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Erfahrungen aus dem OLPC-Pilotprojekt in Peru

09 March 2008 | Beat Döbeli Honegger | OLPC
Wenn ich den OLPC demonstriere, werde ich meist gefragt, ob denn die Geräte bereits in Entwicklungsländern ausgeliefert würden. Darum hier der Hinweis auf den Weblog von Ivan Krstić, der eben von einem dreiwöchigen Peru-Aufenthalt zurückgekommen ist, wo er die Auslieferung von 40'000 XO-Rechnern an ebensoviele Kinder in 569 Schulen vorbereiten half und über die Erfahrungen im seit 8 Monaten laufenden Pilotprojekt in Arahuay mit den ersten 50 Geräten berichtet.

arahuay.jpg

Der ehemalige und die aktuelle Schulleiterin von Arahuay sehen drei Veränderungen, welche die Laptops gebracht hätten:

  1. Die Kinder von Arahuay wohnen weit verstreut und hatten bisher ausserhalb der Schule nicht viel Kontakt miteinander. Das Funknetzwerk der Laptops ermögliche ihnen nun, ausserhalb der Schule miteinander zu kommunizieren, was auch die Kommunikation und den Austausch in der Schule gefördert habe und ihnen auch die Angst vor Fremden genommen habe.
  2. Die Schulleiterin meinte, aufgrund der relativen Armut in Peru seien die Kinder eher egoistisch und nicht gewohnt, zu teilen. Die Laptops habe die Kinder gezwungen, das Wissen zur Nutzung der Geräte zu teilen und danach auch erleichtert, Texte und Fotos auszutauschen. Dies habe auch dazu geführt, dass die Kinder begonnen hätten, reale Gegenstände untereinander auszutauschen.
  3. Der ehemalige Schulleiter war zu Beginn des Projekts überzeugt, dass das Projekt scheitern würde. Die Väter der Kinder waren alles andere als glücklich über die Verteilung der Laptops, da diese die Kinder an der Mithilfe auf den elterlichen Feldern hindern würde. Er habe verzweifelt darüber nachgedacht, wie man die aufgebrachten Eltern davon abhalten könnte, den Kindern die Geräte wegzunehmen und zurück zu geben. Die Kinder hätten dieses Problem gelöst, indem sie den Eltern gezeigt hätten, wie das Internet mit Suchmaschinen zu durchsuchen ist und was sie in der Schule gelernt und gearbeitet hatten. Die Laptops ermöglichten den Eltern, Einblick in die Vorgänge in der Schule zu erhalten und so mit eigenen Augen zu sehen, dass die Kinder dort lernen. Somit kamen die Eltern zum Schluss, dass eine solche Schule die Kinder zwar von der Arbeit auf dem Feld abhalte, ihnen aber auch eine andere Zukunft ausserhalb der elterlichen Felder ermöglichen würde.

Ivan Krstić betont zum Schluss dieser Schilderungen:

I don’t write these feel-good stories, these fairy tales. It’s just how it is.

Niklaus Giger hat eine deutsche Übersetzung von Ivan Krstićs Blogeintrag erstellt und in der Mailingliste von OLPC Switzerland darauf aufmerksam gemacht: Danke!

Symposium E-Volution

03 March 2008 | Beat Döbeli Honegger | PH Solothurn, Veranstaltung
Die gestrige Veranstaltung E-Volution der PH FHNW war in mehrfacher Hinsicht interessant:

Nachdem ich seit mehreren Jahren viel Bücher von Gunter Dueck (Biblionetz:p01183) gelesen habe, hatte ich erstmals die Gelegenheit, ihn live reden zu hören. Ja, er ist der gleiche ausschweifende Geschichtenerzähler wie in seinen Büchern wink

Inhaltlich hat Dueck zuerst die These des Phasic Instincts aus seinem neuen Buch Abschied vom Homo Oeconomicus (Biblionetz:b03331) vorgestellt, gemäss derer die Wirtschaftshteorien und die Paradigmen der Menschen sich je nach Wirtschaftslage (Aufschwung oder Abschwung) zyklisch ändern und vor allem in beide Richtungen über das Ziel hinaus schiessen.

Danach hat er in groben Zügen die value memes (Biblionetz:w01428) der Spiral Dynamic-Theorie aus dem Buch Spiral Dynamics (Biblionetz:b01332) von Don Eward Beck und Christophe C. Cowan vorgestellt (das ihm Marc Pilloud vor einigen Jahren empfohlen hat) und einige Konflikte aufgezeigt, wenn Menschen verschiedener Färbung aufeinander treffen. Als Hilfe fürs Rekapitulieren hier die vorstellten value memes (Biblionetz:w01428):

Das erstaunte Publikum nahm Duecks Thesen zur Kenntnis, dass Lehrerinnen und Lehrer mehrheitlich blau oder grün seien und unsere Gesellschaft am Ende einer orangen Periode stehe. Ich bin gespannt auf Reaktionen von Teilnehmenden, die zum ersten Mal mit diesem Farbenspiel konfrontiert worden sind...

