17 January 2020 -
Version 2
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Weil die Aussage immer mal wieder in den Medien auftaucht, aber dadurch nicht wahrer wird und ich es leid bin, jedes Mal das Gegenteil zu erklären, möchte ich es hier ein für alle Mal dokumentieren:
Bereits die 2013 veröffentlichte Konsultationsversion des Lehrplans 21 enthielt Informatikkompetenzen.
Worum geht es?
Juraj Hromkovic (
Biblionetz:p03989) hat in den vergangenen Monaten in Interviews öfters zu Protokoll gegeben, in der 2013 veröffentlichten Entwurfsfassung des Lehrplans 21 sei das Wort
Informatik nicht vorgekommen. Erst nachdem er in der zweiten Phase der Lehrplanentwicklung mitwirken konnte, sei Informatik in den Lehrplan gekommen.
Im Interview vom 9.01.2020 klingt das z.B. so:
Anfangs kam das Wort «Informatik» im Lehrplan 21 nicht mal vor. Im letzten Augenblick, eineinhalb Jahre vor dem Abschluss des Lehrplans 21, hat man der ETH noch erlaubt, sich zu beteiligen, und uns ermöglicht, ein Modul «Informatik» reinzubringen. Leider nicht separat, aber im Rahmen des Faches «Medien und Informatik».
Quelle: (
Biblionetz:t25867)
Die Aussage, dass das Wort "Informatik" in der Konsultations-/Entwurfsfassung von 2013 nicht vorkomme, ist sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn falsch.
Die Entwurfsfassung des Lehrplans 21 war im Jahr 2013 zur öffentlichen Konsultation unter
http://konsultation.lehrplan.ch/ abrufbar und enthielt ein Kapitel
ICT und Medien (
Biblionetz:t15600). Leider ist sie heute nicht mehr offiziell verfügbar. Das Kapitel
ICT und Medien kann aber z.B.
hier herunter geladen werden.
Eine kurze Volltextsuche ergibt, dass der Begriff
Informatik in diesem Kapitel zwei Mal vorkommt:
Dieses wörtliche Vorkommen ist aber in der Tat Wortklauberei. Viel relevanter ist die Tatsache, dass die grosse Mehrheit der in der Schlussfassung des Lehrplans 21 vorkommenden Kompetenzbeschreibungen für das Themengebiet Informatik bereits in der Entwurfsfassung vorkommen.
In der damaligen Struktur hiess ein Kompetenzbereich
ICT/M.1 Kennen und Einordnen von Medien und enthielt sechs Unterkapitel. Drei davon (also die Hälfte) sind eindeutig dem Informatikbereich zuzuordnen:
- Die Schülerinnen und Schüler können einfache Datenstrukturen und ihre Darstellungsformen verstehen und verwenden.
- Die Schülerinnen und Schüler können Algorithmen darstellen, als Programm umsetzen sowie deren Ergebnisse interpretieren und überprüfen.
- Die Schülerinnen und Schüler verstehen Aufbau und Funktionsweise von informationsverabeitenden Systemen.
Quelle: Kapitel
ICT und Medien, Entwurfsfassung Lehrplan 21 (2013) (
Biblionetz:t15600)
Liest man die nun geltende Schlussfassung des Lehrplans 21, so lauten im Kapitel
Medien und Informatik (
Biblionetz:t17600) die Überschriften des Kompetenzaufbaus Informatik
- Die Schülerinnen und Schüler können Daten aus ihrer Umwelt darstellen, strukturieren und auswerten.
- Die Schülerinnen und Schüler können einfache Problemstellungen analysieren, mögliche Lösungsverfahren beschreiben und in Programmen umsetzen.
- Die Schülerinnen und Schüler verstehen Aufbau und Funktionsweise von informationsverarbeitenden Systemen und können Konzepte der sicheren Datenverarbeitung anwenden.
Quelle: Kapitel
Medien und Informatik, Schlussfassung Lehrplan 21 (2015) (
Biblionetz:t17600)
Sprachlich anders formuliert, inhaltlich praktisch identisch. Es sind die drei Bereiche
Daten,
Algorithmen,
Informatiksysteme.
