Schul-ICT

Argumente gegen 1:1-Ausstattungen und ICT in der Schule

09 February 2013 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT
Angefangen habe ich vor anderthalb Jahren. Nach mehr als einem Jahrzehnt im Bereich "digitale Medien und Bildung" hatte ich einerseits gebetsmühlenartig versucht die Potenziale von digitalen Medien in der Schule zu präsentieren und habe andererseits während mehr als zehn Jahren immer wieder die gleichen Vorbehalte ICT in der Schule gehört und durchdiskutiert. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass es mehrere systematische Auflistungen der Potenziale gab, ich aber keine seriöse Sammlung von Argumenten gegen ICT und 1:1-Ausstattungen im Speziellen finden konnte.

Einerseits war ich des ewigen Argumentierens (vor allem in digital geführten) Diskussionen müde und hätte mir eine Sammlung gewünscht, auf die im Bedarfsfall verwiesen werden kann: "Aha, das 'Aus mir wurd auch etwas'-Argument. Ok, das wird hier abgehandelt: http://blahfasel.org/AusMirWurdeAuchWasArgument" Andererseits dachte ich an das *Crossing the Chasm*-Konzept aus dem gleichnamigen Buch (Biblionetz:b02352) von Gordon Moore.

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Darin nimmt Moore die unterschiedlichen Diffusionsphasen von Innovationen von E. M. Rogers (Diffusions of Innovation, Biblionetz:b03045) zum Anlass, auf den Graben (Chasm) zwischen Early Adopters und Early Majority hinzuweisen. Diese unterschiedlichen Gruppen müssen unterschiedlich angesprochen und überzeugt werden. Ähnliche Gräben lassen sich in diesem Innovationsmodell auch zwischen Early und Late Marjory und zwischen Late Majority und Laggards postulieren. Bei jedem Übergang sind andere Überzeugungsstrategien notwendig. Gut, und dies gilt aus meiner Sicht auch bei der Haltung zu digitalen Medien in der Schule. Geht man davon aus, dass die Hälfte der Bildungspolitiker, Schulleitungen, Lehrpersonen und Eltern den Einsatz von ICT befürworten, müsste man sich jetzt auf die zweite Hälfte konzentrieren. Und dazu - langer Rede, kurzer Sinn - gehört eben auch das Ernstnehmen und im besten Fall Widerlegen der Argumente gegen ICT in der Schule. (Redet man immer nur vor Befürwortern über die Vorteile, so ist das preaching to the converted und hilft in der Sache nicht viel weiter).

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Im September 2011 hatte ich die ersten 20 Argumente formuliert (siehe Version 1 der Liste) und die Liste danach liegenlassen. Verschiedene Erlebnisse in jüngster Vergangenheit haben nun dazu geführt, dass ich diese Woche die Liste massiv erweitert habe. Derzeit sind dort 57 Argumente zu finden, gruppiert in vier Ablehnungsstärken:

Sorry, noch nicht klickbar...
  • A. Es schadet!
  • B. Es lohnt sich nicht.
  • C. Es geht nicht.
  • D. Schon, aber nicht so.

Etwas feingranularer lassen sich folgende nicht ganz trennscharfe Gruppen unterscheiden:
  1. "Es geht etwas verloren"-Argumente
  2. "Es ist zu früh"-Argumente
  3. "Falsche Anreize"-Argumente
  4. "Macht dumm"-Argumente
  5. Gesundheits-Argumente
  6. Jugendschutz-Argumente
  7. Umwelt-Argumente
  8. "Bisher ging es auch ohne"-Argumente
  9. "Didaktischer Mehrwert"-Argumente
  10. Finanzielle Argumente
  11. Schüler-Argumente
  12. Lehrpersonen-Argumente
  13. Schulsystem-Argumente
  14. Technische Argumente
  15. Ad hominem Argumente
  16. Unsortierte Argumente
Für jedes der Argumente sollte es eine prototypische Beschreibung, konkrete, zitierbare Beispiele und danach natürlich Gegenargumente geben. Denn um die late majority zu überzeugen, müsste man ja alle oder mindestens die meisten dieser Argumente widerlegen können. Da wartet noch einiges an Arbeit...