Marc Pilloud (Biblionetz:p00336) hat in seinem Referat das Metaverse (Biblionetz:w02020) und die Vision von Metaverse-Learning und deren Konsequenzen aufgezeichnet. Statt von Medienbildung müsse man bald von Metaverse-Learning sprechen und der Begriff ICT (Biblionetz:w00471) sei zugunsten von MVT (Metaverse Technology, noch nicht im Biblionetz) aufzugeben. Auch noch nicht im Biblionetz ist Marcs FREEP-Faktor:

freepfaktor.jpg

Die Veranstaltung war auch ein Ort der Abschiede: Marc Pilloud ist so überzeugt vom Metaversum als zukünftigem all-inclusive Medium, in dem alle bisherigen Medien integriert sein werden, dass er angekündigt hat, seine Webpräsenz zugunsten einer Metaversepräsenz aufzugeben:

webade.jpg

Zum Schluss der Veranstaltung wurde auch der Zusammenschluss der beiden Schul-ICT-Fachstellen der beiden Kantone Aargau und Solothurn unter dem neuen Namen imedias bekannt gegeben. Es gilt nun also, von den bisherigen Bezeichnungen BIAS und ICT-Kompetenzzentrum TOP Abschied zu nehmen.

Damit beende ich wohl auch meine "Berichterstattung" aus der Nordwestschweiz und schliesse definitiv die Kategorie , die ja bereits seit dem 1.1.2006 nicht mehr FHNW-konform war wink

P.S.: Die Videoaufzeichnungen der Referate sind auf der neuen Website imedias zu finden.

Spambot-Falle im Wiki

02 March 2008 | Beat Döbeli Honegger | Wiki
Seit mehr als fünf Jahren (September 2002) betreibe ich meinen Wiki-Server ohne Lesebeschränkungen. Jedermann kann weltweit alle Wikiseiten lesen. Diese Offenheit (Biblionetz:w01882) ist mir wichtig, denn ich bin der Meinung, dass wir bei eLearning immer noch am Anfang stehen und voneinander lernen können sollten. Learning Management Systeme, bei denen ich nicht über den Login-Screen hinaus komme, ermöglichen mir aber kein Lernen an anderen Beispielen.

Die Inhalte dieses Wikiservers sind aber meist nur für Personen interessant und relevant, die den Kontext ihrer Entstehungsgeschichte einordnen können. Wenn Schüler/innen den zweiten Weltkrieg bearbeiten, dann sind ihre Gedanken für sie selbst, die Lehrperson, ihre persönliche Umgebung und andere eLearning-Interessierte relevant, nicht aber für den Rest der Welt. Aus diesem Grund ist es nicht sinnvoll, dass die Seiten dieses Wikiservers von Suchmaschinen gefunden werden. Darum schliesse ich mit der Datei robots.txt von Anfang an alle Suchroboter aus. Die grossen Suchmaschinen wie z.B. Google halten sich an diesen Hinweis und verzichten darauf, Seiten dieses Wikiservers zu indexieren.

Nicht an diesen Hinweis halten sich hingegen Spambots, d.h. bösartige Suchroboter auf der Suche nach E-Mailadressen oder der Möglichkeit, Werbung auf einem Wiki zu deponieren. In den letzten Monaten musste ich eine Zunahme solcher Spambots feststellen, die teilweise mit der gesamten zur Verfügung stehenden Bandbreite die Inhalte dieses Wiki-Servers abgegrast haben.

Um keine Lesebeschränkungen für Besucherinnen und Besucher einführen zu müssen, musste ein anderer Schutz gefunden werden. Gestern hat nun Benedikt eine Spambot-Falle installiert, die folgendermassen funktioniert: Auf allen Wikiseiten ist ein für den Menschen unsichtbarer Link platziert. Dumme Spambots, die allen Links nachgehen, werden auch diesen Link abrufen. Dies löst jedoch eine sofortige Sperre ihrer IP-Adresse aus. Somit sollten Spambots vom Abgrasen des gesamten Wikis abgehalten werden, während normale Wikiuser nichts von dieser Massnahme bemerken sollten.

Bevor nun ein schlauer Schüler auf die Idee kommt, das Wiki seiner Schule durch den Abruf dieses verbotenen Links aus dem Schulnetz lahmzulegen und damit eine Wikistunde zu sabotieren, hier noch folgende Hinweise: Gesperrte IP-Adressen erhalten als Antwort eine Erklärungsseite mit Captcha (Biblionetz:w01616) zurück, auf der sie die Sperre durch Eingabe von nur menschenlesbaren Zahlen wieder aufheben können. Zudem kann ich einzelne IP-Adressen auch in eine Whitelist eintragen, so dass das Abrufen des verbotenen Links von dieser IP-Adresse aus wirkungslos bleibt.

