Jesses, das Internet ist da!
Gestern hatte ich
meinen letzten Vortrag für dieses Jahr und zwar am
Theresianum Ingebohl. Inhaltlich nichts umwerfend Neues, sondern in etwa mein diesjähriger Standardvortrag
"Leitmedienwechsel auf der Sekundarstufe II" angepasst an die spezifischen Eigenheiten des Theresianums (u.a. Internatsschule für junge Frauen) und die Vorgespräche mit dem Rektor.
Trotzdem war der Vortrag für mich speziell, hat er mich doch an die Anfänge meiner beruflichen Beschäftigung mit dem Thema
Bildung in einer digitalen Welt zurückversetzt. Ich war vor fast genau 15 Jahren als junger ETH-Assistent bereits einmal am Theresianum Ingebohl. Die
Schweizerische Akademie der technischen Wissenschaften (SATW) hat damals zusammen mit der
ETH Zürich unter der Leitung von
Werner Hartmann (
Biblionetz:p00342) unter dem Namen
Cyber Road Show während eines Jahres 23 Gymnasien besucht und das Internet vorgestellt.
Woche für Woche fuhr ein mit 25 Computern und Informationsmaterial gefüllter Lastwagen zu einem der 23 ausgewählten Gymnasien. Die beiden
Zirkusdirektoren Jakob Lindenmeyer und
Marc Pilloud (
Biblionetz:p00336) haben zusammen mit Lehrlingen der Firma
ASCOM am Wochenende die Computer aufgestellt, vernetzt und an das meistens extra für diese Woche installierte Internet angeschlossen. Während der Woche wurden die Lehrpersonen, die Schülerinnen und Schüler und sehr oft auch interessierte Eltern ins Internet eingeführt.
Damit sich die Schülerinnen und Schüler auf diesen Erstkontakt mit dem Internet vorbereiten konnten, habe ich im Rahmen meiner Didaktik-Ausbildung an der ETH Zürich als Semesterarbeit das
Leitprogramm Wellenreiten auf der Datenautobahn (
Biblionetz:b00321) entwickelt. Da die Lehrerinnen und Lehrer ja meist nicht mehr wussten als die Schülerinnen und Schüler musste das Unterrichtsmaterial selbsterklärend sein, darum ein Leitprogramm.
Das Leitprogramm wurde 2002 überarbeitet, aber in diesem Zusammenhang ist es spannend, die
Ursprungsversion von 1997 anzuschauen, die noch vom
"Zappen im Internet" sprach,
Newsgroups vorstellte und zur Suche selbstverständlich die Suchmaschine
Altavista vorstellte (da es Google schlicht noch nicht gab (und niemand sich vorstellen konnte, dass Altavista je abgelöst werden könnte)).
Das Leitprogramm war (leider) nicht ganz eine
Open Education Ressource (OER) (
Biblionetz:w02058), offiziell musste man pro Schule 50 Franken für die Nutzung bezahlen, aber bereits 1997 boten wir das Dokument nicht nur als PDF, sondern auch als veränderbares Word-Dokument an.
Damit ich einmal sehen konnte, ob und welche Internet-Kompetenzen "mein" Lehrmittel vermittelte, habe ich die Cyber Road Show Ende 1997 während einiger Tage begleitet. Ich werde nie vergessen, wie wir Ende November mit dem Lastwagen von Zuoz aus dem Engadin über den verschneiten Flüelapass gefahren sind und nach einigen Stunden vor dem Eingang des Theresianums Ingebohl ankamen. Eine Ordensschwester kam aus der Türe, erblickte den Lastwagen und uns und rief:
"Jesses, das Internet ist da!"
"Jesses, das Internet ist da." So konkret und geballt kam das Internet später nie mehr in Schulen. Aber
"Jesses, das Internet ist da." galt auch im übertragenen Sinn. Auch wenn der Lastwagen Ende der Woche das Internet wieder mitnahm - aus den Köpfen der LehrerInnen und Schülerinnen - und mittelfristig auch aus der Schule - war es nicht mehr wegzudenken.
