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Blättern per Stimmbefehl: Zu viel verlangt?

04 January 2017 - Version 1

Hach was diese Computer heute schon alles können! Handschriftliche Rechnungen erkennen und lösen, Gesichter erkennen und Fotos entsprechend gruppieren, Wettervorhersage und Lottozahlen auf Zuruf aufsagen etc. Zuweilen gibt es aber einfache Dinge, von denen man annehmen könnte, sie wären schon lange umgesetzt, dann aber erstaunt feststellen muss, dass es sie noch nicht zu geben scheint. Mein aktuelles Beispiel: Ein eBook-Reader, der auf Zuruf blättert. Einfach, oder? Meine bisherige Recherche hat aber ausser nicht mehr gepflegten (und damit permanent abstürzenden) Apps oder extremen Bastellösungen (gerootete Android-Geräte mit virtuellen Klicks auf Bildschirmbereiche, die garantiert in der nächsten App-Version ändern) erbracht.

Ist denn dieser Wunsch so absonderlich? Nicht nur zeitweise oder lebenslang Behinderte dürften doch an einem solchen Feature ihre Freude haben. Auch Menschen, die während dem Essen oder auf dem Hometrainer gerne lesen würden, schienen mir daran Gefallen zu finden.

Sachdienliche Hinweise auf praktikable Lösungen nehme ich gerne entgegen!

Was ich bereits gefunden und als unbrauchbar taxiert habe: Weiter zu verfolgen scheinen mir folgende Ansätze:
  • Der Sesame-Reader für Android sollte sich sowohl per Kopfbewegung als auch per Stimmbefehl steuern lassen, ist aber weder in den USA noch in der Schweiz im Google Play Store erhältlich. Das Unternehmen scheint nun ein eigenes Smartphone zu verkaufen, aber die Nichtverfügbarkeit der App auf offiziellem Weg ist doch seltsam.

Mit meiner Idee bin ich übrigens beileibe nicht alleine, das wurde bereits hier (2011), hier (2012), hier (2012) vorgeschlagen und/oder diskutiert.

 
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Ist es eine Bombe? Und wenn ja, wie gehen wir damit um?

10 December 2016 - Version 2

Der in der letzten Ausgabe des Magazins des Tages Anzeigers erschienene Artikel Ich habe nur gezeigt, dass die Bombe existiert Biblionetz:t19318) hat sowohl innerhalb als auch ausserhalb digitaler Kreise grosse Wellen geworfen. Im Kern erklären die beiden Autoren Hannes Grassegger und Mikael Krogerus darin, dass Donald Trump (Biblionetz:p17141) die Präsidentschaftswahlen gewonnen habe, weil er dank big data (Biblionetz:w2425) und Psychometrie (Biblionetz:w2923) die Wähler individualisierter ansprechen konnte. Die Firma Cambridge Analytica behauptet, über 220 Millionen Persönlichkeitsprofile aller US-Amerikaner zu verfügen und so diese sehr gezielt ansprechen bzw. eben manipulieren zu können.

t19318.jpg

Der Artikel wurde sofort heftig kritisiert (z.B. bei Jens Scholz oder Dennis Horn (WDR)). Hauptkritikpunkte waren:
  • Der Artikel liefert eine monokausale Erklärung für den überraschenden Wahlsieg von Trump
  • Der Artikel liefert keinerlei Belege für die aufgestellten Thesen
  • Der Artikel verweist nur auf Personen im Umfeld der Firma Cambridge Analytica und holt keine neutralen Drittmeinungen ein.

Damit sei der Artikel im Wesentlichen Werbung für Cambridge Analytica und Personen, die den Artikel unkritisch weiterempfehlen würden, seien nicht besser als die kritisierten, leicht manipulierbaren Trump-Wähler. (Die Kritiken klangen für mich teilweise schon etwas nach: "Ätsch-Bätsch, ich bin reflektierter als ihr alle!" …)

Von den zahlreichen kritischen Reaktionen scheinen mir jedoch folgende lesenswert zu sein:

Unterdessen wurde übrigens auch einer der Autoren des Ursprungsartikels interviewt und mit der Kritik am Artikel konfrontiert. Nachzulesen in Interview "Die ganzen Verschwörungstheoretiker irren" und die beiden Autoren haben im Tages Anzeiger vom 9.12.16 ihren Artikel selbstkritisch kommentiert (Biblionetz:t19340).

