Kid, Jul 2009

RFID-WLAN-Hase

18 July 2009 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Kid
Unter anderem ausgelöst durch die derzeit überall auftauchenden Projekte im Bereich der computerlosen Computerinterfaces konnte ich nicht widerstehen, nun endlich einen jüngeren Bruder des Nabaztag-Hasen zu adoptieren. Die Version 2.0 des WLAN-Hasen existiert schon seit 2006 (ich hatte damals darauf hingewiesen).

Der Nabaztag/tag genannte Hase hat neu ein Mikrofon für Voice-Control und vor allem einen RFID-Reader . RFID (Biblionetz:w01588). Dazu erhält man eine Anzahl briefmarkenähnlicher Plastikrechtecke mit integrierten RFID-Chips, genannt Ztamp:s.

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Im Internet-Interface lässt sich dann definieren, was der Hase tun soll, wenn er ein bestimmtes Ztamp unter die Nase gehalten kriegt: Ein Audiofile abspielen, einen Podcast-abspielen, ein Mail versenden, das Ereignis zählen und erst bei einem gewissen Grenzwert (pro Tag, Woche, Monat etc.) reagieren usw. usf.

Soweit für mich nichts Überraschendes (relativ geringer Future Shock Levels). Bereits etwas ungewohnter, aber immer noch gut verdaubar: Ich kann definieren, dass z.B. der Sound nicht am Hasen selbst gespielt wird, sondern auf einem anderen mir gehörenden Objekt. Anwendungsbsp: Hase zu Hause sieht bestimmtes Ztamp, Hase im Büro sagt "Bring Nachtessen auf dem Nachhauseweg mit" )

Ein doch grösserer Future Shock Levels hat sich bei mir eingestellt als ich las, dass jede dieser Ztamps eine E-Mail-Adresse hat, an die man Nachrichten schicken kann. Sieht dann der Hase das Ztamp, so liest er die Mails vor, welche das Ztamp erhalten hat. Hmm, somit kann ich jedes beliebige Objekt bei mir im Haushalt mit einer E-Mail-Adresse versehen: Den Teddybären von Caspar, meine Kaffeetasse, meinen Schlüsselbund, meine Zahnbürste. Was mir das bringt? Hmm, ehrlich gesagt: Ich weiss es noch nicht. Ausser der Erkenntnis, dass das Internet der Dinge (Biblionetz:w02131) bei mir nicht mehr vor der Türe, sondern bereits in der Wohnung steht.

Wozu nutze ich den Hasen derzeit konkret? Caspar liebt die Lieder der Schlieremer Chind, wie wohl praktisch jedes Kind in der Schweiz in den letzten dreissig Jahren. Zwar findet er die CD selbständig, kann sie einlegen, aber dann ist die Bedienung des CD-Players doch noch zu kompliziert, insbesondere das Finden eines bestimmten Liedes. Hier kommt nun der RFID-WLAN-Hase ins Spiel:

Man nehme ein Holzpuzzle mit Zootieren und den RFID-WLAN-Hasen:

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Nun klebe man auf die Rückseite der Holzteile ein ZTamp und konfiguriere den Hasen entsprechend. Caspar hat rasch begriffen, dass er nun dem Hasen einfach den Holzelefanten unter die Nase halten muss, damit dieser das entsprechende Lied zu singen beginnt.

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So geht das.

P.S.: Jaja, ich höre im Hintergrund bereits die bange Frage Und wo bleibt die Primärerfahrung? (Biblionetz:w01866) Doch ich kann beruhigen: Mindestens alle vierzehn Tage die lebendigen Elefanten im Zürcher Zoo besuchen reicht ja wohl, oder? wink

P.S.II.: Gedanken zur sinnvollen Nutzung dieser Spielerei in der Schule oder - oh Schreck - im Kindergarten ein andermal...

P.S.III: Ich bin nicht der einzige IT-Vater, der solche Dinge macht, wie ich ebenfalls seit Rhodos weiss...

P.S.IV: Von der Firma violet gibt es auch ein tellerförmiges USB-Device, das ebenfalls einen RFID-Reader enthält.

P.S.V: Ja, ein solches, Mirror genanntes Device steht auch bei mir rum und wartet auf Experimente.

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Mutter aller Baustellen

17 July 2009 | Beat Döbeli Honegger | Kid
Am vergangenen Wochenende war in Zürich die Mutter aller Baustellen zu besichtigen, die alle Knaben (und viele ältere Knaben) in Verzückung brachte:
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Vom Opernhaus über Stadelhoferplatz bis zum Bellevue wurden alle Tramgeleise herausgerissen und durch neue ersetzt. Die Grossbaustelle wird noch einige Monate dauern, doch die grösste Aktion fand am vergangenen Wochenende statt. Kein Wunder traf man Horden von Familien mit kleinen Kindern sowie dutzende von fachsimpelnden Senioren am Seeende, wenn über 30 Baumaschinen und hunderte oranger Playmobil-Männchen am Arbeiten waren.

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Auch Caspar war begeistert, wenn er auch eine eher verstörende Erfahrung machen musste: Die Baumaschinen waren um einiges lauter als die bei ihm in der Spielkiste und sie wurden auch nicht leiser, wenn er lauthals "Abstellä! Hani nöd gärn! rief...

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Ich würde ja nie einfach so mein Familienleben im Blog ausbreiten, wenn es nicht auch einen Bezug zum Beruflichen geben würde wink Da der Forchbahn für die nächsten paar Wochen eine Wendeschlaufe am Stadelhoferplatz fehlt, wurde zur Überbrückung schlichterdings eine Weiche zum Spurwechsel auf die bestehenden Geleise montiert und im Asphalt fixiert.

