Medienbildung

Vergangenen Mittwoch (11.06.2014) hat die Projektleitung des Lehrplans 21 (Biblionetz:w02172) zu einem Hearing in Sachen Teillehrplan ICT und Medien (Biblionetz:t15600) geladen und ca. 50 Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Pädagogischen Hochschulen und Interessen-Verbänden kamen. Es ging darum, die Arbeit der Expertengruppe II zum Teillehrplan ICT und Medien zu diskutieren, die in der Folge der allgemeinen Lehrplanvernehmlassung in Auftrag gegeben worden war.

Dies könnte man als Wirklichkeit 1, kurz W1 bezeichnen.

Am gestrigen Sonntag hat die NZZ am Sonntag über den Anlass berichtet. Der berichtende Journalist war selbst nicht am Anlass (weil keine Journalisten eingeladen waren), sondern musste sich auf ihm zugespielte Unterlagen und Berichte von Anwesenden (= W2) stützen.

Der Journalist schreibt also seinen Artikel (= W3) und speist ihn ins Redaktionssystem der NZZ ein. Vermutlich der Produzent macht einen kurzen, knackigen Titel dazu: Programmieren als Pflichtstoff (Biblionetz:t16654), ohne am Anlass gewesen (W1) zu sein oder mit den Anwesenden gesprochen zu haben (W2). Die NZZ stellt den Artikel nicht online, er ist also nur für Abonnentinnen und Abonnenten der NZZ am Sonntag wahrnehmbar.

Dazu gehört auch die Redaktion der Gratiszeitung 20 Minuten. Sie verfasst noch am Sonntag ihrerseits einen Artikel (= W4 ), dessen Inhalt einzig und allein aus dem Artikel der NZZ am Sonntag stammt. 20 Minuten war weder am Anlass, noch hat 20 Minuten die relevanten Unterlagen oder hatte Gelegenheit mit Personen zu reden, die am Anlass waren. Am Sonntagmittag erscheint der Artikel unter dem Titel Programmieren als Pflichtfach ab 3. Klasse (Biblionetz:t16662)

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Wie immer bei 20 Minuten stürzt sich nun eine Horde von Online-Kommentatoren auf den Artikel und verfasst bis am Sonntagabend über 80 Kommentare (W5) ohne am Anlass gewesen zu sein (W1), die Unterlagen dazu gelesen oder mit Anwesenden gesprochen zu haben (W2), den Artikel in der NZZ am Sonntag zu kennen (W3) oder - wenn man gewisse Kommentare liest - auch nur den Artikel in 20 Minuten (W4) genau gelesen zu haben. Aus dem Entwurf des Teillehrplans ICT und Medien des Lehrplans 21:

können an einfachen Beispielen Vor- und Nachteile von Primärerfahrungen, Medienbeiträgen und Erfahrungen in virtuellen Lebensräumen beschreiben (z.B. Naturerlebnis, Film, Geschichte, Lernprogramm). (Quelle)

und

Schülerinnen und Schüler können Funktion und Bedeutung der Medien für Kultur, Wirtschaft und Politik beschreiben und darlegen, wie gut einzelne Medien diese Funktion erfüllen (z.B. Manipulation, technische Abhängigkeit, Medien als vierte Gewalt).

Das lese ich auf inside.it
8←-- Nun also doch: Im Lehrplan 21 soll Programmieren einen festen Platz im Unterricht erhalten. Das Modul wird nun "Medien und Informatik" heissen. Laut der 'NZZ am Sonntag' sollen sich Kinder bereits ab der dritten Klasse eine Lektion pro Woche mit Computern, Programmen und neuen Medien auseinandersetzen. In der Oberstufe seien zwei Lektionen pro Woche eingeplant. So der Vorschlag der Expertengruppe der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK), weiss die Sonntagszeitung.
8←-- Was davon gehört zu W1 und was zu Wn - oder anders rum gefragt: Welche Änderungen soll es gegenüber der ursprünglichen Fassung geben?