Seit gestern kann man die 57 Argumente bewerten, ohne dass man im Wiki angemeldet sein muss. Mich interessiert, wie ernst zu nehmen das Argument scheint und wie oft man es hört.

Gerne nehme ich Anregungen, Kritik und Erweiterungsvorschläge auf: Entweder direkt im Wiki oder dann per Mail an beat@doebe.li

Schweizweites Classroom-Response-System?

31 January 2013 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

bei einem Mittagessen mit Peter Suter (PHZH, Biblionetz:p01637) haben wir aufgrund der grossen Verbreitung von netzwerkfähigen Endgeräten unter den Studierenden (Notebook, Netbooks, Tablets, Smartphones) und dem Trend zu einfachen eLearning-Tools (wie z.B. Etherpad) überlegt, ob in der Schweiz die Zeit für ein

schweizweites Classroom Response System

reif wäre, angeboten z.B. durch Switch.

Worum geht es?

Was sind Classroom Response Systems?

Szenario

Die Dozentin will in einer Veranstaltung eine Frage stellen (offen, multiple choice etc.).

  1. Sie hat dafür auf einer einfachen Weboberfläche (à la doodle.com) die Frage sowie die Antwortmöglichkeiten eingegeben.
  2. Sie präsentiert auf dem Beamer den Code den Umfrage-Code (dr2fdg) (max. sechsstellige Buchstabenkombination)
  3. Die Studierenden senden entweder die Antwort zusammen mit dem Code an eine SMS-Nummer oder gehen auf http://poll.switch.ch/dr2fdg und beantworten die Frage dort.
  4. Die Dozentin kann die Antworten (oder Teile davon) entweder im Webinterface oder direkt in Powerpoint oder Keynote zeigen.

Beispiele solcher Systeme

Diskussion

Natürlich kann man sich fragen, ob es Classroom Response Systems überhaupt braucht, oder ob man nicht einfach die Studierenden mündlich im Hörsaal befragen kann. Obwohl ich selbst bisher den Bedarf für ein CRS nie verspürt habe, sehe ich durchaus Potenziale/Mehrwerte für CRS:

  • Antworten sind anonym
  • Automatisierte Auszählung
  • Automatisierte sinnvolle Aufbereitung der Ergebnisse
  • Effizienteres Einsammeln von Antworten auf offene Fragen
  • Verstärkte Aktivierung der Lernenden

Vor allem aber verkaufen sich derartige Systeme derzeit als proprietäre Hardware-Lösungen. Angesichts der heutigen Technologie-Konvergenz und der zunehmend flächendeckenden Verbreitung von netzwerkfähigen Kleincomputern scheint es mir widersinnig, wenn einzelne Institutionen spezifische CRS-Hardware-Lösungen einkaufen, aber auch einzeln CRS-Lösungen implementieren. Wenn der Bedarf existiert, dann müsste der doch gesamtschweizerisch gelöst werden.

Zur weiteren Diskussion habe ich ein Etherpad eröffnet: http://www.edupad.ch/classroom-response-system-switzerland

Siehe auch das entsprechende Blogposting von Peter Suter.

Wir arbeiten im PINGO Projekt (Peer Instruction for very large groups) an der Universität Paderborn gerade an genau solch einer Software. Wir befinden uns gerade in den Betatests in Veranstaltungen der Wirtschaftsinformatik mit etwa 500 bis 800 Teilnehmern pro Veranstaltung und haben bisher sehr positives Feedback bekommen.

Die Software wird im Sommer fertig implementiert sein und ich würde mich freuen, wenn Sie und Herr Suter diese dann mal testen würden.

Mehr Informationen zum PINGO-Projekt und dem Peer Instruction Ansatz gibt es auf http://wiwi.uni-paderborn.de/dep3/winfo2/forschung/projekte/peer-instruction-for-very-large-groups/

-- Main.WolfgangReinhardt - 03 Apr 2012 Update vom Jaunuar 2013: An den eduhub days 2013 zieht jede zweite Hochschule (naja fast jede zweite...) ein CRS-Projekt aus dem Hut. Bisher wenig Koodination...