Wer es detailliert wissen möchte, hier die drei Abschnitte wortwörtlich aus dem Lehrplanentwurf von 2013:
Zum Schluss eine noch detailliertere Analyse: Alle Kompetenzbeschreibungen des
Kompetenzbereichs Informatik aus der Schlussversion von 2019 in der linken Spalte und
jeweils die entsprechenden Formulierungen in der rechten Spalte:
Im Unterbereich
Datenstrukturen haben 7 von 10 Kompetenzbeschreibungen der
Schlussversion eine Entsprechung in der Entwurfsversion, in einem Fall
(relationale Datenbanken) war die Entwurfsversion sogar umfangreicher als
die Schlussversion. Neu hinzugekommen ist in diesem Unterbereich das "Ordnen von
Objekten nach selbstgewählten Eigenschaften" im Zyklus 1 und das Erfinden von eigenen
Programmiersprachen. Dafür ist das "Erkennen von Elementen formaler Sprachen" verloren
gegangen (eine Vorläuferfertigkeit für reguläre Ausdrücke).
Im Unterbereich
Algorithmen haben 6 von 8 Kompetenzbeschreibungen der
Schlussversion eine Entsprechung in der Entwurfsversion, in einem Fall
(technische und ethische Grenzen der Automatisierung) ist die Kompetenz
in der Entwurfsversion später, aber dafür umfangreicher formuliert). In der
Entwurfsversion fehlt die Kompetenzbeschreibung zu Beginn des Zyklus 2, dass Schülerinnen
und Schüler verschiedene Lösungswese finden, prüfen und vergleichen können.
Im Unterbereich
Informatiksysteme sind schliesslich 12 von 13
Kompetenzbeschreibungen praktisch identisch. Sowohl bei der Entwurfsversion als auch
bei der Schlussversion ist je eine Kompetenzbeschreibung nicht vorhanden.
Fazit
Anhand der gemachten Vergleiche ist die Aussage, in der Entwurfsversion sei Informatik nicht enthalten gewesen, definitiv nicht korrekt.
Was hingegen stimmt: Der Begriff Informatik hat durch die Aufnahme in den Titel
an Bedeutung gewonnen und die Struktur der Schlussversion macht die
Kompetenzbeschreibungen der Informatik massiv deutlicher sichtbar.
Aber inhaltlich war alles bereits in der Entwurfsversion vorhanden.
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07 December 2019 -
Version 1
In einem Gastkommentar für die Welt formuliert
Klaus Zierer (
Biblionetz:p13834) am 7.12.19 unter dem Titel
Programmieren ist nichts für die Grundschule (
Biblionetz:t25784) vier Argumente:
- Programmieren ist nicht wichtig zum Verständnis der heutigen Welt
"Wir Menschen müssen nicht programmieren können, um zu verstehen, wie ein Computer funktioniert."
- Andere Kompetenzen sind wichtiger als das Programmieren (logisches Denken, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Umgang mit Fehlern)
"Zweitens arbeiten Befürworter des Programmierens gerne mit der Angst: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Die Biografien erfolgreicher Programmierer widerlegen das: logisches Denken, Kreativität, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, Selbstbeherrschung und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern und zwar jenseits von 0 und 1! sind entscheidend."
- Programmieren verstärkt die Verkopfung der Schule
"die Debatte über das Programmieren zu einer weiteren Verkopfung von Schule und damit zu einer Reduzierung von Bildung auf das Kognitive."
- Programmieren wird von Befürwortern nur aus ökonomischen Gründen gefordert und das ist problematisch
"Viertens ist das Hauptargument der Befürworter des Programmierens ein ökonomisches: Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren an eine Milliarde Chinesen, die in einem Land mit der höchsten Selbstmordrate im Primarbereich und einer der höchsten Burn-out-Raten im Tertiärbereich leben? Wohl kaum."
Es ist vermutlich nicht überraschend, dass ich mit keinem der vier Argumente einverstanden bin. Noch schlimmer: Über Argument 1 lässt sich streiten, die Argumente 2-4 sind für mich unseriöse, rhetorische Strohmänner.
