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Virtuell Brainstormen

01 October 2009 | Beat Döbeli Honegger | Wiki
Hinweis: Dies ist ein preaching to the converted-Posting. Wer diesen Beitrag liest, muss mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr von seinem Inhalt überzeugt werden.

Vor einer Woche habe ich ein neues Projekt angepackt (worum es inhaltlich geht, ein andermal). Ich bin also hingesessen und habe mir so meine Gedanken gemacht. Irgendwann waren meine Gedanken fürs Erste so weit geordnet, dass ich sie gerne mit anderen diskutieren wollte. Ich schmiss meine Überlegungen in einen Skype-Chat, in welchen ich sechs potenziell am Thema Interessierte einlud. Dummerweise wurde ich dann im Büro durch etwas anderes abgelenkt, so dass ich die Chat-Diskussion sich selbst überlassen musste.

virtuell-brainstormen-01.jpg

Als ich nach einiger Zeit zurückkam, stellte ich mit grosser Freude fest, dass da in meiner Abwesenheit heftig diskutiert worden ist. Obwohl die Diskutierenden sicher alle auch viel zu tun hatten, war das Thema anscheinend attraktiv genug und somit in der Hierarchie des digitalen Ablenkungspotenzials genügend weit oben ;-).

Der Chat war meiner Ansicht nach bereits unübersichtlich geworden, so dass ich vor dem nach Hause Gehen rasch ein Etherpad aufsetzte, eine Webseite auf der alle ohne Registration schreiben und somit die Gedanken ordnen konnten:

virtuell-brainstormen-02.jpg

Am Abend wurde in Skype fleissig weiterdiskutiert und in Etherpad Gedanken gesammelt. Bereits am nächsten Morgen war die Diskussion so verästelt, dass meiner Ansicht nach auch eine einzelne Webseite nicht mehr ausreichte, um die Gedanken sinnvoll zu ordnen. Ein Wiki musste her! Also eröffnete ich auf meinem Wiki-Server rasch einen neuen Bereich, legte erste Seitenstrukturen an und lud die Diskutierenden ein, die verschiedenen Aspekte des Themas auf den vorbereiteten Wikiseiten weiter zu erörtern, was zu meiner Freude dann auch geschah:

virtuell-brainstormen-03.jpg

Irgendwann lehnte ich mich zurück und schob die inhaltlichen Gedanken beiseite. Ich war begeistert von dem, was da in den letzten 18 Stunden ganz selbstverständlich passiert war:

Eine Gruppe von an unterschiedlichen Orten arbeitenden WissensarbeiterInnen hat innert kurzer Zeit eine Frage aufgenommen und eine erste Auslegeordnung hergestellt und dabei problemlos drei verschiedene digitale Werkzeuge zur gemeinsamen Arbeit verwendet.

Keine Diskussion zu den Werkzeugen, keine Erklärungen, kein Anmeldeprobleme, nichts. Die Werkzeuge waren da, wurden aber als solche nicht mehr wahrgenommen, so wie ich beim Schreiben auch selten an den dabei genutzten Papierblock denke.

So muss es doch sein. Die digitalen Werkzeuge waren für diese Gruppe so alltäglich geworden, dass sie aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwunden waren. Diese Selbstverständlichkeit möchte ich gerne vermitteln können, wenn ich in Vorträgen oder Diskussion zu zeigen versuche, wie das Arbeiten in der Informationsgesellschaft aussehen kann.

Diese virtuelle Zusammenarbeit hat meiner Meinung nach übrigens darum so gut geklappt, weil sich viele der Beteiligten auch real kannten. Ich bin der Überzeugung, dass virtuelles Arbeiten realer Begegnungen bedarf. Nur so kann das Vertrauen und die notwendige Vertrautheit entstehen, dass auch beim virtuellen Zusammenarbeiten wo teilweise die nonverbalen Botschaften und andere wichtigen Signale fehlen, keine Missverständnisse und Missstimmungen auftreten.

So, und zum Abschluss habe ich mir diese Erfahrung auch noch durch die Brille des Informationswissenschafters angeschaut:

virtuell-brainstormen-04.jpg

  1. Als erstes haben wir ein multi-user Werkzeug verwendet, das im Diskussionsmodus funktioniert:
    Es gibt nur einen einzigen Raum, Nutzende können nur am einen Ende etwas hinzufügen.
  2. Danach kam ein multi-user Werkzeug hinzu, das auf dem single-document-Modus beruht:
    Es gibt nur einen einzigen Raum, Nutzende können überall etwas hinzufügen oder Bestehendes ändern und löschen.
  3. Schliesslich kam mit dem Wiki ein multi-user-Werkzeug hinzu, dass mehrere getrennte Räume bietet:
    Im multi-document-Modus können Nutzende auf verschiedenen Seiten etwas hinzufügen oder Bestehendes ändern und löschen.