-- Main.BeatDoebeli - 31 Jan 2013

ICT-Guide des Kantons Zürichs veröffentlicht

04 January 2013 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT
Nicht nur im Kanton Schwyz hat der Erziehungsrat zum Thema ICT getagt (und die neue ICT-Strategie für die Volksschulen im Kanton Schwyz verabschiedet), auch im Kanton Zürich hat sich der Bildungsrat in seiner Sitzung vom 26.11.12 unter anderem mit ICT beschäftigt und dabei den ICT-Guide zur Erarbeitung von stufenübergreifenden Medien- und ICT-Konzepten in Zürcher Volksschulen (Biblionetz:b05062) verabschiedet (BRB 43 PDF-Dokument)

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http://www.ict-guide.zh.ch/

Dieser ICT-Guide führt Sie zu einem lokalen Medien- und ICT-Konzept für Ihre Schule. Mit Hilfe eines eigenen Konzepts reagiert Ihre Schule auf die Entwicklungen unserer Mediengesellschaft. Sie legen darin fest, wie und inwiefern Sie den Unterricht und die Schulorganisation diesen Entwicklungen anpassen wollen.

Der Guide ist derzeit nur online verfügbar, eine lineare Version in PDF-Form ist angedacht. Als sammelwütiger Biblionetzkar konnte ich es nicht lassen und habe mir selbst ein PDF erstellt, das 175 Seiten umfasst. Der Guide gliedert sich in 11 Kapitel

  1. Einleitung zum Medien- und ICT-Konzept
  2. Leben und lernen in der Mediengesellschaft - Ausgangslage Volltext lokal digital vorhanden
  3. Wo wir stehen - Ist-Analyse der Schule
  4. Wie wir Medien und ICT in den Unterricht integrieren - Nutzungskonzept
  5. Welche Unterstützung wir anbieten - Support- und Beratungskonzept
  6. Wie wir uns Materialien und Wissen zur Verfügung stellen - Wissensmanagement
  7. Wie wir uns weiterbilden wollen - Weiterbildungskonzept
  8. Welche Ausrüstung wir einsetzen wollen - Infrastruktur
  9. Wie wir die Schul- und Unterrichtsqualität pflegen wollen
  10. Wie wir kommunizieren - Kommunikation und Information

und soll Schul- und Gemeindebehörden (deutsch: Schulträger) helfen, ein Medien- und ICT-Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Dabei wird zu jedem Thema ein anzupassender Mustertext und eine Vorgehensweise angeboten. Angesichts des Umfangs erstaunt es nicht, dass ich noch nicht zu einer vertieften Analyse gekommen bin. Grundsätzlich gefallen mir aber selbstverständlich solche Guides, habe ich doch selbst auch schon mehrere Publikationen in dieser Richtung mitverfasst... wink

Für eine 9seitige Zusammenfassung sei vorerst auf den Bildungsratsbeschluss (BRB) 43 PDF-Dokument verwiesen...

Das wirklich einzige, was mich ab 2013 an solchen Papieren noch interessieren kann, wird in Kapitel 8.1 beschrieben respektive eben nicht beschrieben. Ich will einfach nicht mehr lesen, dass Lernen ein Prozess sei, der in der Gemeinschaft mehr Spass mache als allein, dass Weiterbildung auch Teambildung sei und dass "...wir unsere Weiterbildung idealerweise mindestens zu zweit angehen werden". Aexgüsi, aber diesen Text finde ich ziemlich peinlich.