Die Lebenswelt von heutigen Grundschülerinnen und Grundschülern ist heute stark geprägt von Informatiksystemen, angefangen von Smartphones, Staubsaugerrobotern über Sprachassistenten wie Siri und Alexa bis zu Lernapps, Empfehlungsalgorithmen bei Youtube und computergesteuerten Avataren in Computerspielen. Genau so, wie Kinder verstehen wollen und sollen, warum gewisse Dinge im Wasser schwimmen und andere sinken, wie eine Kläranlage und eine Bäckerei funktioniert, so wollen und sollen Kinder auch wissen, wie Informatiksysteme um sie herum funktionieren. Programmieren ist eine aktive Tätigkeit, mit der Kinder bereits im Grundschulalter gewisse Konzepte von Informatiksystemen erkennen können und dies mit viel Spass auch tun.
2. Programmieren ist eine Möglichkeit, um wichtige Kompetenzen des 21. Jhds zu fördern
Geschieht dies mit Hilfe von entsprechenden Robotern, so passiert Programmieren auch nicht primär am Bildschirm, sondern enaktiv in der physischen Welt. Es gibt genügend gut dokumentierte und frei verfügbare Unterrichtsbeispiele für Informatik und Programmieren in der Grundschule die belegen, dass Programmieren neben logischem Denken auch
"Kreativität, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, Selbstbeherrschung und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern" fördern - also genau das, was Zierer in seinem Gastkommentar als wichtig bezeichnet, aber dem Programmieren in der Grundschule abspricht!
(Ebenfalls strohmannartig muten Zierers Annahmen an, zu Lasten welcher Inhalte denn Programmieren in der Grundschule eingeführt werden würde. Würde Programmieren beispielsweise als Teil der Mathematik verstanden, würde sich an der kognitiven Schwere des Grundschulunterrichts nicht viel ändern: Programmieren könnte aber ganz im Sinne von
Seymour Papert (
Biblionetz:p00192) ein motivierendes und lernförderliches Instrument eines modernen Mathematikunterrichts bereits in der Grundschule sein. Paperts
Konstruktionismus (
Biblionetz:w00561) besagt im Wesentlichen: Begriffen habe ich ein Konzept, wenn ich es selbst konstruieren, oder einem Computer beibringen kann).
3. Programmieren muss in der Grundschule keineswegs überaus kopflastig sein
Hier sehe ich ein Hauptproblem in Zierers Argumentationsweise: Er malt - absichtlich oder unabsichtlich - ein seltsames Zerrbild des Programmierens in der Grundschule. Niemand fordert unter dem Stichwort "Programmieren in der Grundschule" ernsthaft das dröge, kopflastige Auswendiglernen und Anwenden von Befehlen einer Programmiersprache. Die bereits erwähnten Roboter aber auch
computer science unplugged -Aktivitäten (
Biblionetz:w02379) und Entwicklungsprojekte erlauben einen Grundschulunterricht, der auch beim Programmieren Kopf, Hand und Herz integriert.
4. Fachkräftemangel ist keine ernsthafte Begründung für Programmieren in der Grundschule
Zierers Griff zu argumentativen Strohmännern geht aber noch weiter: Bei zwei Argumenten unterstellt er imaginären Befürwortern, sie würden mit der Angst der Zuhörenden arbeiten oder aus ökonomischen Gründen Zustände wie in China anstreben. Ich kenne aber keine ernsthafte Expertinnen oder Experten, die aus ökonomischen Gründen Programmieren bereits in der Grundschule fordern würden. Aufgabe der Grundschule ist die Allgemeinbildung und programmiert zu haben (nicht zwingend programmieren zu können) ist im 21. Jahrhundert ein notwendiger Teil der Allgemeinbildung.
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09 November 2019 -
Version 1
Liebe SBB, ÖBB und DB,
ich reise oft und gerne mit euch. Darum habe auch eine Bitte an euch drei: Bitte rauft euch zusammen und klärt etwas, damit für mich als Kunden von euch das Reisen (noch) angenehmer wird.
Worum geht es?
