbundene Frustrationsrate gerechtfertigt, hat Syntax ihren eigenen Wert?
  2. Ist der zu beobachtende Trend „weg von der Programmierung“ inhaltlich begründet oder ein Resultat der Probleme im Programmierunterricht? Soll er beibehalten oder vielleicht gestoppt, sogar wieder umgekehrt werden, wenn jetzt geeignetere Werkzeuge dafür zur Verfügung stehen? Um nicht missverstanden zu werden: Programmieren wird hier immer noch als Synonym für „selbstständiges produktorientiertes Problemlösen“ benutzt, nicht für „Kodieren“!
  3. Auf welcher Beschreibungsebene ist zu arbeiten? Algorithmen können natürlich als BYOB-Blöcke vorgegeben werden, bearbeitbar sind sie in dieser Form allerdings nur am Computer. Soll und kann auf „papiergeeignete“ Notationsformen umgestiegen werden, wenn Syntaxeigenheiten keine Rolle mehr spielen, korrekte Syntax in diesem Zusammenhang keinen eigenen Wert mehr hat?
  4. Ist Informatikunterricht nur realitätsnah, wenn echte Produktionssysteme wie Java, Python, … im Unterricht benutzt werden? Braucht der Informatikunterricht Ausbildungswerkzeuge ähnlich wie die Naturwissenschaften, die auch fast ausschließlich Gerätschaften benutzen, die man außerhalb der Schule kaum findet.

Der Artikel liefert für mich weitere Argumente zur Wahl von Scratch als Programmiersprache in der Schule. Weitere, im Artikel nicht genannte Argumente sind für mich:

  • Die Scratch-Umgebung erlaubt das Einbinden und Erstellen von eigenen Bildern und Tönen und eröffnet damit weitere - nicht von Anfang an algorithmische - Zugänge zum Thema Programmieren / Informatik.
  • Dieses Einbinden eigener Bilder, Töne & Fotos erhöht die Motivation von Schülerinnen und Schülern, die Programmierumgebung auch in ihrer Freizeit zu verwenden.
  • Mit der Einbindung von Sensoren und Aktoren des Robotiksets Lego-!WeDo werden die Schranken des Bildschirms und Computers gesprengt, Informatikprojekte reichen damit in die reale physische Welt hinaus, auch das ein Motivationsfaktor.
  • Während mit BYOB eine Erweiterung gegen oben zur Verfügung steht, bietet der App-Inventor (siehe auch Wikipedia) von Google für Android-Geräte eine Erweiterung in die reale Geräteprogrammierung, indem damit Adnroid-Geräte programmiert werden können. Ich stelle mir das sehr motivierend vor, wenn Kinder ihre eigenen Spiele und Gadgets für ihr Tablet oder ihr Mobiltelefon programmieren können...
  • Scratch ist kostenlos für Windows, Mac und Linux verfügbar und wird vom MIT aktiv weiter entwickelt. ,

Rigi-Workshop

23 September 2011 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT, Veranstaltung

Programmausschreibung

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In vielen Ländern stellt sich gegenwärtig die Frage, warum digitale Medien trotz grosser finanzieller und bildungspolitischer Anstrengungen im Unterrichtsalltag vieler Lehrpersonen noch immer nur sporadisch eingesetzt werden. Die Schweiz scheint von diesem Phänomen in besonderer Weise betroffen zu sein, wie insbesondere die PISA-Studien der letzten Jahre zeigen. Eine wichtige Rolle scheinen die pädagogischen Überzeugungen von Lehrpersonen (Biblionetz:w02217) zu spielen. Die grundsätzliche Skepsis vieler Lehrpersonen gegenüber schulischen Innovationen, insbesondere im Bereich neuer Medien, verlangt nach stärkerer Klärung dieser Denkmuster. In den letzten zwei Jahren wurde hierzu eine Nationalfondsstudie durchgeführt. Erste Ergebnisse sollen nun zusammen mit den Workshop-Teilnehmenden diskutiert und um weitere Erfahrungswerte ergänzt werden. Ein weiteres Ziel des Workshops ist es, ein praxistaugliches Instrument zu entwerfen, mit dem bestehende Überzeugungen zu digitalen Medien im Kontext von Weiterbildungs-veranstaltungen thematisiert und bearbeitet werden können.

Erster Eindruck

Der Tag beginnt gut:

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Tagungsablauf

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Vormittag

In einer ersten Workshoprunde wurde pädagogische Überzeugungen zu ICT in der Bildung gesammelt mit Hilfe von Sprechblasen-Post-Its auf einem zu diesem Zweck entwickelten Poster:

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In einer zweiten Workshoprunde wurden die zahlreichen (und von Poster zu Poster teilweise sehr unterschiedlichen) Überzeugungen priorisiert.

Nachmittag

Wo muss angesetzt werden:

  • Lehrplan 21: Der Lehrplan 21 (Biblionetz:w02172) wird in den kommenden Jahren viele Ressourcen im Bildungswesen prägen (Weiterbildung etc.). Darum muss der Lehrplan 21 genutzt werden können, um digitale Medien in die Schule zu bringen. Somit müssen wir aufzeigen können, dass sich der Lehrplan 21 ohne digitale Medien nicht umsetzen lässt.

  • Schulleitungen als prägender Einfluss der Schulkultur und ICT-Nutzung. Somit müssen Schulleitungen von der Integration digitaler Medien überzeugt werden. Konkrete Massnahme: Medienkonzepte müssen zwingend Teil der Schulleitungsausbildung sein.

  • Lehrmittelverlage müssen ihr Angebot anpassen. (Es gibt verschiedene Meinungen, wie...)

