Medienbildung

Das Mobiltelefon als Werkzeug und Thema im Unterricht

22 December 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung
Noch immer erntet man vielerorts unverständliche Blicke, wenn man das Mobiltelefon als Werkzeug oder Thema im Unterricht (Biblionetz:w01971) vorschlägt. Selbst für Lehrpersonen, die in Notebookprojekten aktiv sind, mutet die Vorstellung seltsam an, dass man Handys sinnvoll im Unterricht einsetzen könnte. Meist ist darum das Handyverbot in der Schule (Biblionetz:w02202) noch naheliegender als praktische Unterrichtsszenarien.

Umso erfreulicher ist es, dass in jüngerer Zeit nach englischsprachigen Büchern (z.B. Biblionetz:b03693) nun auch deutschsprachige Bücher erschienen sind, die konkrete Unterrichtsvorschläge enthalten. Als erstes ist da das Buch von Katja Friedrich, Ben Bachmair und Maren Risch: Mobiles Lernen mit dem Handy - Herausforderung und Chance für den Unterricht (Biblionetz:b04668) zu nennen. Die kurzen Kapitel 1 und 2 nennen Gründe für die Integration des Handys in den Unterricht und zeigen die grundlegenden Potenziale anhand der konvergenten Handyfunktionen auf. Im zentralen dritten Kapitel werden 50 konkrete Unterrichtsszenarien von der ersten Primarschulklasse (Buchstabensuche mit dem Fotoapparat) bis zum Gymnasium und zur Multiplikatoren-Schulung jeweils kurz beschrieben. Im Kapitel 4 sind dann fünf Unterrichtseinheiten detaillierter beschrieben und Ben Bachmair rundet mit pädagogischen Überlegungen in Kapitel 5 das Buch ab. Erwähnenswert macht das Buch nicht die 50 Szenarien an sich (die so neu nicht sind und sich an verschiedenen Orten im Internet (u.a. auch im Weblog der Projektschule Goldau) finden) sondern die praktische Sammlung in Buchform. Wer mich zukünftig ungläubig anschaut, dem kann ich das Buch in die Hand drücken (was ich mit dem Weblog der Projektschule Goldau nicht kann...).

Das zweite Buch SMS-Kommunikation als Unterrichtsgegenstand - Ein Unterrichtsmodell mit Materialien für die Sekundarstufe II (Biblionetz:b04723) von Dominique Barth und Prisca Rauch beschäftigt sich mit einem Teilaspekt von Mobiltelefonen als Thema. Das Buch dokumentiert einen zweitägigen Blockkurs, der im Rahmen einer Medienwoche der Kantonsschule Küsnacht entwickelt worden war. Der Blockkurs und damit das erarbeitete Unterrichtsmaterial verfolgt zwei Ziele. Einerseits geht es darum, anhand von SMS-Kommunikation (Biblionetz:w01814) Schülerinnen und Schüler für situationsspezifisches und - adäquates Sprach- und Sozialverhalten zu sensibilisieren. Zum anderen geht es bei der Arbeit an SMS-Texten auch um die Heranführung an wissenschaftliche Arbeitsformen.

Offenlegung der Interessenbindungen: Ich bin Mitglied der von Ben Bachmair mitgegründeten London Mobile Learning Group (Biblionetz:p11871) und Verwaltungsratsmitglied des hep Verlags. Trotzdem kann ich die Bücher empfehlen wink

Podiumsdiskussion zum Schulbuchtrojaner

09 December 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung

%STARTBLOG% Die Diskussion zum Schulbuchtrojaner in Deutschland geht weiter: Vorgestern (am 7.12.2012) fand in der Heinrich Böll Stiftung eine entsprechende Podiumsdiskussion statt unter dem Titel Schulbuchtrojaner: Urheberschutz oder Gefahr für die Freiheit von Lehre und Forschung? in der Reihe "Gespräche zur Netzpolitik".

Die Kultusminister haben mit dem Verband der Schulbuchverlage (Biblionetz:w02223) den Einsatz von "Schultrojanern" - einer Kontrollsoftware an Schulen vereinbart. Damit soll die Nutzung von Software und der Einsatz pauschal entgoltener Lehrmittel für Zwecke des Unterrichts überwacht werden. Vor allem im Interesse der Schulbuchverlage, vorgeblich aber auch zum Schutz der Lehrenden.

Diese Vereinbarung wirft grundsätzliche Fragen auf: Stellt die Kontrollsoftware Schulen und Lehrende unter Generalverdacht? Gefährdet sie deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung und pädagogische Freiheit? Ist das urheberrechtlich (Biblionetz:w00815) geschützte Lese- und Lehrbuch auch im 21. Jahrhundert das Mittel der Wahl oder brauchen die Schulen mehr kollaborative Lehr- und Lernformen und "flüssige Lehrbücher", die sich nicht mehr in herkömmlicher Weise urheberrechtlich schützen lassen? In der Heinrich-Böll-Stiftung diskutierten Expert/innen am Vorabend der Beratungen der Kultusminister das Für und Wider des Schultrojaners.