Ich hatte für gestern Abend (8.11.2019) ein Einzelabteil mit Dusche und WC im Nachtzug von Berlin nach Zürich gebucht und wollte vor der Abfahrt in der DB-Lounge noch etwas arbeiten. Leider ist mir aber der Zutritt zur DB-Lounge verwehrt worden. Der Grund dafür ist mir immer noch nicht so ganz klar, ich habe vor Ort und im Internet verschiedene Antworten gefunden:
- Die Zutrittsberechtigung ist nicht gegeben, weil das Ticket bei der SBB gekauft worden ist.
- Die Zutrittsberechtigung ist nicht gegeben, weil der Nachtzug durch die österreichischen Bundesbahnen betrieben wird.
- Nachtzugtickets berechtigen nicht zur Nutzung der DB-Lounge.
(Im Internet findet man auch Auskünfte von DB-Mitarbeitenden, dass der Zugang mit meinen Tickets erlaubt gewesen wäre).
Leider erwähnen die
aktuellen Nutzungsbedingungen der DB-Lounge Nachtzüge nicht, weder als zugelassene noch als ausgenommene Zugkategorie:
Diese Situation ist für mich unbefriedigend. Ich habe darum zwei Bitten:
Bitte 1: Liebe DB, klärt die Zugangsberechtigung für Nachtzüge in den Nutzungsbedingungen
Es wäre sehr hilfreich, wenn in den Nutzungsbedingungen auch die Nachtzüge explizit erwähnt würden. Das würde die Sache - egal wie - klären und ich müsste mich als Kunde nicht im Internet auf die Sache nach (widersprüchlichen) Antworten eurer Kundenberater machen. (Zu dieser Klärung gehört auch, dass die Platzkategorie bei der ÖBB "Deluxe" heisst (was auf 1. Klasse hindeutet), dies aber auf dem Ticket der SBB als "Grande" bezeichnet wird (auf der Quittung aber wiederum "Deluxe" steht).
Bitte 2: Liebe ÖBB, SBB und DB, rauft euch zusammen
Via Twitter habe ich von der DB im Laufe der Diskussion folgende Antwort erhalten:
Für mich ist das nicht sehr kundenfreundlich: Ich habe bei A eine Leistung von B gebucht, die zum Teil im Bahnhof von C stattfand. So wie ich davon ausgehe, dass ich im Bahnhof von C den Bahnsteig und die Toiletten nutzen darf, bin ich auch davon ausgegangen, dass ich als Käufer eines entsprechenden Tickets die Lounge von C nutzen darf.
Ich vermute ja stark, dass das Unternehmen A (=SBB) dem Unternehmen B (=ÖBB) etwas bezahlt und B wiederum C (=DB) einen Teil meines Geldes für die Nutzung von Schienen, Bahnsteig etc. bezahlen muss. Wie dies geregelt wird und dass A, B und C als Konzerne wiederum in unterschiedliche Konzernbereiche unterteilt sind, sollte mich doch als Kunden nicht kümmern müssen.
Wenn ich ein internationales Bahnticket kaufe, dann hoffe ich doch, dass die beteiligten Unternehmen zusammenarbeiten und ich mich nicht um die Details dieser Zusammenarbeit kümmern muss.
Bitte 3: Liebe Politik, macht es den Bahnfahrern doch auch beim Nachtzug möglichst angenehm
Eine dritte Bitte habe ich an die Politik: Angesicht der Klimadiskussion wäre es doch wünschenswert, das Zugfahren gegenüber dem Fliegen zu fördern. In diesem Sinne wäre es doch sinnvoll, dass nicht nur Reisende 1. Klasse mit Tagestickets die Lounges nutzen können, sondern auch Reisende mit Nachtzugtickets.
P.S.: Die Reise im Nachtzug selbst hat mich einmal mehr völlig zufriedengestellt!
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03 October 2019 -
Version 1
Ja, ich habe es eingesehen! Die mobilen Seiten meines Biblionetzes sind langsam untragbar geworden. Was bei der Einführung (ca 2013 noch einigermassen modern war, ist 2019 hoffnungslos veraltet:
Alte Biblionetz light-Darstellung
Von ca. 2013 bis Ende September 2019 hat der Webserver des Biblionetzes mobilen Geräten andere Seiten ausgeliefert als Notebooks und Desktops. Dieses
"Biblionetz light" beruhte auf
jQuery mobile und versuchte, nur diejenigen Inhalte auf mobilen Geräten darzustellen, die dort auch vernünftg konsumierbar waren.
