Ob und wie - revisited (Folge 137)
1986 schrieb
Heinz Moser (
Biblionetz:p00885) im Buch
Der Computer vor der Schultür (
Biblionetz:b01568)
Anpassung oder Widerstand, das ist heute eine überholte und verfehlte Frage. Weigern sich Lehrer, Eltern oder Schulbehörden, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, dann geben sie lediglich ihr Mitspracherecht sang- und klanglos preis. Denn die Computer sind schon da, mitten in unserer Gesellschaft - nur manche haben dies noch nicht gemerkt.
Über 30 Jahre ist das her - und noch immer wird an gewissen Orten über Anpassung und Widerstand gestritten. Mit der zunehmenden Verbreitung des Digitalen in der Schule zeigt sich aber vor allem, dass das
wie noch lange nicht ausdiskutiert worden ist.
Lisa Rosa hat 2016
eindrücklich betont (
Biblionetz:t19215), dass wir uns auf das
wie konzentrieren und die ewige Diskussion um das
ob hinter uns lassen sollten:
Wenn wir glauben, dass unsere Hauptaufgabe immer noch darin bestünde, die zu überzeugen, die weiterhin ihre Finger in die Ohren stecken und lalala rufen, verpulvern wir unsere Kräfte in einem historisch längst entschiedenen Kampf, während wir die Auseinandersetzung, die noch zur Entscheidung steht, verpassen bzw. das Feld denen überlassen, die sie zum Schlechteren entscheiden.
Darum also zur Frage des wie: Kürzlich hat
Jöran Muuß-Merholz einen lesenswerten Artikel unter dem Titel
Trojaner, Katalysator oder Verstärker? (
Biblionetz:t26540) veröffentlicht, der unter anderem von
Philippe Wampfler im Blogpost
10 Thesen zu Schulentwicklung und Digitalität kommentiert worden ist. Insbesondere die von Philippe Wampfler überarbeitete Grafik von Jöran Muuß-Merholz hat mich getriggert, diesen Beitrag zu schreiben bzw. Grafiken zu zeichnen
Die Grafik hat mich daran erinnert, dass ich 2012 erstmals ebenfalls in diesen Kategorien nachgedacht habe
in einem Vortrag im Kanton Zug:
Grund genug, diese Überlegungen zu aktualisieren und mit den Gedanken anderer zu verknüpfen! Also:
Früher (TM) war meist die Frage, ob es Computer in der Schule braucht oder nicht:
Davon unabhängig und bereits vor der Markteinführung des Personal Computers 1981 gab es immer wieder Diskussionen zur Frage, worauf denn Schule vorbereiten müsse und welche Lerntheorie bzw. Lernkultur dafür benötigt würde:
Mit der zunehmenden Verbreitung von Computern begannen sich diese beiden Perspektiven zu überlagern: Einerseits stellte sich die Frage, ob der Computer den Bedarf für einen Lernkulturwandel erhöhe, andererseits bot der Computer auch Potenziale, die sich unter Umständen auch in der Bildung würden nutzen lassen. Damit entstand folgende 2x2-Matrix:
In diese Matrix lassen sich jetzt verschiedene mögliche Veränderung in der Schule einzeichnen. Da ist z.B. die von Jöran Muuß-Merholz als
Katalysator-These (
Biblionetz:w03176) bezeichnete Veränderung von einer
alten, auf Behaviorismus beruhenden, papiergebundenen Schulkultur zu einer
neuen, konstruktivistisch orientierten, digitalen Schulkultur -
der Computer als agent of change sozusagen:
Eine Abwandlung davon ist die
Trojaner-These (
Biblionetz:w03177): Zwar beabsichtigen die InitiatorInnen eines Digitalisierungsprojekts in der Schule eventuell nur einen technologischen Wandel - die Geräte allerdings werden einen Lernkulturwandel erzwingen (weil sich z.B. zeigt, dass bei Frontalunterricht die beschaffte 1:1-Ausstattung eher stört als hilft):
Jöran Muuß-Merholz hat aber verschiedentlich darauf hingewiesen, dass digitale Medien schlicht nur die bestehende Lernkultur verstärken könnte: Wer eher behavioristisch unterwegs ist, wird bewusst oder unbewusst die entsprechenden Potenziale des Digitalen nutzen, um dies zu verstärken - wer konstruktivistisch unterwegs ist genau so. Die
Verstärker-These (
Biblionetz:w03178):
Philippe Wampfler macht sich schon länger Gedanken über die beiden möglicherweise entstehenden digitalen Schulkulturen. Er unterscheidet
personalisierte Bildung und persönliche Bildung:
Setzt man die beiden Begriffe in die Matrix und
fragt bei Philippe nach, wo er denn die traditionelle Bildung platzieren würde,
so ergibt sich folgendes Bild
Ich verwende für die beiden digital geprägten Lernkulturen
seit letztem Jahr die Begriffe
Datadaktik und
Digidaktik, weil sich die eine Kultur vor allem über die unermesslichen Möglichkeiten der Datenauswertung freut:
Beim Nachdenken über diese Matrix habe ich mir überlegt, welche anderen Bewegungen noch denkbar sind und sich auch beobachten lassen. Mindestens eine ist mir noch in den Sinn gekommen: Schulen, welche sich enttäuscht von einer datengesteuerten Lernkultur abwenden und bei dieser Gelegenheit den Computer als Ursache des Übels ausmachen und in der Folge darauf verzichten. Ob
Backlash-These (
Biblionetz:w03179) dafür ein geeigneter Begriff ist?
Tja, und aus all den Überlegungen ergibt sich dann diese Grafik, die man vermutlich ohne die obigen Überlegungen nicht so einfach versteht. Aber vielleicht hilft sie als Zusammenfassung oder als Ausgangspunkt spannender Diskussionen…
P.S: Weil ich bei den letzten Grafiken mehrfach danach gefragt worden bin: Ja, die Grafiken dürfen mit Quellenangabe gerne verwendet werden.
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