-- Main.BeatRuedi - 04 Jan 2013 Soeben lese ich in den SN vom 4.1.2013 ein Interview mit dem höchsten Bildungsdirektor der Schweiz, mit RR Christian Amsler, und dessen Forderung nach mehr Ingenieuren (und damit verbunden weniger Phil-I-ern) und höre mir den Beitrag in “10 vor 10″ an (http://www.srf.ch/player/tv/10vor10/video/ganze-sendung?id=d1373b76-27ed-47c3-a893-9967891935df). Dabei will Amsler die Förderung zukünftiger Ingenieure möglichst früh, sprich schon in der Primarschule, ansetzen und stimmt damit mit Hromkovic (http://blog.phzh.ch/observatorium/2012/07/02/droht-wirklich-eine-bildungskatastrophe/), nicht aber mit dem ICT-Guide überein.

-- Main.BeatRuedi - 04 Jan 2013

Neue ICT-Strategie für die Volksschulen im Kanton Schwyz

25 December 2012 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

An seiner Sitzung vom 30.11.2012 hat der Erziehungsrat des Kantons Schwyz die neue ICT-Strategie für die Volksschule im Kanton Schwyz PDF-Dokument (Biblionetz:t14412) gutgeheissen (Medienmitteilung PDF-Dokument). Damit werden die letzten kantonalen Rahmenempfehlungen aus dem Jahr 2000 abgelöst.

Mit der neuen ICT-Strategie für die Volksschulen des Kantons Schwyz kommen die Schwyzer Schulen in wichtigen Punkten einen Schritt weiter:

  • Infrastruktur: "Auf der Infrastrukturseite haben die Schulträger der Primarstufe und Sekundarstufe I bis zum Schuljahr 2015/16 dafür zu sorgen, dass in jedem Klassenzimmer mindestens ein Computer pro vier Lernende zur Verfügung steht. Empfohlen wird den Schulträgern zudem, bereits in den Kindergärten im Sinne eines weiteren Spiel- und Lernangebots eine Computerecke einzurichten. Weiter wird den Bezirken empfohlen, mittelfristig an ihren Schulen der Sekundarstufe I die Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler mit einem Notebook oder vergleichbaren Gerät anzustreben. Die Schulen werden bei der Ausarbeitung entsprechender Konzepte vom Kanton unterstützt." (aus der Medienmitteilung)

  • Tastaturschreiben: "Das heute auf der Sekundarstufe I unterrichtete Tastaturschreiben (Zehn-Finger-System) soll voraussichtlich ab Schuljahr 2015/2016 bereits ab der 4. Primarklasse im Rahmen von offenen Unterrichtsformen mittels geeigneter Tastaturschreib-Lernprogramme gelernt werden. Eine Arbeitsgruppe wird mit der Vorbereitung und Umsetzung dieses Ziels betraut." (aus der Medienmitteilung)

  • Medienbildung auf der Sekundarstufe I: "Im neuen Fach „Medienbildung“ werden in Anlehnung an den neuen Lehrplan 21 zum einen die Grund-lagen der Computernutzung systematisch vermittelt (Schulung in Programmen der Textverarbeitung und -gestaltung, Tabellenkalkulation, Präsentation und das Recherchieren im Internet). Zum zweiten werden medienspezifische Fragestellungen und Probleme thematisiert (Mobilkommunikation, Datenschutz, Si-cherheit im Internet, ethische Fragen rund um Missbrauchsmöglichkeiten des Internets, Urheberrecht, social web, usw.). Drittens sollen informationstechnische Grundlagen und Konzepte vermittelt werden, die einen Einblick in die Welt der Informatik ermöglichen. Das Tastaturschreiben wird explizit nicht im Rahmen dieses Fachs vermittelt." (aus der ICT-Strategie, S. 5-6)

Wie immer sind solche Strategiepapiere das Resultat zähen Ringens um einen mehrheitsfähigen Kompromiss. Ich denke aber, dass mit der Aussage "mittelfristig 1:1-Ausstattungen auf der Sekundarstufe I" und "Medienbildung auf der Sekundarstufe I inkl. informationstechnische Grundlagen und Konzepte" wichtige Meilensteine in der föderalistischen Schweizerischen Bildungslandschaft erreicht wurden. Meilensteine, nicht Ziele … wink

Weitere Informationen:

äxgüsi, aber es ist sehr einfach, schon morgen allen SuS einen Computer zur Verfügung zu stellen resp. deren Computer zu integrieren - und es ist eben so einfach, über ICT, über Medien und über die Gefahren im Internet zu reden, je unverbindlicher desto einfacher. -- Main.BeatRueedi - 25 Dec 2012

Jesses, das Internet ist da!

