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Was der LCH zu digitalen Kompetenzen im Lehrplan 21 sagt

22 November 2013 | Beat Döbeli Honegger
Am 21.11.2013 hat der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) seine Vernehmlassungsantwort zur Entwurfsfassung des Lehrplans 21 (Biblionetz:b05300) veröffentlicht.

Der Lehrplan 21 ist überladen. Die Kompetenzen in den einzelnen Fachbereichen müssen reduziert und auch für den Laien verständlich formuliert werden. Zudem sollen Stundentafel, Schülerbeurteilung, Zeugnisse und Lehrerweiterbildung auf den Lehrplan bezogen einheitlich definiert werden, damit ein in sich stimmiges Curriculum entsteht, das dann von der Lehrerinnen und Lehrern auch umgesetzt werden kann. Dies sind die hauptsächlichen Anliegen des LCH, basierend auf der Vernehmlassung in den rund 30 Mitgliedsorganisationen.

Im 27-seitigen Dokument Konsultationsantwort des LCH zum Lehrplan 21 PDF-Dokument (Biblionetz:t15812) stellt der LCH zum Schluss 10 Forderungen auf:

  1. Menge der Kompetenzen reduzieren und priorisieren
  2. Mindestansprüche angemessener definieren
  3. Verständlichkeit für Eltern und Öffentlichkeit verbessern
  4. Schülerbeurteilung und -benotung mitplanen
  5. Kohärenz zu Stundentafeln, Zeugnissen und Lehrmitteln herstellen
  6. Fremdsprachen-Abfolge vereinheitlichen und Obligatorium an der Primarstufe reduzieren
  7. Fächerübergreifende Themen einarbeiten oder als Fach führen
  8. Verbundene Fächer für Fachunterricht transparent halten
  9. Werthaltungen auf internationale Konventionen beziehen
  10. Einführung gemeinsam konzipieren und ausreichend budgetieren

Bezüglich ICT / Medienpädagogik / Informatik äussert sich der LCH folgendermassen (S.19):

Von Interessenvertretern werden ein Ausbau des Programmierens und eine bessere Differenzierung des Themas ICT gefordert. Die D-EDK hat dafür im Sommer 2013 eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Die Forderung nach verstärkten Kompetenzen im Programmieren zum Beispiel Im Rahmen von Projekten (Roboterbau und ähnlich) wird von der Sekundarstufe I mit Verständnis und zum Teil Wohlwollen aufgenommen.

Eine Präzisierung und Klärung der Kompetenzanforderungen ist jedoch sinnvoll. Befürwortet wird die geforderte Aufteilung des Themas in Programmieren/Technik, Anwendung und Medienpädagogik. Favorisiert wird eine Einarbeitung in Mathe und Deutsch, sekundär auch in Gestalten und NMG. Abgelehnt wird die Unterbringung von Programmieren in NMG.

Die Ressourcen für eine breite Weiterbildung der Lehrpersonen sowie für die Anpassung der Infrastruktur müssen bereitgestellt werden. Aus Geldmangel nur wenige Fachlehrpersonen auszubilden, führt zur analogen Situation wie bei den Fremdsprachen: Es entsteht ein weiteres obligatorisches Fach mit Fachlehrersystem, das die Anzahl Lehrpersonen pro Klasse weiter erhöht. Problematisch ist die Abwertung von bisherigen Fächern: Was wäre Mathe ohne Algorithmen und Programmieren, Gestalten ohne Bildsprache, Deutsch ohne Medienkommunikation.

ICT könnte also in drei Bereiche aufgeteilt werden und als Bestandteil der Volksschulbildung in die bisherigen Fächer und Gefässe eingearbeitet werden. Es wäre in der Geschichte der Schule nicht das erste Mal, dass neue Fachgebiete ohne neues Fach integriert worden sind. Mit dieser Lösung wird das Führen eines überfachlichen Themas ICT überflüssig.

Mit einer breiten Weiterbildungsoffensive und der Aufstockung der Grundausbildung der Primarlehrpersonen auf ein MA-Niveau entsteht kein Druck für eine neue Kategorie von Fachlehrpersonen. Dies würde nur das System weiter parzellieren und den Abspracheaufwand ins Unermessliche treiben.