Die Podiumsdiskussion ist als Videoaufzeichnung verfügbar und es gibt eine Zusammenfassung aus der Sicht des Podiumsteilnehmers Guido Brombach und eine Zusammenfassung bei Netzpolitik.

Es ist ja nicht wirklich die Debatte, die man sich Frage "Wie sieht die Zukunft des Schulbuchs aus?" wünscht...

4:1-Computing?

07 December 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung, Schul-ICT
Tja, auch 1:1 computing (Biblionetz:w02173) ist vermutlich nur ein Übergangsphänomen. Ob 4:1 die Zukunft gehört?

Martin Lindner macht sich in der heutigen taz unter dem Titel Das Buch verdunstet in der Wolke (Biblionetz:t13759) Gedanken zur Schule der Zukunft. Eine ungekürzte Originalversion des Artikels inkl. Kommentarfunktion findet sich übrigens unter http://schulewolke.wordpress.com/

Nach Überlegungen zum #leitmedienwechsel stellt er zum Schluss des Artikels vier Werkzeuge vor, welche "Lern- und Wissensprozesse von Grund auf ändern können":

Und erst heute ist diese Technik reif für den Schuleinsatz. Erst jetzt kann sie ein/e SchülerIn als direkte Verlängerung des eigenen Wissensdrangs benutzen. Erst jetzt braucht man keine "Computerräume" mehr. Die elementaren Technologien sind - derzeit - nicht viele: Vier digitale Tools, die sich gegenseitig ergänzen. Wenn man sie allen SchülerInnen in die Hand gibt, können sie Lern- und Wissensprozesse von Grund auf ändern:

  • Erstens ein Tablet-PC wie das iPad: Für das gemeinsame Arbeiten im Internetmodus: sammeln, anreichern, organisieren, remixen, eigene Objekte daraus machen, diese wieder teilen.
  • Zweitens ein kleines, mobiles Netzgerät wie das iPhone. (Für schnelle Schwarmkommunikation, für die Zirkulation von Mikroinformationen und um an reale Orte und Dinge digitale Informationen zu heften.)
  • Drittens ein digitaler Stift mit Audio-Aufnahme wie der LiveScribe. (Schreiben mit der Hand, das weder "Hefteintrag" noch nostalgische Kalligrafie ist. Ein magisches Gerät zum Mitnotieren, Aneignen, "visuellen Denken". Eine Brücke zwischen analoger und digitaler Welt.)
  • Viertens ein E-Book-Reader wie der Kindle. (Purer Text in schwarz-weiß, ohne Netz und Multimediasperenzchen: konzentriertes Lesen, Markieren, Annotieren, Teilen von Stellen und Gedanken. Und nicht nur vorgefertigte "Schulbuchtexte": Selbst Erarbeitetes wird mit einem Klick zu Buchformat.)
Zusammen kostet das derzeit (!) noch rund 400 Euro pro SchülerIn und Jahr. Dafür spart man sich: Fotokopien, Bücher, Beamer, Computerräume.

Spannender Vorschlag, der mich zum Nachdenken anregt (siehe auch Schulrelevante Computertypen). Ich bin mir noch nicht sicher, ob es neben einem Multimedia-Tablet wirklich einen praktisch gleich grossen eReader braucht, oder ob das nur ein Übergangsphänomen ist (obowhl ich es in gewissen didaktischen Situationen auch schätze, dass der aktuelle iPad nicht wirklich multitaskingfähig ist....).

Der Artikel ist übrigens nicht nur wegen dieser technischen Überlegungen zum Schluss lesenswert! Und über den Lapsus, Tablets als Tablet-PCs zu bezeichnen (Tablets sind wirklich keine Tablet-PCs, habe ich mich mit Martin Lindner schon ausgetauscht... ,

Poster

01 December 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung, PHSZ, Schul-ICT

%STARTBLOG% Diese Woche ist das Poster "Schule in der Informationsgesellschaft" unter einer creative commons Lizenz als PDF unter http://www.schuleinderinformationsgesellschaft.ch online gestellt worden.

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Das Poster "Schule in der Informationsgesellschaft" soll dazu anregen, über die aktuelle und künftige Rolle digitaler Medien in der Schule nachzudenken. Es kann als Grundlage für die gemeinsame Diskussion in schulinternen Arbeitsgruppen und Weiterbildungen dienen. Eine Entwurfsversion des Posters wurde am Rigi-Workshop "Pädagogische Überzeugungen: Die entscheidende Hürde schulischer ICT-Integration?" vorgestellt und in der Folge diskutiert. Einige Anregungen aus diesen Diskussionen wurden für die nun publizierte Version berücksichtigt.

Als Fan von Postern als Werkzeug für Diskussionen bin ich natürlich gespannt, wie das Poster in der Praxis ankommt!

Jugendmedienkompetenzschutz?