Ein letzter Hinweis für Techies: Bitte die Spambotfalle nicht an meinem Wiki testen: Erstens erhalte ich jeweils ein Mail, wenn sich ein Spambot in der Falle verfängt und zweitens will ich eine unverfälschte Statistik, wie viele Spambots wir fangen konnten. Wer die Funktionsweise testen will, ist eingeladen, dies auf der Website der verwendeten Software zu tun: http://www.spider-trap.de/

Why do I blog this:
  • Naja, einerseits damit die User dieses Wikis von diesem Feature wissen. Dieser Blog dient auch als Announcement-Board für das Gesamtwiki.
  • Andererseits, weil diese Massnahme ein schönes Beispiel für soft security (Biblionetz:w01915), die zeigt, dass man mit dem notwendigen technischen Know-how nicht nur die Wahl zwischen sicher und brauchbar hat, sondern dass differenzierte Lösungen möglich sind.

Blackboard-Patentstreit

02 March 2008 | Beat Döbeli Honegger | RechtUndInformatik, Schul-ICT
Während an den morgigen Berner Telematiktagen das Learning Management System Blackboard (Biblionetz:w01598) als state of the art learning management system präsentiert werden wird, urteilt die Edu-Blogosphäre derzeit deutlich negativer. Der Grund ist ein laufender Patentstreit:

Die Firma Blackboard hat im Januar 1996 das US-Patent Patent 6,988,138 PDF-Dokument über "Internet-based education support system and methods" zugesprochen erhalten, das Verfahren zur webbasierten Ankündigung, Studierendenzuteilung, Informationanzeige und Noteneinsicht von Lehrveranstaltungen beschreibt. Bereits ein halbes Jahr später hat die Firma Blackboard Klage PDF-Dokument gegen die Firma Desire2Learn wegen Verletzung eben dieses Patents erhoben.

Darauf hin ging ein erster Sturm der Entrüstung los, weil viele das Patent von Blackboard als Trivialpatent bezeichneten. Die Beschreibung sei so allgemein gehalten, dass sich mit diesem Patent prakisch sämtliche derzeitigen Learning Management Systeme der Patentverletzung schuldig machen würden. Davon betroffen wären nicht nur kommerzielle Learning Management Systeme, sondern auch Open-Source-Produkte wie Moodle, Ilias oder Sakai.

Aus diesem Grund wurde in der Folge versucht, die Gültigkeit des Patents anzufechten, indem gezeigt werden soll, dass Blackboard nicht die ersten waren, welche die in der Patentschrift verwendeten Verfahren angewendet haben. Entsprechende Dokumentationen sind in der englischsprachigen Wikipedia und auf der Website von Moodle zu finden. Am 25.Januar 2007 wurde die Aufforderung ans US-Patentamt gutgeheissen, die Gültigkeit des Blackboard-Patents aufgrund der neuen Beweislage ("prior art") neu zu prüfen. Das Ergebnis dieser Gültigkeitsprüfung steht noch aus.

blackboard-boykott.jpg

Ausgelöst durch diesen Patentstreit enstanden auch mehrere Protestbewegung, einerseits konkret gegen die Firma Blackboard unter http://www.boycottblackboard.org/ und andererseits generell gegen Patente im Bildungswesen.

Im Februar 2007 versuchte die Firma Blackboard die Wogen zu glätten, indem sie versicherte, ihre Patente nicht gegen Open Source LMS einzusetzen:

Blackboard hereby commits not to assert any of the U.S. patents listed below, as well as all counterparts of these patents issued in other countries, against the development, use or distribution of Open Source Software or Home-Grown Systems to the extent that such Open Source Software and Home-Grown Systems are not Bundled with proprietary software.

Den Rechtsstreit mit der Firma Desire2Learn hingegen wurde aufrecht erhalten. Am 22. Februar 2008 hat nun ein texanisches Gericht entschieden, dass die Firma Desire2Learn tatsächlich das Patent der Firma Blackboard verletze, was den jüngsten Entrüstungssturm ausgelöst hat (z.B. bei slashdot).

Der endgültige Ausgang dieses Patentstreits ist noch nicht absehbar, da das Ergebnis der Gültigkeitsprüfung noch länger auf sich warten lassen dürfte.

Why do I blog this: Die ganze Geschichte ist aus zwei Gründen interessant:
  • Einerseits wird spannend zu beobachten sein, wie dieser Rechtsstreit die LMS-Szene beeinflusst, ob z.B. dadurch Open-Source-LMS Aufwind erhalten.
  • Andererseits zeigt dieser Patentstreit deutlich, welche Folgen die Patentierbarkeit von Software haben kann. Dies könnte die Diskussion um Softwarepatente in Europa beeinflussen (siehe auch http://www.nosoftwarepatents.com).

Siehe auch:

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