Ernsthaft zu prüfen ist eine kompensatorische Umlagerung von ERG als Fach in die Klassenlehrerstunden und in Geschichte / NMG zu Gunsten von ICT/Medienpädagogik und Informatik.

Das sind spannende Aussagen, welche sicher die kommende Diskussion prägen werden. Interessant sind diesbezüglich auch die zusätzlichen Fragen, die der LCH (nicht nur in Bezug auf digitale Kompetenzen) gestellt hat:

  • Kompetenzen sind gretrennt aufzuführen: Die Kompetenzen in den Fachbereichen ICT (technischer Bereich) und Medien (Bildsprache und Medienkunde) müssen getrennt aufgeführt werden.
  • Themenbereiche sind getrennt aufzuführen: Sollen die Themenbereiche Progrmamieren und Technologie von Medienkunde, Bildsprache, Internet und Anwenderkenntnissen abgetrennt und separat beschrieben werden?
  • Neue Lehrmittel sind notwendig: Müssen die Lehrmittel überarbietet werden, damit die Ziele für ICT und Medien erreicht werden können?

Während alle der Meinung sind, dass für digitale Kompetenzen neue Lehrmittel notwendig sind (Biblionetz:a01198), herrscht bezüglich Aufteilung in der Lehrerschaft eine Pattsituation: Praktisch jeweils die Hälfte ist für, die andere Hälfte gegen eine Aufteilung:

lch.jpg

Ich habe für mich aus dieser Stellungsnahme geschlossen, dass ich in naher Zukunft folgende Aussagen besser begründen können will:

  • Informatik ist mehr als Programmieren! (Biblionetz:a001157)
  • In der Volksschule gibt es gute Gründe, warum Anwendungskompetenzen, Medienbildung und Informatik zusammengehören.


IsaBildungsPolitik

Sorry, wieder mal ein Gemotze und keine Zukunftbetrachtungen. Kann also problemlos überlesen werden.

Derzeit häufen sich bei mir Weblogs, bei denen man den Verdacht kriegt, sie suchten aktiv nach Möglichkeiten ihre bisherige Leserschaft abzuschütteln.

Da ist zum Beispiel der Blog Hallo Zukunft der Swisscom. Dass die Zukunft von gestern die Vergangenheit von heute ist, beweist der Blog mit seinem letzten Posting vom Mai 2013:

leser-loswerden-01.jpg

Die Zukunft scheint aber am angekündigten neuen Standortentweder noch nicht angekommen, oder aber bereits wieder weitergezogen zu sein:

leser-loswerden-02.jpg

Naja, dann halt Tschüss Zukunft, ich such Dich woanders. Google wird Dich sicher finden. Siehe da:

leser-loswerden-03.jpg

Alles bestens? Leider nein: Das was sich da Blog nennt, hat keinen RSS-Feed. Ja, nochmals zum langsam lesen: Der Hallo Zukunfts-Blog verfügt weder über einen RSS-Feed noch sonst eine Möglichkeit, wie ich mich automatisiert über neue Beiträge informieren könnte.

Zu meinem Entsetzen kommt der Begriff RSS im Wikipedia-Artikel über Weblogs erst recht weit unten in den technischen Detailbeschreibungen vor, so dass RSS scheinbar in der allgemeinen Wahrnehmung tatsächlich kein essenzieller Bestandteil eines Weblogs mehr zu sein scheint.

Aus Effizienzgründen ist jedoch für mich klar: Für Weblogs (Biblionetz:w01272) ohne RSS-Feeds (Biblionetz:w01650) habe ich keine Zeit. Somit definitiv Tschüss Zukunft!


Als ich letzte Woche per Zufall gemerkt habe, dass ich schon lange nichts mehr von Margrit Stamm in meinem Newsreader gelesen habe und bei dieser Gelegenheit feststellen musste, dass Margrit Stamm die URL ihres Weblogs ohne Ankündigung geändert hatte und der neue so genannte Blog von Margrit Stamm auch keinen RSS-Feed mehr anbietet, dachte ich mir noch "Naja, halt nicht so fit in IT, kann vorkommen."