Zwei Bemerkungen zu dieser Thematik von meiner Seite:

  • Zahlreiche Kritiker des Artikels testeten die Prognostizierfähigkeit solcher Tools an sich selbst und verkündeten dann, bei ihnen hätte es nicht funktioniert und dies zeige, wie lächerlich bzw. unbrauchbar die Methode sei. Erstens bin ich mir nicht sicher, ob sich die öffentlich verfügbaren Werkzeuge auch für den deutschsprachigen Raum eignen (oder ob nicht nur für den US-amerikanischen oder englischen Raum genügend Daten vorhanden sind) und zweitens beweist das Versagen der Methode in dokumentierten Einzelfällen noch nicht, dass sie insgesamt statistisch nicht funktioniert.

  • Ich kann nicht einschätzen, wie gut die im Artikel beschriebene Methode heute funktioniert. Dies sagt aber vielleicht wenig darüber aus, wie gut die Methode künftig funktionieren wird. Es ist noch nicht allzu lange her, dass man über die Idee selbstfahrender Autos (Biblionetz:w2448) gelacht hat. Noch 2004 haben Levy und Murnane im Buch The New Division of Labor (Biblionetz:b5382) glaubwürdig erklärt, dass Computer nicht bald fähig sein würden, Autos zu steuern, weil der Verkehr zu chaotisch und komplex sei. Im Jahr 2015 fahren sowohl in den USA als auch in Europa einige selbstfahrende Autos im normalen Strassenverkehr umher…
    (Siehe dazu auch das Blogposting Wo sind die Grenzen des Computers (Es bewegt sich etwas II))

Der Ursprungsartikel erklärt sicherlich nicht kausal, warum Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2016 gewonnen hat. Er macht aber Tendenzen sichtbar und auch für Leute vorstellbarer, die mit dem Begriff big data noch nichts anfangen können.

Denn die spannendere Frage scheint mir ja eigentlich zu sein, wie man auf diese mögliche Entwicklung reagiert. Selbstverständlich mit Bildung. Doch mit welcher Bildung?

Dabei gibt es für mich zwei Ebenen:

  • Wie muss Allgemeinbildung aussehen, damit Menschen nicht leicht manipulierbar sind?
    Das hat wenig bis gar nichts mit der Digitalisierung zu tun, sondern ist eine uralte Frage von Bildung und Aufklärung. Hier würde ich mir zum Bsp. wünschen, dass alle mit Matur/Abitur so etwas wie die Bias List kennen würden (doch davon in einem anderen Posting).

  • Was muss ich wissen, damit ich über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung diskutieren kann?
    Sorry für die Wiederholung, aber hier kommt für mich das Dagstuhl-Dreieck (Biblionetz:w2886) ins Spiel:
    w02886.png
    • Biblionetz:w2888 Technologische Perspektive: Ich muss verstehen, was big data technisch bedeutet und wo die Potenziale und Grenzen liegen.
    • Biblionetz:w2889 Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive: Ich muss verstehen, welche Wirkungen mit big data bei Individuen und der Gesellschaft möglich sind und ob/wie sich diese Auswirkungen gesellschaftlich steuern lassen.

 
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Windows 10 am automatischen Neustart nach Update hindern

30 September 2016 - Version 2

Microsoft hat es mit der Entmündigung des Users wieder einmal zu weit getrieben: Seit dem Anniversary Update von Windows 10 gibt es keine Systemeinstellung mehr, mit dem man den Neustart von Windows nach einem Update verhindern kann. Windows geht davon aus, dass ein Neustart des Rechners schon OK sein dürfte, wenn seit einiger Zeit niemand mehr mit dem Rechner arbeitet.