-- Main.PeterSomm - 24 Jun 2014

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Heute bin ich auf die österreichische Initiative digi.komp - Digitale Kompetenzen informatische Bildung gestossen und habe gesehen, dass in den letzten sechs Monaten einige neue Dokumente veröffentlicht worden sind, die einen Besuch der Website lohnenswert machen (aus Erfahrung weiss ich, dass sich bezüglich digitaler Kompetenzen ein Blick nach Österreich immer mal wieder lohnt!).

digi.komp (Biblionetz:w02453)ist eine Sammlung von Kompetenzen für SchülerInnen verschiedener Altersstufen und für Lehrpersonen ohne und mit ICT-Sonderfunktionen, jeweils mit Erklärungen und Aufgabenbeispielen (http://www.edugroup.at/praxis/portale/digitale-kompetenzen/konzepte/kompetenzmodelle.html):

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Im Rahmen des Projektes Digikomp wurden als erstes die digitalen Kompetenzen der 10–14-Jährigen definiert und als digi.komp8-Kompetenzkatalog veröffentlicht. Unterrichtsbeispiele erleichtern und illustrieren die ganz konkrete Praxisumsetzung. digi.komp4, digi.komp9 und digi.komp12 komplettieren die Standards in den allgemeinbildenden Schulen.
Was sollen Schülerinnen und Schüler also können? Die Kompetenzmodelle gliedern sich jeweils in 4 Bereiche und sind durch einen ausführlichen Kompetenzkatalog im Detail modelliert.
Die Kompetenzmodelle, typische Aufgabenstellungen für den Einsatz im Unterricht sowie weiterführende Informationen sind unter www.digikomp.at abrufbar.
Quelle: Kein Kind ohne Digitale Kompetenzen!

digi.komp arbeitet mit 4 Kompetenzbereichen:

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digi.komp ist eine lohnenswerte deutschsprachige Quelle sowohl bezüglich Inhalten als auch bezüglich Aufbereitung des Themas für Lehrpersonen und Öffentlichkeit. Mir gefallen mindestens zwei Dinge an dieser Initiative:

Digitale Kompetenzen umfassen alle Aspekte, die vier Kompetenzbereiche

  1. Informationstechnologie, Mensch und Gesellschaft
  2. Informatiksysteme
  3. Anwendungen
  4. Konzepte

deckt sich mit "meinem" Denkmodell mit Informatik, Medienbildung und Anwendung bestens.

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Auch wenn ich mir die Partner der Initiative anschaue

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dann erhalte ich mindestens als naiver aussenstehender Beobachter das Gefühl, dass es in Österreich gelungen ist, "unstoppable Enthusiasm with one voice" zu generieren, wie dies Simon Peyton Jones (Biblionetz:p12809) aus England vorschlägt. Mögliche Einstiege:

Christian Borowski hat mich vor kurzem auf die Broschüre Computing in the national curriculum - A Guide for primary teachers PDF-Dokument (Biblionetz:t15952) aufmerksam gemacht. Die Broschüre versucht Englands Primarlehrerinnen und Primarlehrern das neue Thema Computing schmackhaft zu machen zu erklären.

Doch selbst für mich als Informatiker wird dank dieser Broschüre verständlicher, in welche Richtung sich Englands digitale Ausbildungspläne bewegen sollen.

In der Broschüre werden drei Aspekte des Themas computing unterschieden:

The core of computing is computer science, in which pupils are taught the principles of information and computation, how digital systems work and how to put this knowledge to use through programming. Building on this knowledge and understanding, pupils are equipped to use information technology to create programs, systems and a range of content. Computing also ensures that pupils become digitally literate – able to use, and express themselves and develop their ideas through, information and communication technology – at a level suitable for the future workplace and as active participants in a digital world.
Aspekt Beschreibung
Computer Science (CS) [All pupils] can understand and apply the fundamental principles and concepts of computer science, including abstraction, logic, algorithms and data representation.
[All pupils] can analyse problems in computational terms, and have repeated practical experience of writing computer programs in order to solve such problems.
Information Technology (IT) [All pupils] can evaluate and apply information technology, including new or unfamiliar technologies, analytically to solve problems.
Digital Literacy (DL) [All pupils] are responsible, competent, confident and creative users of information and communication technology. (DL)

Mit einem gewissen Abstand betrachtet, passt das gar nicht schlecht zur aktuellen Einteilung im deutschsprachigen Raum:

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Folie 69 aus dem Referat Informatik ist mehr als Informatik

Und wenn dann in der Broschüre zu lesen steht: "The core of computing is computer science,...", dann ist man nicht mehr weit von dieser Darstellung entfernt:

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Folie 70 aus dem Referat Informatik ist mehr als Informatik

(Schaut man sich die Beschreibungen im Detail an, dann entspricht der Bereich digital literacy nicht ganz dem Bereich Medien bzw. Medienbildung im deutschsprachigen Raum, bzw. ist eher eine informatikperspektivische reduzierte Sichtweise der Medienbildung).

