- Gewisse Medien pauschalisieren, was das Redaktionssystem hergibt.
- Gewisse Kreise stellen pauschale, vermeintlich klare und einfache Forderungen auf
- Begründet werden die Forderungen mit Argumenten, die oft auf massiven Generalisierungen beruhen oder gar nicht zur Forderung passen
1. Mediale Berichterstattung
Derzeit geistert die Meldung durch die Medien, dass sich im hochdigitalisierten Dänemark irgendetwas mit der Postzustellung ändert. Hier eine Auswahl von Schlagzeilen:
- Nein, es wird nicht die Post abgeschafft. Es geht nicht um alle Postsendungen, es geht um Briefe. Pakete werden weiterhin auch von der staatlichen Post zugestellt.
- Nein, es wird nicht die Briefpost abgeschafft. Dänemark ist durch diese Massnahme nicht ohne Briefpost. Private Anbieter werden auch 2026 Briefe zustellen.
- Nein, es wird nicht die Nutzung von Social Media verboten. Das Verbot umfasst nur den Besitz eines Kontos bei den genannten Diensten. Konsumieren ja, interagieren oder kreieren nein.
- Nein, es werden nicht generell social Media Konti für Unter-16-Jährige verboten. Das Verbot betrifft vorerst nur zehn grosse Plattformen, kleinere Plattformen sind nicht davon betroffen.
2. Pauschale, scheinbar eindeutige Forderungen
"Papier in der Schule abschaffen!" klingt genau so einfach und klar wie "Handyverbot!" , "Social-Media-Verbot!" oder "KI-Verbot!" und es ist verlockend, solch einfachen Forderungen zuzustimmen. Erst bei genauerem Hinsehen merkt man, dass die Sache schon nur in der Definition des Verbots gar nicht so klar ist: Was meinte jetzt "Papier-Abschaffung" oder "Handyverbot" konkret? "Nein, nein, WC-Papier ist damit nicht gemeint!" zeigt exemplarisch, dass die meisten Forderungen so nicht wirklich umsetzbar sind. Bezüglich Handyverbot habe ich unter Was heisst eigentlich «Handyverbot»? einen Fragebogen entworfen, der aufzeigt, wie breit das Spektrum dessen ist, was man unter einem Handyverbot verstehen kann.
3. Schräge Schlüsse und Argumentationen
Es ist unsinnig, aus dem Ende der Papierbriefauslieferungen der dänischen Staatspost zu schliessen, dass man in der Schule auf Papier verzichten sollte. Ähnlich schräg wird aber oft bei politischen Vorstössen argumentiert, wenn es um digitale Medien und Kinder & Jugendliche geht. Gefühlt jeder zweite Vorstoss gegen digitale Medien in der Schule argumentiert derzeit mit: "Schweden bremst bei der Digitalisierung in der Schule, deshalb sollten wir ..." (aktuell 26 Texte unter Biblionetz:a01535) ohne genau zu überprüfen, was in Schweden genau gemacht wird und ob das irgendwas mit dem Kontext der Forderung zu tun hat. Aktuelles Beispiel: Ein Postulat der SVP im Kantonsrat von Zug
(Biblionetz:t33070):
Länder wie Dänemark, Schweden und Finnland waren Vorreiter in Sachen Digitalisierung an
Schulen. Sie sind es nun auch, welche wieder eine Kehrtwende einläuten. Denn es zeigt sich,
dass digitales Lernen wenig Vorteile hat. Abnahme der Lesekompetenzen, wie sie auch in der
Schweiz festzustellen ist, sowie die Ablenkung durch digitale Lernmittel sind die Folgen. Weiter
können sich Schüler und Schülerinnen, durch die viele Bildschirmzeit schlechter konzentrieren
und Gelesenes und Geschriebenes vom Bildschirm weniger gut merken, als wenn es auf Papier
ist.
Während man bei einer Partei davon ausgehen darf, dass Aussagen und Forderungen mitunter auch tendenziös formuliert sind, würde man bei einer Behörde mehr Objektivität und Stringenz erwarten. Diesbezüglich erstaunt deshalb die Antwort des Zuger Regierungsrats
(Biblionetz:t33071):
Medienbildung ist im Lehrplan 21 verankert. Gleichzeitig zeigt sich aus wissenschaftlicher Sicht ein differenziertes Bild, was den Einsatz digitaler Geräte in der frühen Kindheit bzw. im Zyklus 1 betrifft. Während einige Studien positive Erscheinungen im Zusammenhang mit gezieltem, qualitätsvollem Medieneinsatz im Unterricht hervorheben, weisen andere auf negative Erscheinungen hin – insbesondere bei passivem Medienkonsum ausserhalb der Schule – wie Konzentrationsstörungen, Sprachverzögerungen und eingeschränkte soziale Interaktion.
Für den Regierungsrat überwiegen die negativen Erscheinungen, weshalb er das Postulat betreffend keine digitalen Geräte im Kindergarten und in der Unterstufe (bis Ende der 2. Klasse der Primarstufe) unterstützt.
Wie bitte? Weil Studien gezeigt haben, dass primär der passive Konsum digitaler Medien ausserhalb der Schule problematisch sein kann, verbieten wir jegliche schulische Gerätenutzung und verhindern damit auch die positiven Potenziale durch aktive Nutzung digitaler Geräte in dieser Altersstufe zum Üben und individualisieren oder zur Integration fremdsprachiger Kinder?
(Dass der Regierungsrat im gleichen Dokument vorschlägt, digitale Medien ab der 3. Klasse dann aber verbindlich vorzuschreiben, damit in der 4. Klasse die digitalen Kompetenzüberprüfungen mit Mindsteps (Biblionetz:w03005) durchgeführt werden können, ist ein weiterer trauriger Aspekt: Digitale Medien werden eingeführt, damit man Kinder prüfen kann.)
Für den Regierungsrat überwiegen die negativen Erscheinungen, weshalb er das Postulat betreffend keine digitalen Geräte im Kindergarten und in der Unterstufe (bis Ende der 2. Klasse der Primarstufe) unterstützt.
