Briobahn und Informatik

Gestern hat Caspar zum ersten Mal einen Beitrag zu einer Weiterbildungsveranstaltung geliefert, indem er im passenden Moment "Lugg Papa, Tunnel!" rief.

Doch von Anfang an: Vor einigen Monaten habe ich meine alte Holzeisenbahn vom Dachboden geholt, mit der ich vor mehr als dreissig Jahren schon gespielt hatte. Caspar freute sich, auch wenn mit den Füssen meist die Brücke niederriss, bevor er mit dem Zug die Strecke zum ersten Mal ganz befahren hatte.

Doch es kam, wie es kommen musste und man allgemein ahnt. Meine Ansprüche bezüglich Holzeisenbahn sind in den letzten dreissig Jahren offensichtlich gestiegen und so habe ich unter dem Vorwand frühkindlicher Förderung im Internet nach einer Erweiterung des Schienenetzes Ausschau gehalten. Dank Internetauktionen besteht es unterdessen aus ca. 150 Schienenstücken, darunter mindestens vier Brücken und zehn Weichen:

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Nun macht das Aufbauen neuer Schienennetze auch mir (oder nur noch mir?) Spass. Denn es ist gar nicht so einfach, eine Anlage aufzubauen, bei der die Züge nicht nach kurzer Fahr in einer kleinen Schlaufe des Gesamtnetzes gefangen bleiben, will man nicht Caspars Zugflugmanöver verwenden.

"Briobahnanlagen tendieren dazu, Eigenwerte zu besitzen" (Biblionetz:w00012) denke ich mir dann jeweils frühmorgens, wenn Caspar topfitt, ich aber noch immer müde bin. Eigentlich ein spannendes topologisches Problem, denkt sich der müde Informatiker, bis ihn Caspar mit einem "Spille Pappa, nöd schlafe" wieder aus seinen Gedanken weckt.

Nicht nur beim frühmorgendlichen Casperlispielen, sondern auch bei der seriösen Arbeit sind Briobahnen derzeit ein aktuelles Thema. Für iLearnIT.ch sind wir am Erstellen des Moduls zum Thema Nebenläufigkeit / Concurrency (Wikipedia:Concurrency). Ausser Informatikern kann sich wohl unter diesen Begriffen kaum jemand etwas vorstellen, doch sind parallele Prozesse wesentlicher Bestandteil heutiger Informatiksysteme und Informatiker müssen sich mit entsprechenden Problemen wie z.B. die Gefahr von deadlocks (Biblionetz:w02082) und lifelocks herumschlagen.

So, da hätten wir's wieder mal: Die Informatiker schlagen sich mit Problemen herum, von denen normale Menschen keine Ahnung haben. Dem ist aber nicht so, und das lässt sich mit Holzeisenbahnschienen auch Primarschulkindern ganz ohne Technik und Fremdworte erklären:

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Eine Schienenkreuzung stellt ein Problem dar. Zwei Züge können gleichzeitig versuchen, die Kreuzung (Fremdwort: critical section ) zu befahren. Hier müssen Lösungen gesucht werden, damit es dabei zu keinem Unfall kommt. Eine Möglichkeit besteht darin, Signale aufzustellen.

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Tja, aber Signale alleine nützen noch nichts, es braucht Regeln, nach denen die Signale den Zügen die Durchfahrt erlauben oder verbieten. Usw., usf.

So, damit hätte ich einen Einstieg ins Thema Parallele Prozesse auf Primarschulniveau ohne Computer verwendet zu haben. Ich kann sogar entsprechende Aufgaben stellen, so dass die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes, die Probleme be-greifen (Fremdwort: enaktiv, Biblionetz:w01892) können.

Hmm, und was hat das jetzt mit Caspars "Lugg Papa, Tunnel!" zu tun? Tja, ich habe meine Briobahngedanken Jacqueline und Vincent erzählt und die beiden haben das für ihre Weiterbildungs-Tagung zum Ergänzungsfach Informatik als enaktive Auflockerung übernehmen wollen. Mit Caspars Einwilligung (?) habe ich deshalb die 150 Streckenteile vor meiner Abreise nach Krems in einen Koffer gepackt und ausgeliehen.

Als ich am Samstag den Koffer wieder abholen wollte, meinte Vincent, sie seien leider noch nicht dazu gekommen, den Briobahn-Input zu machen, ob ich nicht spontan selbst was dazu erzählen könne. Kann ich und mach ich doch gerne, wenn ich mich nicht vorbereiten muss wink

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So kam es, dass ich am vergangenen Samstag unerwarteterweise einen Kurzinput zu iLearnIT.ch und der Bedeutung von Holzeisenbahnen für die Vermittlung von fundamentalen Ideen der Informatik (Biblionetz:w01098) lieferte, während Caspar, den ich zum Abholen des Koffers mitgenommen hatte, seelenruhig seine Briobahn aufzubauen begann. Exakt als ich die Frage stellte, ob es denn Alternativen zum Aufstellen von Signalen an einer Kreuzung gebe, meinte er: "Lugg Papa, Tunnel!"

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Ich hatte zwar an eine Brücke gedacht, doch auch mit einem Tunnel, welcher die andere Schiene unterquert, lässt sich eine critial section elegant vermeiden. Recht hat er.


 
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