Aber ausgerechnet das Webangebot http://www.fit-in-it.ch hatte letzte Woche auch so seine Probleme mit dem RSS-Feed. Der war zwar noch da, hat aber plötzlich 100 alte Beiträge als vermeintlich neu vermeldet, die meisten davon mehrfach:

leser-loswerden-04.jpg

Hmm, wenn selbst technologie-affine Organisationen wie Swisscom und http://www.fit-in-it.ch Mühe haben, einen benutzungsfreundlichen Informationskanal am Laufen zu halten, wie soll das denn der Rest der Welt hinkriegen?

Und bildungspolitisch gedacht - sorry, so denke ich derzeit des öftern - schaffe ich es nicht, das Thema RSS eindeutig einem der drei Gebiete

Informatik Schülerinnen und Schüler verstehen Grundkonzepte der Wissenschaft Informatik und nutzen sie zur Entwicklung von Lösungsstrategien in allen Lebensbereichen
Medien(bildung) Schülerinnen und Schüler produzieren digitale Inhalte und reflektieren die Nutzung, Bedeutung und Wirkung von (digitalen) Medien kritisch
ICT / Anwendungskompetenzen Schülerinnen und Schüler nutzen Informations- und Kommunikations-technologien in allen Bereichen des Lebens effektiv und effizient

zuzuordnen. Ob mir das diejenigen erklären können, welche die Haltung vertreten, die drei Themen liessen sich trennscharf unterscheiden?

Buchpreisbindung umgehen

07 November 2013 | Beat Döbeli Honegger
Die Publikation unseres Buches Der Wiki-Weg des Lernens ist auch für uns Herausgeber ein grosser Lernprozess. Vor der Publikation habe ich wieder viel über das Herausgeben von Büchern gelernt (logisch...), nun lerne ich einiges darüber, wie der Buchmarkt funktioniert. Ich weiss nun z.B., dass es einen kostenlosen Service namens Novelrank gibt, der einem den Verkaufsrang und die Buchverkäufe detailliert anzeigt und visualisiert oder ich weiss, wie kleinere Buchhändler in Deutschland die offizielle Buchpreisbindung umgehen:

Bereits am Tag der Buchpublikation war unser Buch gebraucht zu kaufen. Hat mich erst stutzig gemacht ("Ist das Buch wirklich sooo schlecht?"), bis ich dann den Sinn dieser Gebraucht-Angebote begriffen habe: Sie unterliegen nicht der Buchpreisbindung! Es wäre ketzerisch zu sagen, dass bei Amazon derzeit mehr gebrauchte Exemplare unseres Buches zu finden sind als überhaupt schon via Amazon verkauft worden sind (stimmt so auch nicht), aber ich mag nicht recht dran glauben, dass das wirklich gebruachte Exemplare sind:

buchpreis.jpg


Interessantes Geschäftsmodell: Kaufe neu für EUR 29,00 und verkaufe neu für EUR 23,00!

-- Main.AndreaCantieni - 31 Oct 2013

Nein, die kaufen die Bücher ja nicht im Buchhandel, sondern direkt beim Verlag und somit nicht für EUR 29!

-- Main.BeatDoebeli - 07 Nov 2013

Jugendliche möchten mehr Medienkompetenz im Lehrplan 21

29 October 2013 | Beat Döbeli Honegger

Die Bildungskoalition NGO hat diese Woche eine spannende, aber nicht unproblematische Befragung von Jugendlichen zum Lehrplan 21 PDF-Dokument (Biblionetz:t15773) veröffentlicht:

15- bis 18-jährige Jugendliche in der deutschsprachigen Schweiz wissen, was sie von der Schule erwarten und wie sie im Unterricht und Schulalltag mitwirken möchten. Eine vom Marktforschungsinstitut GfK durchgeführte Studie «Jugend und Lehrplan 21» zeigt auf, dass die Jugend in Bildungsthemen mitreden will. Und nicht nur das: Sie zeigt auch, dass die Teenager mehr über Nachhaltigkeitsthemen und den Umgang mit Medien wissen möchten.

Sehr schön! Die Studie berichtet, dass die Jugendlichen mehr zu verschiedenen Aspekten von digitalen Medien in ihrem Leben wissen möchten (siehe rechts). Als Fazit daraus schliesst die Bildungskoalition, dass der Umgang mit Medien im Lehrplan 21 (Biblionetz:w02172) stärker gewichtet wird.