Hallo Beat

Spannend - auch der Inhalt der Brainstorminarbeit smile

-- Main.MartinHofmann - 17 Sep 2009 Hallo Beat,

ja → dahin sollte wohl der weg führen smile Sicherlich gibt es auch einen gewissen Teil, der mit solcher socialsoftware schon unbewusst umgeht.

Doch wie sieht es in der Bildung bzw. ausbildung hin zu solchen Fähigkeiten im Umgang mit social Software aus? Hier muss man es dann in einem längeren Prozess schaffen, zunächst die wesentlichen Kompetenzen zu entwickeln → danach die Nutzer zu sensibilisieren ("think before u post" usw.) → und erst dann wird man nach längeren einüben zu dem stand gelangen dass auch die Junge generation "verantwortungsvoll-unbewusst"?:-P mit solchen Applikationen umzugehen weiß, oder wie sehen Sie,du das?

Etwas widersprüchlich aber gleichzeitig sehr interessant finde ich auch den Aspekt, dass ja eigentlich erst der Nutzer (d.h. wie ein Nutzer eine Applikation nutzt → also bewusst) diese als web2 applikation charakterisieren lässt?

Dieser Blogentry spiegelt also meiner Meinung nach einen sehr spannenden und interessanten Aspekt wieder allerdings geht er meiner Meinung nach schon fast einen Schritt zu weit in Richtung - das wäre das große Ziel - fraglich bleibt wie solche Kompetenzen in der Realität großen Menschenmassen vermittelt werden könne ? hm...

viele grüße tobi -- Main.TobiasHufnagel - 18 Sep 2009
Hallo Tobias,
natürlich bin ich mir bewusst, dass es noch ein langer Weg ist, bis solche Arbeitsweisen allgemein üblich geworden sind. Doch in diesem Post wollte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass mindestens mein Umfeld genügend early adopters enthält, mit denen man bereits jetzt so arbeiten kann.

P.S. Ich kann den Widerspruch in der Aussage nicht sehen, dass erst der User ein Werkzeug zu einem Web 2.0 Werkzeug macht. Klar. Technik bietet Potenziale, aber der Mensch muss sie nutzend gestalten. Technik determiniert selten.

-- Main.BeatDoebeli - 19 Sep 2009 Yes - so soll es sein! Ich habe auf der GMW 2009 mit Etherpad experimentiert und bin begeistert. Keine Funktionsfülle, aber genau das, was ich brauche, ohne viel Umstand, einfach transparent.

Jetzt wünsche ich mir für die GMW10 Strom an jeden zweiten Platz (wir heben jeden Platz für die GMW11 auf).

D. Weber-Wulff

-- Main.WeWu - 19 Sep 2009 Lieber Beat Genau den gleichen Prozess haben wir gerade verfolgt, ganz unabhängig von dem Weblog-Beitrag: erst skype, nun etherpad … da stehen wir noch, vielleicht schaffen wir den Sprung noch ins Wiki?

-- Main.MandySchiefner - 01 Oct 2009

Programming Wiki

25 September 2009 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Wiki
Den grössten Future-Shock Level an der vergangenen GI-Fachtung Informatik und Schule INFOS 2009) hatte für mich der Beitrag von Michael Hielscher und Christian Wagenknecht mit dem Titel Programming-Wiki: Online Programmieren und Kommentieren (Biblionetz:t09878)

Die beiden haben eine Erweiterung für Media-Wiki entwickelt, mit der sich im Wiki Programme in verschiedensten Programmiersprachen erstellen und bearbeiten lassen, die dann im Webbrowser des Users ausgeführt werden. Die kann dann z.B. folgendermassen aussehen:

programmingwiki01.jpg

Mit dieser Extention wird eine Media-Wiki zum LMS für den Informatikunterricht: Ich kann Script, Beispielprogramme und Übungen im Wiki erstellen und publizieren, die Lernenden können danach direkt auf der gleichen Seite Übungsaufgaben lösen und deren Funktionsfähigkeit/Korrektheit überprüfen. Genial! Keine lokalen Softwareinstallationen, keine aufwändigen Einarbeitungen in Entwicklungsumgebungen, von denen man im Unterricht vermutlich einen geringen Prozentsatz der angebotenen Möglichkeiten nutzt. Reduce to the essential!

Ist die Extension erst einmal installiert, so ist das Einbauen von Programm-Code simpel einfach, die der Quellcode des oben stehenden Beispiels zeigt:

<eval>
canvas.clear(); // Zeichenfläche löschen
turtle.home();

boolean isUp = false;

for(int i = 0; i < 18; i++){  
 turtle.penColor(i*10+50,0,250-10*i);  
 turtle.penWidth(8);
 turtle.forward(20);  
 turtle.right(20); 
 isUp = !isUp; 
 if(isUp) turtle.penUp(); else turtle.penDown();
}
</eval>

<canvas></canvas>

Es genügen die Tags
<eval> / </eval>
für Programmcode und
<canvas> / </canvas>
für den Outputbereich.

