Informatik

Heute bin ich auf die österreichische Initiative digi.komp - Digitale Kompetenzen informatische Bildung gestossen und habe gesehen, dass in den letzten sechs Monaten einige neue Dokumente veröffentlicht worden sind, die einen Besuch der Website lohnenswert machen (aus Erfahrung weiss ich, dass sich bezüglich digitaler Kompetenzen ein Blick nach Österreich immer mal wieder lohnt!).

digi.komp (Biblionetz:w02453)ist eine Sammlung von Kompetenzen für SchülerInnen verschiedener Altersstufen und für Lehrpersonen ohne und mit ICT-Sonderfunktionen, jeweils mit Erklärungen und Aufgabenbeispielen (http://www.edugroup.at/praxis/portale/digitale-kompetenzen/konzepte/kompetenzmodelle.html):

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Im Rahmen des Projektes Digikomp wurden als erstes die digitalen Kompetenzen der 10–14-Jährigen definiert und als digi.komp8-Kompetenzkatalog veröffentlicht. Unterrichtsbeispiele erleichtern und illustrieren die ganz konkrete Praxisumsetzung. digi.komp4, digi.komp9 und digi.komp12 komplettieren die Standards in den allgemeinbildenden Schulen.
Was sollen Schülerinnen und Schüler also können? Die Kompetenzmodelle gliedern sich jeweils in 4 Bereiche und sind durch einen ausführlichen Kompetenzkatalog im Detail modelliert.
Die Kompetenzmodelle, typische Aufgabenstellungen für den Einsatz im Unterricht sowie weiterführende Informationen sind unter www.digikomp.at abrufbar.
Quelle: Kein Kind ohne Digitale Kompetenzen!

digi.komp arbeitet mit 4 Kompetenzbereichen:

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digi.komp ist eine lohnenswerte deutschsprachige Quelle sowohl bezüglich Inhalten als auch bezüglich Aufbereitung des Themas für Lehrpersonen und Öffentlichkeit. Mir gefallen mindestens zwei Dinge an dieser Initiative:

Digitale Kompetenzen umfassen alle Aspekte, die vier Kompetenzbereiche

  1. Informationstechnologie, Mensch und Gesellschaft
  2. Informatiksysteme
  3. Anwendungen
  4. Konzepte

deckt sich mit "meinem" Denkmodell mit Informatik, Medienbildung und Anwendung bestens.

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Auch wenn ich mir die Partner der Initiative anschaue

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dann erhalte ich mindestens als naiver aussenstehender Beobachter das Gefühl, dass es in Österreich gelungen ist, "unstoppable Enthusiasm with one voice" zu generieren, wie dies Simon Peyton Jones (Biblionetz:p12809) aus England vorschlägt. Mögliche Einstiege:

Christian Borowski hat mich vor kurzem auf die Broschüre Computing in the national curriculum - A Guide for primary teachers PDF-Dokument (Biblionetz:t15952) aufmerksam gemacht. Die Broschüre versucht Englands Primarlehrerinnen und Primarlehrern das neue Thema Computing schmackhaft zu machen zu erklären.

Doch selbst für mich als Informatiker wird dank dieser Broschüre verständlicher, in welche Richtung sich Englands digitale Ausbildungspläne bewegen sollen.

In der Broschüre werden drei Aspekte des Themas computing unterschieden:

The core of computing is computer science, in which pupils are taught the principles of information and computation, how digital systems work and how to put this knowledge to use through programming. Building on this knowledge and understanding, pupils are equipped to use information technology to create programs, systems and a range of content. Computing also ensures that pupils become digitally literate – able to use, and express themselves and develop their ideas through, information and communication technology – at a level suitable for the future workplace and as active participants in a digital world.
Aspekt Beschreibung
Computer Science (CS) [All pupils] can understand and apply the fundamental principles and concepts of computer science, including abstraction, logic, algorithms and data representation.
[All pupils] can analyse problems in computational terms, and have repeated practical experience of writing computer programs in order to solve such problems.
Information Technology (IT) [All pupils] can evaluate and apply information technology, including new or unfamiliar technologies, analytically to solve problems.
Digital Literacy (DL) [All pupils] are responsible, competent, confident and creative users of information and communication technology. (DL)

Mit einem gewissen Abstand betrachtet, passt das gar nicht schlecht zur aktuellen Einteilung im deutschsprachigen Raum:

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Folie 69 aus dem Referat Informatik ist mehr als Informatik

Und wenn dann in der Broschüre zu lesen steht: "The core of computing is computer science,...", dann ist man nicht mehr weit von dieser Darstellung entfernt:

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Folie 70 aus dem Referat Informatik ist mehr als Informatik

(Schaut man sich die Beschreibungen im Detail an, dann entspricht der Bereich digital literacy nicht ganz dem Bereich Medien bzw. Medienbildung im deutschsprachigen Raum, bzw. ist eher eine informatikperspektivische reduzierte Sichtweise der Medienbildung).

Ebenfalls bestätigt fühle ich mich durch die Aussage in der Broschüre, man könne zwar die drei Bereiche unterscheiden, die Kompetenzen würden jedoch nicht eindeutig diesen Kompetenzen zugeordnet werden, da dies gar nicht immer so einfach sei. Wichtiger als eine genaue Aufteilung sei sowieso ein ausgeglichener, stimulierender und kreativer Zugang. Im Original:

It should be noted that the statutory requirements are not labelled under these three headings in the programme of study, and the distinction between information technology and digital literacy is open to some interpretation. The important thing is to cover the content in a balanced, stimulating and creative way rather than being overly concerned about the specifics of terminology.

Für diejenigen, die entsprechende Lehrpläne erarbeiten wink , aber auch für alle anderen lohnt sich ein Blick in diese Publikation!

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Informatik erweitert Horizonte

04 October 2013 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Veranstaltung
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Unter dem Motto Informatik erweitert Horizonte findet derzeit (26.-28.09.2013) in Kiel die 15. Informatik-Fachtagung "Informatik und Schule" (INFOS) statt. Und die Tagung erweitert meine Horzonte!

Ich durfte die Tagung mit meiner Keynote Informatik ist mehr als Informatik! eröffnen, wo ich endlich das Geheimnis meines Doppelnamens lüften konnte:

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Im "seriösen" Teil des Vortrags sprach ich über den Leitmedienwechsel und die möglichen Reaktionen der Bildungspolitik darauf. Diese Gedanken sind nicht brandneu, sondern in den vergangenen zwei Jahren in verschiedenen Vorträgen gereift. Die Reaktionen im Anschluss an mein Referat zeigten mir jedoch, dass die Gedanken für das Publikum nicht alle bereits bekannt und trotzdem anschlussfähig waren wink Dank des begleitenden Beitrags PDF-Dokument im Tagungsband sind die Überlegungen nun auch schriftlich verfügbar (und damit auch besser zitierbar).

In der ersten Hälfte der Tagung habe ich einige spannende Inputs erhalten, die mich auch von der Ausrichtung der Informatikdidaktik im vergleich zu früheren INFOS-Tagungen gefreut haben. So habe ich mich erstmal genauer mit http://www.informatik-im-kontext.de/ beschäftigt, mit Informatisches Töpfern einen neuen Begriff für Tinkering mit Sensoren und Aktoren etc. kennen gelernt (siehe Biblionetz:t15730) oder coole Unterrichtsbeispiele im Bereich Medizinische Informatik gesehen (Biblionetz:t15709), wobei mir nicht die medizinische Informatik an und für sich wichtig schien, sondern das Einbetten informatischer Themen in konkrete lebensnahe Settings.

Der Tagungsband PDF-Dokument (Biblionetz:b05349) ist online verfügbar, somit lässt sich auch ohne Besuch vor Ort etwas Tagungsluft schnuppern. Als Schweizer konnte ich dafür etwas von der grossen Welt erschnuppern, wenn im Hafen die grossen Schiffe ein- und Auslaufen:

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Apropos Horizonte: Selbst die Tagugnsorganisation war überrascht, dass sich 5 Minuten vom Tagungsort ein lauschiger kleiner See verbirgt:

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Und am Konferenzdinner:
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Sag ich doch.

-- Main.OlivierWueest - 03 Oct 2013 Hmmmm.... 86 l(iter)... Wohl etwas gar durstig nach dem Anblick dieses lauschigen, kleinen Sees... wink

-- Main.OlivierWueest - 03 Oct 2013 Nein, das kommt davon, dass ich so viel geredet habe...

-- Main.BeatDoebeli - 04 Oct 2013

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IT-dreamsjobs.ch

02 October 2013 | Beat Döbeli Honegger | Informatik
Seit einer Woche ist die neuste Imagekampagne der IT-Branche am Laufen. Mittels Plakaten wird für die Website http://it-dreamjobs.ch geworben:

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Mir gefällt die Kampagne, insbesondere auch, weil das Zielpublikum (sprich die GymnasiastInnen) in die Lancierung integriert worden ist. Damit werden solche Kampagnen (hoffentlich) weniger peinlich und anbiedernd...

Informatik ist enkeltauglich!

20 September 2013 | Beat Döbeli Honegger | Informatik
Gestern (19.09.13) hat sich die Bildungskoalition NGO in einem Positionspapier zum Lehrplan 21 PDF-Dokument (Biblionetz:t15706) geäussert.

Bildungskoalition NGO ist eine Zusammenschluss von über 30 "grossen nationalen Nicht-Regierungsorganisationen, um die Anliegen der Kinder und Jugendlichen sowie der Zivilgesellschaft in Bildungsfragen besser zu vernetzen und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen."

"2012 hat sich die Bildungskoalition NGO neu vernetzt und organisiert. Das Spektrum der Mitgliederorganisationen in der Bildungskoalition NGO ist breiter geworden und umfasst: Jugendverbände, Umweltverbände, Gesundheitsorganisationen, Entwicklungsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen" (Quelle)

Mit dem coolen Schlagwort enkeltauglich betont die Bildungskoalition, dass Bildung auf die Zukunft ausgerichtet sein muss:

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Bezüglich Lehrplan 21 (Biblionetz:w02172) fordert nun die Bildungkoalition NGO folgendes:

5. Positionierung von ICT und Medien als überfachliches Thema

Die Bildungskoalition NGO begrüsst die verbindliche Verankerung von ICT und Medienkompetenzen als überfachliches Thema im Lehrplan 21. Dabei ist die Festlegung einer Anzahl Stunden pro Schuljahr unerlässlich. ICT und Medien sind eine Kulturtechnik und stehen mit anderen Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Mathematik in enger Verbindung. Der Lehrplan 21 soll für ICT und Medien ein verbindliches Zeitgefäss schaffen und den Kompetenzaufbau in der Verbindung mit überfachlichen Themen gestalten.

Eine Integration von ICT, Medien und Informatik in den Fachlehrplan Natur, Mensch, Gesellschaft, wie von der IT-Fachwelt gefordert, wird abgelehnt (siehe Positionspapier ICT Switzerland). Informatik kann als Frei- und Wahlfach für interessierte Schülerinnen und Schüler gefördert werden. Der Lehrplan 21 ist branchenneutral zu gestalten und soll eine gleichwertige Vorbereitung für alle Berufsfelder und Bildungswege ermöglichen.

Aus dieser Stellungsnahme lese ich folgende Punkte:

  1. Das Thema "ICT und Medien" benötigt eine grössere Verbindlichkeit (in Form einer Stundendotation).
  2. "ICT und Medien sind eine Kulturtechnik"
  3. Informatik soll nur ein Freifach sein
  4. "Der Lehrplan 21 ist branchenneutral zu gestalten" (implizit: und darum ist das Positionspapier von ICTswitzerland abzulehnen)

Während ich die ersten beiden Aussagen zu 100% unterschreibe, bereiten mir die letzten beiden grosse Sorgen.

Gerade aus Sicht der Enkeltauglichkeit darf für mich Informatik kein reines Freifach sein. Informatik gehört vermutlich gerade zu den Wissenschaften, welche die Zukunft in erheblichem Masse prägen werden. Eine zukunftsgerichtete Bildung darf darum nicht nur die naturwissenschaftlichen Themen abdecken, welche bereits in der Vergangenheit relevant waren, sondern muss auch Informatik als Zukunftsthema integrieren.

Informatik und Bildung für nachhaltige Entwicklung haben grosse Schnittmengen. 2010 habe ich im Blogposting Systemdenken als Schnittmenge von Informatik und BNE erstmals versucht aufzuzeigen, dass die beiden Themen mehr gemeinsam haben, als oft auf den ersten Blick gesehen wird. Informatik enthält gerade das Denken in Systemen, Zusammenhängen und Abläufen, wie sie unter anderem im Bereich BNE (Biblionetz:w01620) gefordert werden. Systemdenken (Biblioetz:w00104), Simulation von Räuber-Beute-Systemen, Modellierung und Visualisierung von gegenseitigen Einflüssen und Abhängigkeiten: Das sind Themen von Informatik und BNE!

Informatik ist keine Branchenforderung!. Die Aussage, der Lehrplan 21 sei branchenneutral zu gestalten, halte ich für einen vorschnellen Abwehrreflex. Niemand würde auf die Idee kommen, das Thema Chemie aus dem Lehrplan 21 zu streichen, nur weil es in Basel ein einflussreiche chemische Industrie hat. Das Positionspapier von ICTswitzerland (Biblionetz:t15700) wurde zwar vom Branchendachverband publiziert, aber zu 100% von Personen formuliert, die im Bildungswesen aktiv sind. Drei von fünf der Beteiligten arbeiten an Pädagogischen Hochschulen und haben auf Einladung der D-EDK auch am offiziellen Lehrplan 21 mitgearbeitet:

  • Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger, Institut für Medien und Schule, PH Schwyz *
  • Claudia Fischer MA, Beratungsstelle für digitale Medien an Schulen-imedias, PH FHNW*
  • Prof. Dr. Werner Hartmann, infoSense, ehemaliger Informatik-Fachdidaktiker ETHZ und PHBern
  • Prof. Dr. Juraj Hromkovic, ETH Zürich, aktueller ETH-Informatik-Fachdidaktiker
  • Prof. Dr. Thomas Merz, Fachverantwortlicher Medienbildung, PH Thurgau *

* = Mitglieder der Arbeitsgruppe „ICT und Medien“ des Lehrplans 21 von 2010-2012

Lehnt man nun die Forderung des Positionspapiers von ICTswitzerland aufgrund der Herkunft ab, so ist das aus meiner Sicht ein argumentum ad hominem circumstantial (Biblionetz:w02147) und kein stichhaltiges Argument.

Auch mir liegt an der Enkeltauglichkeit des Lehrplans 21 und ohne verbindliche Thematistierung von Informatik ist der Lehrplan 21 nicht enkeltauglich!