21 December 2012 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

%STARTBLOG% Gestern hatte ich meinen letzten Vortrag für dieses Jahr und zwar am Theresianum Ingebohl. Inhaltlich nichts umwerfend Neues, sondern in etwa mein diesjähriger Standardvortrag "Leitmedienwechsel auf der Sekundarstufe II" angepasst an die spezifischen Eigenheiten des Theresianums (u.a. Internatsschule für junge Frauen) und die Vorgespräche mit dem Rektor.

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Trotzdem war der Vortrag für mich speziell, hat er mich doch an die Anfänge meiner beruflichen Beschäftigung mit dem Thema Bildung in einer digitalen Welt zurückversetzt. Ich war vor fast genau 15 Jahren als junger ETH-Assistent bereits einmal am Theresianum Ingebohl. Die Schweizerische Akademie der technischen Wissenschaften (SATW) hat damals zusammen mit der ETH Zürich unter der Leitung von Werner Hartmann (Biblionetz:p00342) unter dem Namen Cyber Road Show während eines Jahres 23 Gymnasien besucht und das Internet vorgestellt.

Woche für Woche fuhr ein mit 25 Computern und Informationsmaterial gefüllter Lastwagen zu einem der 23 ausgewählten Gymnasien. Die beiden Zirkusdirektoren Jakob Lindenmeyer und Marc Pilloud (Biblionetz:p00336) haben zusammen mit Lehrlingen der Firma ASCOM am Wochenende die Computer aufgestellt, vernetzt und an das meistens extra für diese Woche installierte Internet angeschlossen. Während der Woche wurden die Lehrpersonen, die Schülerinnen und Schüler und sehr oft auch interessierte Eltern ins Internet eingeführt.

Damit sich die Schülerinnen und Schüler auf diesen Erstkontakt mit dem Internet vorbereiten konnten, habe ich im Rahmen meiner Didaktik-Ausbildung an der ETH Zürich als Semesterarbeit das Leitprogramm Wellenreiten auf der Datenautobahn (Biblionetz:b00321) entwickelt. Da die Lehrerinnen und Lehrer ja meist nicht mehr wussten als die Schülerinnen und Schüler musste das Unterrichtsmaterial selbsterklärend sein, darum ein Leitprogramm.

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Das Leitprogramm wurde 2002 überarbeitet, aber in diesem Zusammenhang ist es spannend, die Ursprungsversion von 1997 PDF-Dokument anzuschauen, die noch vom "Zappen im Internet" sprach, Newsgroups vorstellte und zur Suche selbstverständlich die Suchmaschine Altavista vorstellte (da es Google schlicht noch nicht gab (und niemand sich vorstellen konnte, dass Altavista je abgelöst werden könnte)).

Das Leitprogramm war (leider) nicht ganz eine Open Education Ressource (OER) (Biblionetz:w02058), offiziell musste man pro Schule 50 Franken für die Nutzung bezahlen, aber bereits 1997 boten wir das Dokument nicht nur als PDF, sondern auch als veränderbares Word-Dokument an.

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Damit ich einmal sehen konnte, ob und welche Internet-Kompetenzen "mein" Lehrmittel vermittelte, habe ich die Cyber Road Show Ende 1997 während einiger Tage begleitet. Ich werde nie vergessen, wie wir Ende November mit dem Lastwagen von Zuoz aus dem Engadin über den verschneiten Flüelapass gefahren sind und nach einigen Stunden vor dem Eingang des Theresianums Ingebohl ankamen. Eine Ordensschwester kam aus der Türe, erblickte den Lastwagen und uns und rief: "Jesses, das Internet ist da!"