Ebenfalls bestätigt fühle ich mich durch die Aussage in der Broschüre, man könne zwar die drei Bereiche unterscheiden, die Kompetenzen würden jedoch nicht eindeutig diesen Kompetenzen zugeordnet werden, da dies gar nicht immer so einfach sei. Wichtiger als eine genaue Aufteilung sei sowieso ein ausgeglichener, stimulierender und kreativer Zugang. Im Original:

It should be noted that the statutory requirements are not labelled under these three headings in the programme of study, and the distinction between information technology and digital literacy is open to some interpretation. The important thing is to cover the content in a balanced, stimulating and creative way rather than being overly concerned about the specifics of terminology.

Für diejenigen, die entsprechende Lehrpläne erarbeiten wink , aber auch für alle anderen lohnt sich ein Blick in diese Publikation!

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Eine Videoempfehlung zum Jahresbeginn (da in gewissen Kantonen ja heute auch noch Feiertag ist): Jöran Muuß-Merholz (Biblionetz:p09916) hat am vergangenen CCC-Kongress in Berlin einen provokativen und witzigen Vortrag gehalten unter dem Titel Warum die digitale Revolution des Lernens gescheitert ist - Fünf Desillusionen (Biblionetz:t15928): Der digi­tale Wan­del hat uns gran­diose Chan­cen für selbst­be­stimm­tes, krea­ti­ves, kol­la­bo­ra­ti­ves, kri­ti­sches und demo­kra­ti­sches Ler­nen gebracht. Wir haben sie nicht genutzt.

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Mir gefällt der Vortrag aus drei Gründen:
  • Da macht jemand auf wichtige Wunde Punkte aufmerksam
  • Der Vortrag hat ernsten Inhalt, ist aber witzig und auch selbstkritisch, Zuhören macht Spass
  • Da geht jemand aus dem üblichen Kuchen raus und spricht zu einem Publikum, dass sich sonst nicht hauptberuflich mit dem Thema beschäftigt.

Der Vortrag gliedert sich in 5 Thesen:
  1. Digitale Impotenz statt Werkzeuge zur (De-)Konstruktion von Wissen
  2. Digitale Elite statt Demokratisierung von Lernen und Wissen
  3. Didaktische Konterrevolution - Rattenkäfig statt Kompetenzentwicklung
  4. Veränderungsresistente statt lernende Organisationen
  5. Die "Eigentlichkeit" der Technik

Die Folien gibt es auch als PDF, doch die machen nur Appetit auf die Videoaufzeichnung, sind es doch nur 11 Folien:

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Die einzige kritische Rückmeldung zum Vortrag: Eigentlich wird nicht erklärt, warum die digitale Revolution des Lernens gescheitert ist, sondern nur dass da einiges nicht so lief, wie man sich das zu Beginn vorgestellt hat wink


Immerhin kamen zwei Hinweise zum Warum:
  • weil es immer Nürnberger-Trichter-mäßig eingesetzt wird und Pädagogen nicht loslassen können
  • weil die Technik doch nicht so zuverlässig ist, wie sie sein müßte, um regelmäßig und gerne eingesetzt zu werden (das war das iPad-Argument, dass die iPads deswegen öfter eingesetzt werden, weil die Akkus länger halten und die Geräte zuverlässiger sind.

-- Main.JuergenPlieninger - 06 Jan 2014 stimme zu, ein erfrischender Vortrag. Finde allerdings, der Titel triffst nicht. Es ist doch eher die Revolution des Lehrens, die gescheitert ist. Das (persönliche) Lernen ändert sich m.E. durchaus dramatisch. Die Herausforderung bleibt, diese zwei Felder zusammen zu bringen. Aber wie gesagt, ändert nix an Vortragsgüte …

-- Main.JoWe - 06 Jan 2014 Was heißt gescheiterte Revolution - wieso hätte je eine kommen sollen? Die wurde gerne mal als Heilsbotschaft postuliert, aber für mich nie überzeugend begründet.

-- Main.HerrRau - 07 Jan 2014

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Eine sonntägliche n=2-Studie

02 June 2013 | Beat Döbeli Honegger | Medienbildung
Sonntägliche n=2-Studie beweist: Computerspiele führen bei Kindergartenkindern weder zu Einsamkeit, verflachter Wahrnehmung noch beeinträchtigen sie die Feinmotorik, die Eigenaktivität, enaktive Lernprozesse oder die Eltern-Kind-Kommunikation.

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Mangels Farbdrucker handkoloriert

wink

(Rohmaterial)

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