Ich will grad weder eine Diskussion darüber anzetteln, warum das nicht OK ist (sowohl das Neustarten als auch das Gebaren von Microsoft) und ich will auch keine Kommentare "Nutz doch MacOS" oder "Ein Grund mehr für Linux!". Ganz pragmatisch primär für mich selbst als Erinnerung, wie man Windows 10 diese Idee des automatischen Neustartens austreibt:

https://techjourney.net/permanently-disable-prevent-automatic-restart-of-windows-update-in-windows-10/

Update: Auch diese Variante mit Registry-Eingriffen hat nicht funktioniert, gestern Nacht wurde mein Rechner wieder ohne mein Zutun neu gestartet und alle offenen Fenster waren danach zu grmbl. Hier darum ein Tipp via c't: https://www.udse.de/windows-10-neustart-verhindern#download

 
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Bias List

10 December 2016 - Version 1

Vor kurzem habe ich die Website biaslist.com entdeckt und bin entzückt (wer die Grafiken in meinem aktuellen Buch, die BiblioMaps im Biblionetz oder meine Argumentensammlung gegen das Digitale in der Schule kennt, ahnt warum ;-)):

biaslist.jpg

Die Website listet mit kurzen Texten und jeweils einem einprägsamen Icon sicher über hundert mögliche Ursachen verzerrter Wahrnehmung auf:

biaslist2.jpg

Jeder Bias ist mit dem entsprechenden Wikipedia-Artikel verknüpft, der dann ausführliche Informationen liefert. Für meinen Geschmack könnten die Biases noch etwas strukturierter und untereinander vernetzter dargestellt werden (gerne auch mit einer baum- oder netzartigen Übersichtsgrafik), aber insgesamt würde ich mir wünschen, dass eine solche Übersicht in der Schule besprochen würde.

In einer Welt, in welcher wir immer mehr medial vermittelt wahrnehmen und darauf bauend Urteile fällen, müssten doch die Eigenheiten menschlicher Wahrnehmung und Denkweisen Bestandteil der Allgemeinbildung sein...

P.S: Diese Website werde ich vermutlich künftig auch in Diskussionen einbringen, wo Informatikdidaktiker Informatik als die (einzig wahrhafte) Denkschule postulieren (Problemlöseargument, Biblionetz:a1052). Nur mit Informatikwissen, aber ohne Kenntnis dieser Phänomene wird man bei realen Problemen der heutigen Welt vermutlich nicht weit kommen…). #PflichtfachPsychologie ?


 
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Wo sind die Grenzen des Computers? (Es bewegt sich etwas II)

26 November 2016 - Version 1

Ich habe im letzten Jahrtausend mal an der ETH Zürich Informatik studiert und war danach der Meinung, in etwa einschätzen zu können, wo die Grenzen des Computers liegen. Schliesslich hatte ich mich in der Theoretischen Informatik mit dem Halteproblem (Biblionetz:w140) und der Frage P=NP? (Biblionetz:f113) und in anderen Veranstaltungen mit neuronalen Netzwerken (Biblionetz:w133) und Co. herumgeschlagen und das auch mindestens ansatzweise verstanden wink

Nebenbei hatte ich mich damals auch mit dem Turing-Test (Biblionetz:w1) beschäftigt und meinen eigenen Chat-Roboter (Biblionetz:w1151) betrieben, mit dem sich meine Studierenden unterhalten mussten, um zu erkennen, wie leicht man mit einem Computer Standardsituationen eines Chats meistern kann.

Doch irgendwie scheint mir das alles lange her zu sein. Das Moore'sche Gesetz (Bibblionetz:w862) hat dazu geführt, dass die Rechenleistung und die Speicherkapazitäten von Computern eben exponentiell zugenommen haben. Nun gut, jetzt können Computer das Gleiche wie früher eben schneller, was soll's?

In letzter Zeit bin ich mir da nicht mehr so ganz sicher und ich habe mir deshalb vorgenommen, die Bücher, die ich vor 15-20 Jahren erstmals gelesen hatte, wieder mal hervor zu nehmen und erneut zu studieren: Wo liegen die Grenzen dessen, was Computer können?