"Jesses, das Internet ist da." So konkret und geballt kam das Internet später nie mehr in Schulen. Aber "Jesses, das Internet ist da." galt auch im übertragenen Sinn. Auch wenn der Lastwagen Ende der Woche das Internet wieder mitnahm - aus den Köpfen der LehrerInnen und Schülerinnen - und mittelfristig auch aus der Schule - war es nicht mehr wegzudenken. "Jesses, das Internet ist da.": Es kam, um zu bleiben.

Von der Cyber Road Show gibt es einen Abschlussbericht und selbst die Website zum Projekt ist noch online verfügbar.

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Eindrücke vom Besuch der Cyber Road Show am Theresianum Ingebohl

Beim Anschauen der Bilder habe ich intuitiv auf die kleinen Bilder geklickt um sie zu vergrössern - bis ich merken musste: Vor 15 Jahren waren Digitalbilder so klein, da gibt es nichts zu vergrössern. Wer sich aber für die Bilder aus der damaligen Zeit interessiert: Hier sind sie!

An meinem gestrigen Vortrag habe ich die Bilder des Theresianum-Besuchs vor 15 Jahren auch gezeigt, unter anderem auch das folgende Bild:

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Eine Folie aus dem gestrigen Vortrag

Und tatsächlich: Herr Huber sass im Publikum, arbeitet noch immer als Chemielehrer am Theresianum und kann sich ebenfalls noch lebhaft an den Besuch der Cyber Road Show erinnern smile

15 Jahre ist das her. Einerseits: Was ist seither alles passiert? Was ist alles eingetroffen, was wir schon damals prognostiziert haben, uns aber niemand glauben wollte? Aber auch: Was ist alles eingetroffen, das ich selbst 1997 nicht geglaubt hätte? Vor allem aber: Was ist alles gleich geblieben?

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Als ich nämlich in der Vorbereitung des gestrigen Referats auf dem Dachboden die Archivschachtel Cyber Road Show geöffnet habe, fiel mir auch ein vergilbter Zeitungsartikel aus dem Jahr 1997 in die Hände (Biblionetz:t14529):

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Vielleicht müsste man Internet durch Smartphones in Schülerhand ersetzen, aber ansonsten könnte man praktisch den gesamten Artikel auch heute publizieren. Lehrpersonen, die noch nicht so genau wissen, wie sie die technischen Möglichkeiten nutzen sollen, die Diskrepanz zwischen schulischer und privater ICT-Ausstattung, Schulbehörden, die ob der notwendigen Investitionen stöhnen: Seit 15 Jahren das gleiche Lied.

(Für die Schweizer Community: Da kommt doch Nostalgie auf beim folgenden Zitat aus dem Artikel wink )

Vielen Lehrkräften fehlt die Erfahrung, um beurteilen zu können, ob und wie sich die elektronische Spielwiese im Unterricht sinnvoll einsetzen lässt (siehe Kasten). Auch der Wülflinger Lehrer Rene Grisoni hat da seine Zweifel, obwohl ihm klar ist, dass das Internet "in der Wirtschaft einfach überall gefragt sein wird". Aber es lauern auch Gefahren: Drogenhandel über das Netz oder Cyber-Porno. Gefragt sind deshalb schülergerechte Angebote im neuen Datenträger, und da gibt es erste Ansätze. So baut der Kanton Zürich zusammen mit dem Frauenfelder Reallehrer und Computerfreak Hanspeter Füllemann das Schulnetz Schweiz auf (http://www.schulnetz.ch). Auf nationaler Ebene arbeitet die Schweizerische Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) an der Vernetzung von geeignetem Material. "Damit das Ganze richtig in Fahrt kommt, sollte jetzt auch noch ein Lehrmittelverlag einsteigen", sagt Hansueli Schiller.

15 Jahre.

Selbstverständlich ist auch im Bildungswesen diesbezüglich unglaublich viel passiert. Niemand wehrt sich mehr gegen Mailadressen für Lehrpersonen, Internet gehört zum Alltag aller, Smartphones zum Alltag vieler Lehrpersonen, etc. Aber die Grundfragen und Grundthemen sind seit 15 Jahren eigentlich die gleichen. Beruhigend und beunruhigend gleichzeitig.

Schöne Weihnachten!


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