Derzeit unterstützt die Programming-Extension folgende Programmiersprachen:
  • JAVA
  • SQL
  • Scheme
  • Prolog
  • Pascal
  • JavaScript
  • XSLT
  • XPATH

Warum so viele? Weil die Extension u.a. auf Java aufbaut. Somit lässt sich auf einfache Weise jede Programmiersprache einbinden, für die ein Java-Interpreter existiert. Mir gefällt insbesondere, dass neben klassischen Programmiersprachen auch Datenbearbeitungs- und Filtersprachen wie SQL und XSLT oder XPATH verfügbar sind. Ich freue mich auf das erste Datenbankvorlesungsskript, dessen Übungen gleich im Wiki eingebaut und damit on the fly ausführbar sind:

programmingwiki02.jpg

Warum mich das alles so fasziniert: Es erweitert die Mächtigkeit von Wikis. Was ist daran so toll? Wer nichts von dieser Extension weiss, wird nicht durch deren Existenz verwirrt, es bleibt ein Wiki. Wer aber die Möglichkeiten kennt, kann damit vieles machen. Getreu dem Motto: Low floor, high ceiling.

Die Extension ist übrigens derzeit noch nicht frei verfügbar, Anfragen beim Autor können aber gemacht werden. Mehr Infos unter http://michael-hielscher.de/wiki/index.php/Startseite ,

Inhaltliche Nähe

20 March 2009 | Beat Döbeli Honegger | Biblionetz, Visualisierung, Wiki

Ein spannendes Flash-Applet zur Navigation wird derzeit an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd entwickelt

inhaltliche-naehe.png

Die Inhaltliche Nähe stellt den Versuch dar, dem User eine alternative Navigationsmöglichkeit in unserem Wiki zu geben. Im Gegensatz zur konventionellen hierarchischen Navigation die unter "Menü" abgebildet ist, wird hier der Fokus auf den inhaltlichen Kontext gelegt.

WEitere Details zu den Interaktionsmöglichkeiten, Überlegungen zur Berechnung der inhaltlichen Nähe und zur Implementation gibt es unter http://ig.hfg-gmuend.de/medienlabor/inhaltliche-nahe

Spannend sowohl fürs Biblionetz als auch für Wikis.

Wikispaces auf deutsch

25 February 2009 | Beat Döbeli Honegger | Wiki
Der Wiki-Provider wikispaces bietet jetzt auch ein deutschsprachiges User-Interface an. Zusammen mit seiner Initiative 250'000 kostenlose Wikis für K-12 scheint mir dies eine interessante Möglichkeit für Lehrpersonen, die mit ihrer Klasse ein Wiki nutzen wollen.

Streit führt zu TWiki-Spaltung

05 November 2008 | Beat Döbeli Honegger | Wiki
Ende Oktober 2008 hat praktische die gesamte Entwickler-Community von TWiki das Projekt verlassen und eine Abspaltung unter dem provisorischen Namen NextWiki gegründet.

heise.de berichtet:

Grund für diesen Schritt war ein Release-Meeting, bei dem bekannt gegeben wurde, dass die Firma Twiki.net des Projektgründers und Inhabers der Marke "Twiki", Peter Thoeny, nun die alleinige Leitung des Open-Source-Projekts Twiki überehmen werde. Das untermauerte Thoeny, der die Projekt-Server betreibt, mit der Sperrung der Accounts aller Hauptentwickler. Nur jene, welche den neuen Regeln zustimmen, sollten Zugriff auf den Code erhalten.

Der Streit zwischen der Community und Peter Thoeny schwelt schon länger: Wurde die Firmengründung von Twiki.net vor ungefähr einem Jahr noch begrüßt, kam es danach schnell zu Mißtönen. Die Community war frustriert darüber, dass Twiki.net sich die Erfolge der freien Entwickler selbst zuschrieb und sie keine rechtlich verbindliche Erlaubnis erhielt, die Marke Twiki zu nutzen.

Praktisch alle Quellen berichten derzeit, dass diese Abspaltung die Stabilität und die Zukunftsaussichten der weit verbreiteten Wikiengine nicht gefährden würden, im Gegenteil: Jetzt, da der in letzter Zeit eher bremsend wirkend Initiator Neuerung nicht mehr verhindern könne, sei mit einer rascheren Weiterentwicklung zu rechnen. Da praktisch alle Entwickler zu NextWiki gewechselt hätten, sei auch kein Know-how-Verlust zu verzeichnen.

Weiterführende Infos: