Bildungspolitik

Im Rahmen der digitalen Transformation geht es unter anderem auch darum, neue Kompetenzen in den Lehrplänen (Biblionetz:w01274) der verschiedenen Schulstufen zu verankern. Bei entsprechenden Projekten habe ich bereits öfters die Kritik gehört: "Was Sie da vorschlagen, ist viel zu anspruchsvoll! Das begreifen nicht einmal die Lehrpersonen - ja selbst ich als leitender Beamter in der Bildungsadministration verstehe trotz Doktortitel nicht, wovon sie sprechen. Wie sollten das Kinder verstehen?"

Die eine heikle bildungspolitische Aufgabe besteht dann jeweils darin, dem leitenden Beamten zu erklären, dass das vorgeschlagene Thema durchaus erfolgreich schon mit Kindern erprobt worden ist ;-)...

Zum anderen gibt es aber mehrere Gründe, warum es sinnvoll ist, dass bei neuen Themen die Lehrpläne zu Beginn Unerfüllbares verlangen:

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Eigentlich hatte ich mir vor einiger Zeit vorgenommen, mich nicht öffentlich zu Informatik auf der Sekundarstufe II zu äussern, einerseits weil ich bereits mit Informatik auf der Volksschulstufe genügend zu tun habe und andererseits weil ich es umgekehrt auch nicht schätze, wenn Stufenfremde sich ausgiebig zur Volksschulstufe äussern.

Nun muss ich aber meinem Unmut doch Luft machen: Mir scheint, dass die Fachmittelschulen (FMS) als Stiefkind der Gymnasien bezüglich Informatik zwischen Stuhl und Bank fallen. Der 2018 beschlossene neue Rahmenlehrplan fällt beim Thema Informatik inhaltlich massiv hinter die im Lehrplan 21 für die unteren Schulstufen definierten Kompetenzziele zurück. Aber auch die aktuelle Stellungnahme des VSG scheint nicht wirklich darauf zu vertrauen, dass bezüglich Digitalisierung auf der Volksschulstufe viel passiert.

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Weil die Aussage immer mal wieder in den Medien auftaucht, aber dadurch nicht wahrer wird und ich es leid bin, jedes Mal das Gegenteil zu erklären, möchte ich es hier ein für alle Mal dokumentieren:

Bereits die 2013 veröffentlichte Konsultationsversion des Lehrplans 21 enthielt Informatikkompetenzen.

In einem Gastkommentar für die Welt formuliert Klaus Zierer (Biblionetz:p13834) am 7.12.19 unter dem Titel Programmieren ist nichts für die Grundschule (Biblionetz:t25784) vier Argumente:

  1. Programmieren ist nicht wichtig zum Verständnis der heutigen Welt
    "Wir Menschen müssen nicht programmieren können, um zu verstehen, wie ein Computer funktioniert."
  2. Andere Kompetenzen sind wichtiger als das Programmieren (logisches Denken, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Umgang mit Fehlern)
    "Zweitens arbeiten Befürworter des Programmierens gerne mit der Angst: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Die Biografien erfolgreicher Programmierer widerlegen das: logisches Denken, Kreativität, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, Selbstbeherrschung und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern – und zwar jenseits von 0 und 1! – sind entscheidend."
  3. Programmieren verstärkt die Verkopfung der Schule
    "die Debatte über das Programmieren zu einer weiteren Verkopfung von Schule und damit zu einer Reduzierung von Bildung auf das Kognitive."
  4. Programmieren wird von Befürwortern nur aus ökonomischen Gründen gefordert und das ist problematisch
    "Viertens ist das Hauptargument der Befürworter des Programmierens ein ökonomisches: Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren – an eine Milliarde Chinesen, die in einem Land mit der höchsten Selbstmordrate im Primarbereich und einer der höchsten Burn-out-Raten im Tertiärbereich leben? Wohl kaum."
Es ist vermutlich nicht überraschend, dass ich mit keinem der vier Argumente einverstanden bin. Noch schlimmer: Über Argument 1 lässt sich streiten, die Argumente 2-4 sind für mich unseriöse, rhetorische Strohmänner.

Dagstuhl-Dreieck 2.0?

26 September 2019 | Beat Döbeli Honegger | Bildungspolitik, Modelle

Vor etwa dreieinhalb Jahren haben wir auf Schloss Dagstuhl überlegt, wie man Entscheidungsträgern im Bildungswesen möglichst einfach erklären könnte, was Schülerinnen und Schüler über Digitales wissen müsste und warum das verbindlich in der Schule vermittelt werden sollte.

Herausgekommen ist die Erklärung Bildung in der digitalen vernetzten Welt PDF-Dokument (Biblionetz:t18567) mit einer prägnanten Darstellung der drei Perspektiven auf digitale Phänomene:

dagstuhl_dreieck.png

Die Entwicklungsgeschichte dieses sogenannten Dagstuhl-Dreiecks (Biblionetz:w02886) habe ich damals ebenfalls in diesem Blog beschrieben unter dem Titel Dagstuhl-Dreieck: "Speak with one voice" reloaded.

In den letzten drei Jahren hat das Dagstuhl-Dreieck eine aus meiner Sicht überraschend erfreuliche Verbreitung erlebt. Es wurde nicht nur im deutschsprachigen Raum rezipiert, sondern ist auch in der französischsprachigen Schweiz auf fruchtbaren Boden gestossen und ist unterdessen auch auf englisch verfügbar und weiterverbreitet worden.