"Jesses, das Internet ist da.": Es kam, um zu bleiben.
Von der Cyber Road Show gibt es einen
Abschlussbericht und selbst die
Website zum Projekt ist noch online verfügbar.
Eindrücke vom Besuch der Cyber Road Show am Theresianum Ingebohl
Beim Anschauen der Bilder habe ich intuitiv auf die kleinen Bilder geklickt um sie zu vergrössern - bis ich merken musste: Vor 15 Jahren waren Digitalbilder so klein, da gibt es nichts zu vergrössern. Wer sich aber für die Bilder aus der damaligen Zeit interessiert:
Hier sind sie!
An meinem
gestrigen Vortrag habe ich die Bilder des Theresianum-Besuchs vor 15 Jahren auch gezeigt, unter anderem auch das folgende Bild:
Eine Folie aus dem gestrigen Vortrag
Und tatsächlich: Herr Huber sass im Publikum, arbeitet noch immer als Chemielehrer am Theresianum und kann sich ebenfalls noch lebhaft an den Besuch der Cyber Road Show erinnern
15 Jahre ist das her.
Einerseits: Was ist seither alles passiert? Was ist alles eingetroffen, was wir schon damals prognostiziert haben, uns aber niemand glauben wollte?
Aber auch: Was ist alles eingetroffen, das ich selbst 1997 nicht geglaubt hätte?
Vor allem aber: Was ist alles gleich geblieben?
Als ich nämlich in der Vorbereitung des gestrigen Referats auf dem Dachboden die Archivschachtel
Cyber Road Show geöffnet habe, fiel mir auch ein vergilbter Zeitungsartikel aus dem Jahr 1997 in die Hände (
Biblionetz:t14529):
Vielleicht müsste man
Internet durch
Smartphones in Schülerhand ersetzen, aber ansonsten könnte man praktisch den gesamten Artikel auch heute publizieren. Lehrpersonen, die noch nicht so genau wissen, wie sie die technischen Möglichkeiten nutzen sollen, die Diskrepanz zwischen schulischer und privater ICT-Ausstattung, Schulbehörden, die ob der notwendigen Investitionen stöhnen: Seit 15 Jahren das gleiche Lied.
(Für die Schweizer Community: Da kommt doch Nostalgie auf beim folgenden Zitat aus dem Artikel
)
Vielen Lehrkräften fehlt die Erfahrung, um beurteilen zu können, ob und wie sich die elektronische Spielwiese im Unterricht sinnvoll einsetzen lässt (siehe Kasten). Auch der Wülflinger Lehrer Rene Grisoni hat da seine Zweifel, obwohl ihm klar ist, dass das Internet "in der Wirtschaft einfach überall gefragt sein wird". Aber es lauern auch Gefahren: Drogenhandel über das Netz oder Cyber-Porno. Gefragt sind deshalb schülergerechte Angebote im neuen Datenträger, und da gibt es erste Ansätze. So baut der Kanton Zürich zusammen mit dem Frauenfelder Reallehrer und Computerfreak Hanspeter Füllemann das Schulnetz Schweiz auf (
http://www.schulnetz.ch). Auf nationaler Ebene arbeitet die Schweizerische Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) an der Vernetzung von geeignetem Material. "Damit das Ganze richtig in Fahrt kommt, sollte jetzt auch noch ein Lehrmittelverlag einsteigen", sagt Hansueli Schiller.
15 Jahre.
Selbstverständlich ist auch im Bildungswesen diesbezüglich unglaublich viel passiert. Niemand wehrt sich mehr gegen Mailadressen für Lehrpersonen, Internet gehört zum Alltag aller, Smartphones zum Alltag vieler Lehrpersonen, etc. Aber die Grundfragen und Grundthemen sind seit 15 Jahren eigentlich die gleichen.
Beruhigend und beunruhigend gleichzeitig.
Schöne Weihnachten!
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