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Passt doch wunderbar zum Thema Briobahn und Informatik. Ob man damit das Prinzip eines Software-Patchs visualisieren könnte?

Briobahn und Informatik

13 July 2009 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Kid
Gestern hat Caspar zum ersten Mal einen Beitrag zu einer Weiterbildungsveranstaltung geliefert, indem er im passenden Moment "Lugg Papa, Tunnel!" rief.

Doch von Anfang an: Vor einigen Monaten habe ich meine alte Holzeisenbahn vom Dachboden geholt, mit der ich vor mehr als dreissig Jahren schon gespielt hatte. Caspar freute sich, auch wenn mit den Füssen meist die Brücke niederriss, bevor er mit dem Zug die Strecke zum ersten Mal ganz befahren hatte.

Doch es kam, wie es kommen musste und man allgemein ahnt. Meine Ansprüche bezüglich Holzeisenbahn sind in den letzten dreissig Jahren offensichtlich gestiegen und so habe ich unter dem Vorwand frühkindlicher Förderung im Internet nach einer Erweiterung des Schienenetzes Ausschau gehalten. Dank Internetauktionen besteht es unterdessen aus ca. 150 Schienenstücken, darunter mindestens vier Brücken und zehn Weichen:

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Nun macht das Aufbauen neuer Schienennetze auch mir (oder nur noch mir?) Spass. Denn es ist gar nicht so einfach, eine Anlage aufzubauen, bei der die Züge nicht nach kurzer Fahr in einer kleinen Schlaufe des Gesamtnetzes gefangen bleiben, will man nicht Caspars Zugflugmanöver verwenden.

"Briobahnanlagen tendieren dazu, Eigenwerte zu besitzen" (Biblionetz:w00012) denke ich mir dann jeweils frühmorgens, wenn Caspar topfitt, ich aber noch immer müde bin. Eigentlich ein spannendes topologisches Problem, denkt sich der müde Informatiker, bis ihn Caspar mit einem "Spille Pappa, nöd schlafe" wieder aus seinen Gedanken weckt.

Nicht nur beim frühmorgendlichen Casperlispielen, sondern auch bei der seriösen Arbeit sind Briobahnen derzeit ein aktuelles Thema. Für iLearnIT.ch sind wir am Erstellen des Moduls zum Thema Nebenläufigkeit / Concurrency (Wikipedia:Concurrency). Ausser Informatikern kann sich wohl unter diesen Begriffen kaum jemand etwas vorstellen, doch sind parallele Prozesse wesentlicher Bestandteil heutiger Informatiksysteme und Informatiker müssen sich mit entsprechenden Problemen wie z.B. die Gefahr von deadlocks (Biblionetz:w02082) und lifelocks herumschlagen.

So, da hätten wir's wieder mal: Die Informatiker schlagen sich mit Problemen herum, von denen normale Menschen keine Ahnung haben. Dem ist aber nicht so, und das lässt sich mit Holzeisenbahnschienen auch Primarschulkindern ganz ohne Technik und Fremdworte erklären:

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Eine Schienenkreuzung stellt ein Problem dar. Zwei Züge können gleichzeitig versuchen, die Kreuzung (Fremdwort: critical section ) zu befahren. Hier müssen Lösungen gesucht werden, damit es dabei zu keinem Unfall kommt. Eine Möglichkeit besteht darin, Signale aufzustellen.

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Tja, aber Signale alleine nützen noch nichts, es braucht Regeln, nach denen die Signale den Zügen die Durchfahrt erlauben oder verbieten. Usw., usf.

So, damit hätte ich einen Einstieg ins Thema Parallele Prozesse auf Primarschulniveau ohne Computer verwendet zu haben. Ich kann sogar entsprechende Aufgaben stellen, so dass die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes, die Probleme be-greifen (Fremdwort: enaktiv, Biblionetz:w01892) können.

Hmm, und was hat das jetzt mit Caspars "Lugg Papa, Tunnel!" zu tun? Tja, ich habe meine Briobahngedanken Jacqueline und Vincent erzählt und die beiden haben das für ihre Weiterbildungs-Tagung zum Ergänzungsfach Informatik als enaktive Auflockerung übernehmen wollen. Mit Caspars Einwilligung (?) habe ich deshalb die 150 Streckenteile vor meiner Abreise nach Krems in einen Koffer gepackt und ausgeliehen.

Als ich am Samstag den Koffer wieder abholen wollte, meinte Vincent, sie seien leider noch nicht dazu gekommen, den Briobahn-Input zu machen, ob ich nicht spontan selbst was dazu erzählen könne. Kann ich und mach ich doch gerne, wenn ich mich nicht vorbereiten muss wink

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So kam es, dass ich am vergangenen Samstag unerwarteterweise einen Kurzinput zu iLearnIT.ch und der Bedeutung von Holzeisenbahnen für die Vermittlung von fundamentalen Ideen der Informatik (Biblionetz:w01098) lieferte, während Caspar, den ich zum Abholen des Koffers mitgenommen hatte, seelenruhig seine Briobahn aufzubauen begann. Exakt als ich die Frage stellte, ob es denn Alternativen zum Aufstellen von Signalen an einer Kreuzung gebe, meinte er: "Lugg Papa, Tunnel!"

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Ich hatte zwar an eine Brücke gedacht, doch auch mit einem Tunnel, welcher die andere Schiene unterquert, lässt sich eine critial section elegant vermeiden. Recht hat er.