Ich bin nun jedoch davon abgekommen und habe das
Biblionetz light beerdigt, primär aus zwei Gründen:
- Bei immer mehr unterschiedlichen Displaygrössen war eine binäre Einteilung in mobil/desktop je länger, desto unsinniger
- Der Aufwand, zwei komplett unterschiedliche Screen-Ausgaben zu betreiben wurde immer mühsamer
Ich habe nun deshalb versucht, das Layout von Biblionetzseiten responsive zu gestalten. Das klappt mangels zeitlichen Ressourcen zwar noch nicht überall perfekt, aber es ist doch wieder ein Schritt vorwärts.
Responsive-Ansicht auf einem Smartphone
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25 September 2019 -
Version 2
Vor etwa dreieinhalb Jahren haben wir auf Schloss Dagstuhl überlegt, wie man Entscheidungsträgern im Bildungswesen möglichst einfach erklären könnte, was Schülerinnen und Schüler
über Digitales wissen müsste und warum das verbindlich in der Schule vermittelt werden sollte.
Herausgekommen ist die Erklärung
Bildung in der digitalen vernetzten Welt (
Biblionetz:t18567) mit einer prägnanten Darstellung der drei Perspektiven auf digitale Phänomene:
Die Entwicklungsgeschichte dieses sogenannten
Dagstuhl-Dreiecks (
Biblionetz:w02886) habe ich damals ebenfalls in diesem Blog beschrieben unter dem Titel
Dagstuhl-Dreieck: "Speak with one voice" reloaded.
In den letzten drei Jahren hat das Dagstuhl-Dreieck eine aus meiner Sicht überraschend erfreuliche Verbreitung erlebt. Es wurde nicht nur im deutschsprachigen Raum rezipiert, sondern ist auch in der französischsprachigen Schweiz auf fruchtbaren Boden gestossen und ist unterdessen auch auf englisch verfügbar und weiterverbreitet worden.
Die Lehrmittelreihe connected des Zürcherlehrmittelverlags hat das Dagstuhl-Dreieck als leitendes Modell übernommen und das Lehrmittel entsprechend strukturiert:
Natürlich ist das Dagstuhl-Dreieck nicht kritiklos geblieben. Neben Fundamental-Opposition von beiden Polen gab es auch moderatere Kritik zur Weiterentwicklung des Modells. Sowohl von Inforamtik- als auch von Medienbildungsseite wurde kritisiert, dass aus dem Dagstuhl-Dreieck nicht deutlich werde, dass es doch (auch) um eine Gestaltung der digitalen Welt gehe. Für mich persönlich war dies zwar implizit immer klar, kam aber tatsächlich durch die drei kurzen Fragen
Wie funktioniert das? Wie wirkt das? und
Wie nutze ich das? nicht explizit.
Im Sommer 2019 liegen nun zwei weitere Dreiecke vor, die als Weiterentwicklungen des Dagstuhl-Dreiecks betrachtet werden können oder sich selbst so bezeichnen (jaja, nicht die Dreiecke bezeichnen sich selbst so, sondern die Macherinnen und Macher der Dreiecke…).
So hat eine Gruppe von InformatikerInnen und MedienwissenschaftlerInnen in mehreren Überarbeitungsrunden das
Frankfurt-Dreieck (
Biblionetz:w03077) entwickelt und einen entsprechenden
Text (
Biblionetz:t25408) publiziert. Die Autorinnen und Autoren erklären darin:
Das Frankfurt-Dreieck ist eine Erweiterung und Fortschreibung des in der
Dagstuhl-Erklärung enthaltenen Dagstuhl-Dreiecks und richtet sich in Ergänzung dazu nun
in erster Linie an Forscher*innen und andere Personen, die sich primär reflexiv und
theoretisch mit Bildung im Kontext des digitalen Wandels beschäftigen. Das Papier will die
aus verschiedenen Disziplinen an die Gruppe der Autorinnen und Autoren herangetragenen
konzeptionellen Lücken beispielsweise zur Gestaltung von Informatiksystemen oder zur
Einordnung und Rolle des Individuums als handelndes und medial adressiertes Subjekt
schließen. Entsprechend gelten die politischen Forderungen der Dagstuhl-Erklärung (2016)
weiterhin, werden konzeptionell ergänzt und auf außerschulische Bildungskontexte erweitert.