03 November 2011 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung, Veranstaltung
Heute vor einer Woche war ich an einer gesamtschweizerischen Veranstaltung, die durch ein Begrüssungswort eines Bundesrats geadelt worden war. Aber auch eine Woche später ist mir noch nicht restlos klar, an was für einer Veranstaltung ich vor einer Woche eigentlich war. (Ein Gefühl, das Heinz Moser (Biblionetz:p00885) bereits vor der Veranstaltung beschlich.)

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Die Dachveranstaltung nannte sich 1. Schweizer Tag der Medienkompetenz, zentraler Bestandteil darin war das Nationale Fachforum Jugendmedienschutz und zwischen diesen beiden Polen (?) bewegte sich die Veranstaltung, wobei ich öfters das Gefühl bekam, dass das Schützen gegenüber dem Kompetenzen fördern und den Potenzialen digitaler Medien die Überhand hatte. Offiziell waren beispielsweise die Fachforen schön aufgeteilt zwischen fördern und schützen, das Bauchgefühl aber blieb.

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Vor allem aber hatte ich das Gefühl, der Veranstaltung fehle eine Vision oder schon nur eine positive Grundstimmung, dass sich in diesem Bereich auch Chancen auftun. Der Tag machte eher den Eindruck einer Pflichtübung auf verschiedenen Ebenen: Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen, weil es die Politik aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung verlangt.

Selbstverständlich ist eine schweizweite Koordination der entsprechenden Aktivitäten wichtig. Die vom Bundesamt für Sozialversicherungen in Auftrag gegebene Bestandesaufnahme der Informations- und Schulungsangebote im Jugendmedienschutz und zur Förderung der Medienkompetenzen PDF-Dokument hat dann aber für mich den eher zweifelhaften Beigeschmack einer wenig innovativen oder visionären Amtshandlung. Bisher wurden 561 Angebote gefunden (wissenschaftlich: n=561) und an der Tagung präsentiert, aufgeschlüsselt nach Trägerschaft und Art der Objekte. Da wurde dann festgestellt, dass 27.8% der Objekte "Broschüren/Flyer/Merkblatt/Ratgeber" sind und nur 1.1% "Kampagnen/Programme/Strategien."

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Ach ja!? Trotz der Unterschiedlichkeit der Objekte wurden dann Prozentangaben präsentiert, welcher Anteil der Objekte von welchen Urhebern stammt und für welches Zielpublikum gedacht sind. Was sagen diese Zahlen aus, wem dienen sie? Hier entsteht leider eher der Eindruck, dass ein Thema verwaltet wird, um am Ende des Bundesprogramms sagen zu können, man habe etwas gemacht (und zwar wissenschaftlich).

Die Veranstalter gingen anscheinend nicht davon aus, dass die Teilnehmenden Internet und soziale Netze würden nutzen wollen. So gab es am Veranstaltungsort kein zugängliches WLAN und ein Hashtag für Twitter war keines vorgesehen.

Gefallen hat mir eigentlich die Eröffnungsrede von Bundesrat Didier Burkhalter unter dem Titel L'èducation est la clé! (Biblionetz:t14759). Hier einige Zitate:

Die Förderung von Medienkompetenzen ist ein Lern- und Bildungsprozess. Deshalb erachten wir es als entscheidend, dass alle Partner zusammenarbeiten, die in diesem Bereich tätig sind. Dazu gehören Schulen, pädagogische Hochschulen, Fachstellen auf kantonaler und lokaler Ebene, private Vereine und Stiftungen, Polizeidienste und die Wirtschaft: Wir alle sind gefordert und wir können und sollen uns unserer Verantwortung nicht entziehen.

Der Bundesrat hat gleichzeitig klargestellt, dass die Förderung eines kompetenten Umgangs mit den Chancen und Gefahren von Medien im Vordergrund steht und nicht die Ausarbeitung neuer Verbotsregelungen; denn eine sozusagen Überbevormundung erzielt oft den gegenteiligen Effekt und bietet nur kurzfristige Lösungsansätze an.

La clé de la réussite de ce processus passe d'abord et avant tout par ce que l'on peut donner aux enfants, ce que l'on doit donner aux enfants : l'éducation. Par l'apprentissage des chances et des dangers. Par une capacité à relativiser, à remettre les informations dans leur contexte, à faire usage de son esprit critique.

Die beste Antwort ist die aktive Begleitung der Medienaktivitäten von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene. Der Schlüssel dazu ist Bildung in Verbindung mit Vertrauen und Selbstverantwortung. Diese Kombination, diese Werte sind - und bleiben - die wichtigsten Jugendschutzmassnahmen.

Das Medienecho auf die Veranstaltung war in meiner Wahrnehmung relativ gering, abgesehen von Tagesschau und 10vor10. Diese beiden Beiträge bestätigen aber meinen zu Beginn geäusserten Eindruck, dass es vor allem um das Schützen vor den Gefahren des Internets ging. Beide Beiträge drehen sich ums Thema Cybermobbing:

Tagesschau vom 27.10.2011

10vor10 vom 27.10.2011


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