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Cool, das Poster wird verändert!

Erste Synthese

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Foto by Martin Hofmann

Aktuelles

Fortsetzung folgt ,

Autohotkey

22 September 2011 | Beat Döbeli Honegger | Geek, Software

Durch ein Google+-Posting von Gregor Lütolf und anschliessende Kommentare von Christoph Derndorfer bin ich auf das open-source Windows-Tool Autohotkey gestossen und ärgere mich seither, dass ich das nicht schon viel früher entdeckt habe.

Das Programm erlaubt es, gewisse Abläufe der Benutzeroberfläche zu automatisieren und sehr umfassend Hotkeys zu definieren. So kann ich jetzt mit einem Shortcut gewisse Programme maximieren oder minimieren, Fenster im Vordergrund belassen etc.

Im Herbst 2010 fand in Zürich die Herbsttagung der Sektion Medienpädagogik (DGfE) statt (Biblionetz:b04198). Ziel der Tagung war die "Schärfung zentraler Begriffe von Medienpädagogik / Medienbildung." Bereits damals war es für mich eine interessante Tagungserfahrung (siehe UnterMedienpaedagogen), die mich beschliessen liess, mich weiterhin nicht als Medienpädagogen zu bezeichnen. Nun hat die Geschichte ein weiteres Kapitel erhalten, die mich in diesem Entschluss bestärkt.

Vor und während der Tagung waren die Beiträge auf der Tagungshomepage als PDF downloadbar. Wunderbar, mag man denken: Richtig zeitgemäss. Doch irgendwie war bereits damals ein eigentümlicher Verdacht im Raum: Werden diese Beiträge wirklich weiterhin online verfügbar sein?

So steht bei Benjamin Jörrisen

Allen Interessierten, die nicht bei der Tagung dabei sein konnten, seien die Positionspapiere unbedingt empfohlen, die auf der Tagungs-Website heruntergeladen werden können (sehr löblich, hoffentlich bleibt das eine Weile online!).

und bei mir steht

Die einzelnen Beiträge sind derzeit (noch) auf der Tagungshomepage abrufbar

Tja, tatsächlich waren die Beiträge und die gesamte Tagungshomepage bereits etwa einen Monat nach der Veranstaltung nicht mehr verfügbar. Dafür sind sie jetzt in Form von totem Holz als Buch beim kopaed-Verlag (Biblionetz:b04198) für 18 Euro verfügbar.

Willkommen in der Buchdruckgesellschaft. (Biblionetz:w02212)

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Update: Das Phänomen ist so verbreitet, dass ich den entsprechenden Fachbegriff depublizieren gleich in Biblionetz aufgenommen habe: Biblionetz:w02258


Main.LisaRosa meint:

Wirklich erstaunlich, wie sehr auch viele Medienpädagogen der Publikation im Netz misstrauen. Denn groß Geld verdienen ist mit der Totholzpublikation ja nicht. Und erst Recht nicht die doch erwünschte Verbreitung der Message. Oder geht es ihnen nur darum, dass da ein RL-Objekt in den Unibibliotheken des Landes herumsteht? Es fällt mir soooo was von schwer, die Mainstream-Mäpos ernst zu nehmen. Weder was das Medienverständnis angeht, noch hinsichtlich der pädagogische Weisheit.

Mäpo ist mir gerade so in die Tastatur gefallen. Offenbar reicht es bei mir in dieser Sache nur noch zum Legastheniker, wenn ich sie bezeichnen möchte. Wenn die Mepäs schon im Netz radieren, dann schrauben wir unsere Erwartungen mal ganz weit runter.

-- Main.LisaRosa - 01 Sep 2011 Ich war ja auf der entsprechenden Tagung und die Papiere sind mehr oder weniger kollaborativ entstanden. Mich würde das mal urheberrechtlich interessieren, ob die so einfach meine Gedanken aus dem Positionspapier depublizieren dürfen.

Das davon abgesehen hatte die Tagung sicherlich nicht viel mit Medien zu tun viel ehr mit Pädagogik als die Lehre der Lehre.

-- Main.GiBro - 17 Sep 2011

100 x 1:1

15 September 2011 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT
Vor ca. zwei Wochen habe ich hier im Blog die Eröffnung der 1:1-Projekt-Datenbank http://1to1learning.ch angekündigt. Unterdessen enthält die Datenbank 100 Projekteinträge aus zahlreichen Ländern.

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Aufgrund der Eintragungen und der Diskussionen am DeLFI-Workshop in Dresden ist die Datenbankstruktur etwas gewachsen:

  • Für deutschsprachige Länder gibt es jetzt Regionen (Kantone und Bundesländer)
  • Ein Projekt kann nun verschiedene Gerätetypen umfassen
  • Projekte können Bestandteil eines oder mehrerer grösserer, übergeordneter Projekte sein (z.B. die OLPC-Initiative).

Bisher stammen (leider) die meisten Einträge von mir, erst wenige Projektverantwortliche haben ihr eigenes Projekt eingetragen oder Informationen ergänzt. Ob ich deutlicher hätte betonen müssen, dass es nicht eine Projektdatenbank, sondern ein Projekt-Wiki ist?

Bereits in den vergangenen zwei Wochen konnte ich jedoch mehrere Anfragen mit Verweis auf das Wiki beantworten, der Bedarf nach einer entsprechenden Übersicht ist somit vorhanden. Neben der reinen Projektauflistung habe ich nun angefangen, auch Literatur etc. zum Thema zu sammeln.

http://1to1learning.ch

Kontakt

  • Beat Döbeli Honegger
  • Plattenstrasse 80
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  • E-mail: beat@doebe.li
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