Zwei Ereignisse, die mich zu diesem Schritt bewegt haben: Vor vielen Jahren (Wikipedia weiss, vor wie vielen genau) hat der Computer den Weltmeister im Schach geschlagen. Die einen waren fasziniert oder erschüttert, die anderen haben glaubhaft erläutert, dass der Computer einfach schneller und somit weiter vorausplanen könne in einem logisch absolut eindeutigen und abgeschlossenen Bereich - kein Grund zur Panik also. Im Frühling 2016 hat ein Computer von Google den Weltmeister im Spiel Go 4:1 geschlagen. Auf den ersten Blick eine klare Folge des Moore'schen Gesetzes: Go ist um einiges komplexer als Schach, also hat es einfach ein paar Jahre länger gedauert, bis der Computer so leistungsfähig war, um auch in Go zu brillieren.

Was mich jedoch beunruhigt hat, war die Reaktion der Berufs-Go-Spieler:

Und alle stutzten hier und da und wunderten sich über unkonventionelle und abenteuerliche Züge der KI, die aber funktionierten.
Nun ist es selbst für den Go-kundigen Amateur kaum nachzuvollziehen, wieso die Profis einen Zug als innovativ bezeichnen, ist doch praktisch jede Stellung mit mehr als 20 Steinen auf dem Go-Brett einmalig und vermutlich noch nie zuvor gespielt worden. Aber aus der einhelligen Meinung der Kommentatoren zu bestimmten Zügen kann man schließen, dass AlphaGo über seine Schöpfer hinausgewachsen ist.
Das ist vielleicht nicht ganz verwunderlich. Die neuronalen Netze, die zentraler Bestandteil von AlphaGo sind, wurden nämlich nur zu Beginn mit Millionen von Stellungen aus Partien starker menschlicher Spieler trainiert. Hier lernten sie zunächst, Menschen in ihrem Spiel zu imitieren. Dann kam aber eine Phase des Reinforcement Learning: Das neuronale Netz spielte Millionen von Partien gegen sich selbst und lernte daraus, wie man dieses Spiel noch besser spielt. Während ein werdender Profi in Asien sein halbes Leben damit verbringt, das Jahrhunderte alte Wissen und die Traditionen zu verinnerlichen, durfte AlphaGo ganz alleine lernen, ohne die Vorurteile eines Lehrers.
So sah denn Michael Redmond nach dem Zwischenstand 3:0 für den Computer das Go mitnichten dem Untergang geweiht, sondern spekulierte sogar, dass vielleicht durch die Computer eine dritte Revolution der Eröffnungstheorie bevorsteht.
Quelle: Haradl Bögeholz Jubel und Ernüchterung c't 7/2016, S. 44 (Biblionetz:t19295).

Hmm, Berufs-Go-Spieler werden künftig anders spielen, weil sie durch den Computer neue Strategien kennen gelernt haben? Das klingt irgendwie nicht mehr so ganz nach dem Anti-Künstliche Intelligenz-Mantra "Der Computer kann nur das wiedergeben, was ihm programmiert worden ist." Irgendwie hat er doch etwas gespielt, was noch keinem Menschen in den Sinn gekommen ist (auch wenn es vielleicht in der Spiellogik implizit schon enthalten ist).

In eine ähnliche Richtung geht die Meldung von Google, dass ihr neues neurales Netz, das bei Google Translate eingesetzt wird, auch bei Sprachpaaren brauchbare Übersetzung liefert, die so nie trainiert worden sind: D.h. das Netzwerk wurde mit den Sprachpaaren Englisch-Japanisch und Englisch-Koreanisch trainiert und kann danach auch brauchbare Übersetzungen Koreanisch-Japanisch liefern:

image01.gif

Gewisse Berichte im Internet deuten das nun dahingehend, dass das neuronale Netzwerk von Google eine interne Repräsentation der sprachlichen Aussagen gefunden habe, also eine eigene interne Sprache, die bisher kein Mensch versteht. Auch da wieder: Entsteht hier etwas, das mehr ist, als was dem Computer einprogrammiert worden ist?

Klar, ich mag mich noch an Searles Metapher des Chinesischen Zimmers (Biblionetz:w42) erinnern. Etwa zur gleichen Zeit habe ich aber auch Bücher über Emergenz (Biblionetz:w505) und emergente Phänomene gelesen. Die Zeit ist reif, all diese Bücher spätestens über Weihnachten wieder einmal hervorzunehmen.


 
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