Dass sich das Dreieck eher an
"Forscher*innen und andere Personen, die sich primär reflexiv und theoretisch mit Bildung im Kontext des digitalen Wandels beschäftigen" merkt man meiner Ansicht nach der Darstellung an, sie ist wortreicher und für Praktiker*innen schwieriger zu verstehen geworden:
Neben dieser stärkeren Fokussierung auf Theorie und Reflexion hat aus meiner Sicht aber auch eine Verschiebung der drei Perspektiven stattgefunden. Ich habe die
Anwendungsperspektive immer als sehr pragmatisch auf konkrete Nutzung ausgerichtet verstanden: Was muss ich konkret wissen und können, um derzeit verfügbare Hard- und Software einigermassen kompetent nutzen zu können. In der nun
Interaktionsperspektive genannten dritten Perspektive des Frankfurter Dreiecks wird zusätzlich die
Subjektivierung betont:
Aus der Interaktionsperspektive betrachtet, interessiert, welches Menschenbild durch diese Formen möglicher Selbstthematisierung
konstituiert wird. Zweitens wird abstrakter auch die Frage gestellt, wie und vor dem Hintergrund welcher kulturellen Einschreibungen Subjekte in den jeweiligen Medien repräsentiert und adressiert sind, beispielsweise in Form von Interessenprofilen in Empfehlungs- und Filtersystemen oder auf Ebene von Interfaces und Interaktionsmöglichkeiten. Drittens sind beispielsweise im Angesicht von Data Analytics und Künstlicher Intelligenz traditionell auf Subjekte bezogene Konzepte wie Autonomie und Authentizität auch auf technologisch-medialer Ebene in den Blick zu nehmen.
In meiner Wahrnehmung würden diese Aspekte zur
gesellschaftlich-kulturellen Perspektive gehören und durchaus mit der Frage
Wie wirkt das? mitgemeint sein können. Für mich ist beim Dagstuhl-Dreieck ist relevant, dass die Anwendungsperpektive salopp und ungenau formuliert so das
ECDL-Wissen umfasst und ich EntscheidungsrägerInnen somit relativ rasch und einfach anhand der anderen beiden Perspektiven aufzeigen kann, dass es eben
mehr braucht als nur Anwendungskompetenzen. Mit der Umwandlung der Anwendungsperspektive in die Interaktionsperspektive verliere ich beim Frankfurter Dreieck diese einfache Erklärungsmöglichkeit.
Für meinen pragmatischen Bedarf in der Bildungspolitik ist somit das Frankfurter Dreieck nicht sehr hilfreich, weil es sich nicht dafür eignet, in einem
elevator pitch einem Journalisten oder einer Entscheidungsträgerin die wesentlichen Aspekte eines Wissens
_über digitale Phänomene zu erklären. Auch in der Aus- und Weiterbildung werde ich weiterhin das einfacher zugängliche Dagstuhl-Dreieck verwenden.
Ein andere Weiterentwicklung des Dagstuhl-Dreiecks ist in der
Charta Digitale Bildung (
https://charta-digitale-bildung.de/,
Biblionetz:t20900) zu finden und geht in die andere Richtung. Die gesamte Charta hat bequem auf einer A4-Seite Platz:
Die Grafik, stellt nun das Gestalten in den Mittelpunkt, was mir sehr gefällt (und hoffentlich auch andere glücklich macht):
Wermutstropfen für mich: Der
Doppelpfeil, der für mich (oder auch für Petra Grell, siehe
ihre Keynote an der GMW 2019 in der Minute 28) schön symboliserte, dass es sich bei der Frage
Wie wirkt das? nicht um eine Einbahnstrasse handelt, sondern die Frage eigentlich korrekter
Wie wechselwirkt das? heissen müsste, wurde durch ikonisierte Menschen ersetzt.
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