eZürich

Diskutieren über die Informationsgesellschaft kann man nicht nur morgen in Bern bei der TA Swiss, sondern auch heute abend im Zürcher Technopark, wo das Projekt eZürich startet.

Der Zürcher Stadtrat hat als einen von vier Legislaturschwerpunkt die Förderung der Informatik in der Stadt Zürich proklamiert, unter anderem um die Abhängigkeit Zürichs vom Banken- und Versicherungssektor zu reduzieren, wie der Tages Anzeiger Ende September berichtete (Biblionetz:t12309):

Wie stark die Abhängigkeit der Stadt vom Finanzplatz ist, hat sich am Dienstag bei der Präsentation des städtischen Budgets gezeigt. Finanzvorstand Martin Vollenwyder (FDP) rechnet 2011 mit einem Defizit von 206 Millionen Franken. Hauptgrund: Die tiefen Steuererträge von den Grossbanken.

Gestern Mittwoch hat Vollenwyder bekannt gegeben, wie er das Klumpenrisiko vermindern will: mit «eZürich». Unter diesem Begriff fasst der Stadtrat das Internet, damit verbundene Technologien, Firmen und Ideen zusammen. Zürich habe in diesem Bereich bereits heute eine Sonderstellung, sagte Vollenwyder. Ein Viertel aller Schweizer Informationstechnologie-Firmen sind im Kanton Zürich ansässig. Und ETH, Uni und Fachhochschulen geniessen international einen hervorragenden Ruf als Forschungsinstitute und Ausbilder.

Das will der Stadtrat ausnützen: Zürich soll in den nächsten vier Jahren zum Top-Standort für IT-Unternehmen werden. Gesundheitsvorsteherin Claudia Nielsen (SP) träumt von einem europäische Pendant zum Silicon Valley. Die Technologie müsse auch der Bevölkerung zugute kommen. Der Stadtrat will den sogenannten digitalen Graben überwinden. Menschen, welche die modernen Technologien nicht oder nur selten nutzen – ältere Personen, aber auch Mädchen – sollen ihre Berührungsängste abbauen und «Medienkompetenz» erlangen, damit sie aktiv am digitalen Leben teilnehmen können und wichtige Informationen erhalten.

Mein erstes Gefühl beim Lesen des entsprechenden Artikels im Tages Anzeigers war positiv. Selbst wenn es nur Marketing sein sollte: Immerhin.

Marketing-Effekt für die Stadt Zürich

Mit welcher Branche assoziiert man Basel? Mit der Chemie. Mit welcher Branche assoziiert man Zürich? Mit den Banken. Somit scheint mir die Sache mal für das Image der Stadt Zürich nicht schlecht zu sein, wenn man nicht nur als Bankenstandort, sondern als europäisches Silicon Valley wahrgenommen wird. Hier bietet sich die Google-Niederlassung und die Disney Research Labs in Zürich an (das einzige Disney Research Lab ausserhalb der USA) und mit Einschränkungen auch das IBM Forschungslabor in Rüschlikon. Daneben haben es aber auch zahlreiche Startups in die Medien geschafft (Doodle, Wuala, …), so dass sich marketingmässig Zürich durchaus als IT-Stadt verkaufen lässt.

Marketing-Effekt für die IT-Branche

Umgekehrt scheint mir auch die IT-Branche von einem solchen Label zu profitieren. Ein Problem der IT-Branche in der Schweiz (und anderswo) ist ja, dass sie zwar recht gross ist, jedoch von der Öffentlichkeit kaum als solche wahrgenommen wird. Die Banken verstehen sich z.B. als Finanzinstitute, obwohl heutiges Banking einen sehr grossen IT-Anteil hat. Somit ist es begrüssenswert, wenn die grösste Schweizer Stadt sich als IT-Stadt bezeichnen und diese Branche fördern bzw. unterstützen will.

Was kann die Stadt wirklich tun?

Es stellt sich nun aber die Frage, was denn die Stadt eigentlich speziell für die Branche tun kann. Vieles ist nicht städtisch, sondern kantonal oder auf Bundesebene geregelt oder lässt sich kaum durch Politik und Verwaltung regeln (wie z.B. die Studienfachwahl von Maturandinnen und Maturanden).

Doch an vielen Orten gibt es durchaus Spielraum: So ist zwar der Lehrplan für die Volksschule kantonal geregelt, die Frage der Ausstattung der Schulhäuser ist jedoch Sache der Gemeinde. Mit KITSforKids hat die Stadt Zürich schon vor einiger Zeit einen Austtattungsstandard gesetzt (über dessen Ausgestaltung man zwar diskutieren könnte, der aber andere Gemeinden übertrifft). Die Stadt Zürich hat Anfang Jahr die Hausordnung ihrer Schulhäuser angepasst und alle elektronischen Geräte auf dem Pausenplatz verboten. Somit gibt es durchaus Bereiche, wo die Stadt Zürich die Wahl hat, ob sie ein IT-freundliches oder ein IT-feindliches Klima schaffen will. Es gab ja auch mal (von SP-Seite) den Vorschlag, in der Stadt Zürich ein kostenloses WLAN zu schaffen (wie es die Stadt St. Gallen teilweise hat). Ich denke, dass sich hier durchaus etwas machen lässt, was die Stadt Zürich IT-freundlicher und für IT-Schaffende attraktiver werden lässt.

Zudem hat der Legislaturschwerpunkt eZürich schon nur den Vorteil, dass man den Stadtrat immer wieder wird an ihre hehre Absicht erinnern kann, wenn es um konkrete IT-Fragen geht.

Heute abend hat nun die Kick-Off-Veranstaltung stattgefunden, an der ich leider verhindert war und auf der Website http://www.ezuerich.ch/ können Vorschläge für konkrete Projekte abgegeben werden:

ezuerich01.jpg

Upps, wie war das mit dem IT-Standort Zürich?

Hmm, fast hätte ich es übersehen, aber mein Firefox-Plugin FlagFox hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass der Server von www.ezuerich.ch in Deutschland liegt:

ezuerich02.jpg

Hmm, wie war das mit der Förderung des IT-Standorts Zürich und der Förderung der Kreativwirtschaft (ein anderes Legislaturziel des Zürcher Stadtrates), wenn die Website von mindestens drei Berliner Firmen projektiert, gestaltet und umgesetzt worden ist:

ezuerich03.jpg

Da müssen den Worten noch echte Taten folgen...


 
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Kategorien: IsaBlog, IsaInformatik

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