Doch obwohl die Studie eigentlich Wasser auf meine Mühlen ist, muss sie - bzw. das, was von ihr bekannt ist - kritisch hinterfragt werden:

  • Befragt wurden 15-18-Jährige, also nicht das Zielpublikum des Lehrplans 21. Das lässt sich zwar gut begründen, denn diese Altersgruppe hat die Volksschule soeben hinter sich und kann damit aus eigener Erfahrung antworten. Andererseits fragt es sich, ob 15- bis 18-Jährige wirklich die Wünsche von 5- bis 15-Jährigen abbilden. Der Lehrplan 21 deckt auch den Kindergarten ab und es ist fraglich, ob die Wünsche von 15- bis 18-Jährigen identisch mit denen von Kindergärtnern sind. (Dass nur 12% der Befragten wussten, dass ein Lehrplan 21 in Erarbeitung ist (Seite 3), deutet meiner Ansicht nach darauf hin, dass sich die Befragten - wenig erstaunlich - bisher nicht mit Lehrplanfragen und Bildungspolitik beschäftigt haben.)
  • Was genau gefragt wurde, ist nicht öffentlich bekannt. Laut publiziertem Bericht dauerten die Befragungen 10 Minuten. Im Bericht ist eine längere Liste von Themen zu finden, welche die Befragten sich in der Schule wünschen. Es ist zu befürchten, - aber man weiss es nicht - dass konkret nach diesen Themen gefragt worden ist ("Möchten Sie, dass Nachhaltigkeit ein Thema in der Schule ist?"). Das ist aus verschiedenen Gründen problematisch:
    • Bereits die Fragen legen eine thematische Ausrichtung vor. Wurde gefragt, ob die Schülerinnen und Schüler auch mehr Videos schauen möchten im Unterricht. Vermutlich nicht. Wurde gefragt, ob sie auch etwas über die Grundlagen digitaler Medien (aka Informatik) wissen möchten? Wir wissen es nicht.
    • Es besteht die Gefahr von sozialer Erwünschtheit bei der Befragung: Wer sagt schon gerne, dass ihn die Erhaltung der Natur nicht interessiert?
  • Wie massgebend sollen die Wünsche der Schülerschaft für die Schule sein? Durchaus eine heikle Frage. Selbstverständlich will man versuchen, die Interessen und Wünsche der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. Aber wie stark?

Ich nehme diese Befragung trotzdem als einen Beleg für die Forderung nach einem Fach: Geantwortet haben Jugendliche, die soeben die Sekundarstufe I verlassen haben. Theoretisch hätten die meisten von ihnen die gewünschten Themen in der Schule gehabt haben müssen: Die meisten Deutschschweizer Kantone haben einen ICT-Zusatzlehrplan, der eigentlich verbindlich diese Kompetenzen beschreibt. Dass diese jedoch nicht bei den Schülerinnen und Schülern ankommt, ist für mich ein Beleg dafür, dass dem Thema ohne eigenes Fach (und damit einhergehend Unterrichtszeit, Lehrerweiterbildung und Noten) das notwendige Gewicht fehlt.

Wenn der Betrieb von Lehrmitteln plötzlich kostet

25 October 2013 | Beat Döbeli Honegger
In den letzten Tagen hat sich ein deutschsprachiger Lehrmittelverlag (Biblionetz:w02223) mit folgenden Zeilen an seine Kunden gewandt:

Sehr geehrte eBook-Nutzerin,
sehr geehrter eBook-Nutzer

Das neue Apple-Betriebssystem iOS 7 hat einige Änderungen mit sich gebracht. Dies hat uns auch gezwungen, unsere App anzupassen, damit diese auf dem neuen Betriebssystem wieder einwandfrei funktioniert.

Wenn Sie aktuell noch mit iOS 6 arbeiten, empfehlen wir Ihnen, unsere App nicht zu aktualisieren.

Wenn Sie Ihr Gerät bereits auf iOS 7 umgerüstet haben, haben Sie wahrscheinlich auch festgestellt, dass sich die erworbenen eBooks in unserer App nicht mehr anzeigen lassen. Dieses Problem konnte nun behoben werden. Bitte laden Sie die neue Version der App direkt mit Ihrem iPad auf www... herunter. Um die bereits gekauften eBooks wieder zu aktivieren, benötigen Sie einen neuen Freischalt-Code, den Sie bei mir gratis beziehen können.

Leider können sämtliche Notizen, die Sie vorher in Ihrem eBook angelegt haben, nicht übernommen werden. Wir bedauern dies sehr und entschuldigen uns dafür. Selbstverständlich können Sie in einem solchen Fall bei mir die Rückerstattung des Kaufpreises einfordern.

Wir hoffen dennoch, Sie auch weiterhin zu unseren geschätzten eBook-Nutzern zählen zu dürfen und danken für Ihr Verständnis.

Hier ist tatsächlich Verständnis erforderlich und zwar von verschiedenen Seiten. Mit dieser Mail ist eingetroffen, was ich in letzter Zeit in Schul-eBook-Diskussionen öfters zu erklären versucht habe: Der Betrieb von digitalen Lehrmitteln kostet.

Bei traditionellen, gedruckten Lehrmitteln (Biblionetz:w02314) ist die Sache relativ einfach. Nach dem Druck verursachen die noch nicht verkauften Buchexemplare zuverlässig berechenbare Lagerkosten, die verkauften Exemplare generieren keine nennenswerten Kosten mehr. Es ist vermutlich den Lehrmittel-Verlagen Unrecht getan, aber bisher konnte sich ein Lehrmittelverlag im Grossen und Ganzen auf den Standpunkt stellen "Sell and forget."

Bei digitalen Lehrmitteln geht das nicht mehr. Digitale Schulbücher sind keine normalen digitalen Bücher, wenn sie denn ihren Namen zu Recht verdienen. Sie bieten mehr als ein normales eBook: Interaktivität, Speicherung des Lernfortschritts etc. (siehe iLegende Wollmilchsau PDF-Dokument).

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Digitale Lehrmittel bestehen nicht unabhängig, sondern in Abhängigkeit von einem oder mehreren digitalen Ökosystemen bestehend aus Hardware, Betriebs- und Lizenzierungssystemen. Wenn sich diese Umgebung verändert, so müssen auch die digitalen Lehrmittel angepasst werden und zwar nicht nur die zukünftigen, sondern auch die bereits verkauften, sich aktuell im Einsatz befindlichen Lehrmittel!

(Altbekannte Konzepte wie TCO (Biblionetz:w00853) sowie Beschaffung (Biblionetz:w01206) und Betrieb (Biblionetz:w01027) bekommen jetzt auch ihre Bedeutung für Lehrmittel...)

Für Verlage bedeutet das bezüglich Know-how und Budgetierung eine ganz neue Situation: Ihre Lehrmittel generieren einen Betriebsaufwand, der derzeit nicht ganz einfach abschätzbar ist. Verlage müssen sich überlegen, wie lange sie ein digitalen Lehrmittel unterstützen wollen bzw. müssen. Es stellt sich auch die Frage, ob aus diesen Gründen vielleicht die Entrichtung einer jährlichen Nutzungsgebühr für digitale Lehrmittel angebrachter wäre als die Entrichtung eines einmaligen Kaufpreises.

Diese Herausforderung erklärt auf jeden Fall, warum die Erwartung, Lehrmittel würden in digitaler Form plötzlich nur noch die Hälfte kosten, nicht sehr realistisch ist, bzw. nur mit inhaltlicher Qualitätseinbusse zu haben wäre.

Übrigens: Auch Open Educational Ressources haben Betriebskosten.
Alles gut nachvollziehbar. Aber bei mir hört das Verständnis auf, wenn ich durch die Verlage zur Übernahme ihrer proprietären Strukturen gezwungen werde, um ihre Lehrmittel nutzen zu können. Wikis und andere offene Formen der Publikation haben zwar ebenfalls Betriebskosten, führen jedoch nicht in die oben als Beispiel angeführte Abhängigkeit vom Willen eines Anbieters, sich bei einem Betriebssystemupdate um Altkunden zu kümmern. Abonnement von Schulbüchern schön und gut (der Schroedel Verlag macht das für das von mir eingesetzte Mathebuch), aber wer garantiert mir dann, dass z.B. meine persönlichen Notizen zu meinem Mathebuch der 8. Klasse meinetwegen 5 Jahre beim Verlag vorgehalten und auf neue Systeme übertragen werden, wenn ich das Abonnement aussetzen möchte, weil ich 5 Jahre lang keine 8. Klasse unterrichte? Und wer weiß schon, ob die Verlagssoftware garantiert auch in 5 Jahren noch auf meine bevorzugte Plattformen portiert wird usw. Die Lehrmittel werden bestimmt nicht günstiger, aber dafür möchte ich etwas mehr Garantie für die Zukunftsfähigkeit eines Mediums, bevor ich Geld und Zeit in die Nutzung investiere.

-- Tom Jork - www.lehrerstuhl.de

-- Main.TomJork - 24 Oct 2013 Lieber Tom, ich verstehe die Anliegen bestens. Die proprietären Strukturen enstehen ja aber nicht nur aus Bösartigkeit von Lehrmittelverlagen. Wenn ein Lehrmittel sich selbst korrigierende Übungen enthalten soll, dann ist man auf irgend eine Art auf proprietäre Strukturen angewiesen, weil sich bisher kein offenes Datenformat für "interaktive Lehrmittel mit Lernstandsspeicherung" durchsetzen konnte.

Auch der Wunsch nach Zukunftsfähigkeit ist sehr verständlich, aber für Verlage recht schwer umsetzbar: Das erste iPad wurde am 27.01.2010 präsentiert, das Konzept "Tablet" in der aktuellen Form ist also noch nicht mal 5 Jahre alt. Wie soll da ein deutschsprachiger Verlag in einem von internationalen ICT-Unternehmen dominierten Markt Zukunftsgarantien von 5 Jahren abgeben können? Selbst für Verlage, die willens sind, sich auf digitale Angebote einzulassen, ist die Situation nicht einfach...

-- Main.BeatDoebeli - 24 Oct 2013 Gerade darum geht es mir: Wenn die Verlage (verständlicher Weise) keine Garantien geben können, dann sollen Sie doch bitte nicht die Nutzer in diese ungewisse Zukunft zwingen - letzteres tun sie auch nicht, weil sie besonders innovativ sind, sondern Angst vor Urheberrechtsverletzungen und Kontrollverlust haben. Anders kann ich mir das "verlagsübergreifende" elektronische Angebot der "digitalen Schulbücher" in Deutschland nicht erklären. Dieses basiert zwar auf einem Format (PDF), das zwar nicht innovativ ist, aber schon über Jahre hinweg zu einem Quasi-Standard in der elektronischen Publikation geworden ist. Für mich entwickelt sich daraus die Forderung nach der Trennung von Form und Inhalt, wie sie schon seit Jahren in der Softwarebranche selbstverständlich ist: Die Daten können/sollten (wenn ich sie bezahlt habe) in einem 'Standard'-Format vorliegen (in letzter Kosequenz hat sich ASCII respektive XML seit Jahrzehnten als zukunftssicher erwiesen). Wie auf diese Inhalte zugegriffen wird, sollte der Wahl des Anwender überlassen bleiben. So lange die Schnittstelle zu den Daten offen bleibt, kann sowohl der Verlag mit seiner Vorstellung von guter Lehrmittelsoftware an den Markt treten, aber auch jeder Nutzer hat die Möglichkeit entweder selbst eine Arbeitsumgebung zu entwickeln, bzw. auf OpenSource-Software zurückzugreifen (z.B. Wikis). Dabei könnte ohne Probleme auch die Entwicklung von Funktionalitäten für neues Lernen aus der Verantwortung der Schulbuchverlage genommen werden und gewünschte multimediale Ergänzungen oder Interaktivität und Kollaborativität (auch OER) mit der kommerziellen Datenbasis verknüpft werden. Zurzeit bekomme ich von den Verlagen eine Simulation des gedruckten Werks. Auf dieser Datengrundlage könnte man aufbauen, wenn man willens ist. Es äergert mich aber schon jetzt, dass ich auf den Willen der Verlage angewiesen bin, wann überhaupt ein Werk digital zur Verfügung stehen wird. Bei mir persönlich geht Mathe in allen Jahrgängen bis auf 6 und Geschichte gar nicht. Wann sich das ändern wird, ist nicht absehebar... Die kommerziellen Anbieter werden sich wohl noch eine ganze Weile dagegen sträuben, den Zugang zur (von Nutzer bezahlten) Datenbasis frei zu geben. Da fehlt es wohl noch an geeigneten Geschäftsmodellen, die einhergehend mit einer Reform des Urheberrechts alle Seiten zufrieden stellt.

-- Main.TomJork - 25 Oct 2013

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