Medienbildung

"Wir leben in einer digital geprägten Gesellschaft..."

Ach nee - #gähn! Die diese Woche publizierte Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt beginnt ja wie jede x-beliebige Sonntagsrede eines Bildungspolitikers in den letzten 20 Jahren und könnte auch von meinem Medienkonzept-Blahfaselgenerator stammen. War es wirklich nötig, nochmals eine Erklärung abzugeben?

In diesem Beitrag möchte ich schildern, wie es zu dieser Erklärung kam und was für mich das Besondere an ihr ist.

Medien und Informatik ist kein Thema

26 September 2015 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbildung

Es ist keine neue Erkennntnis, aber wieder mal ein aktueller Beleg für die Tatsache, dass der Teillehrplan Medien und Informatik (Biblionetz:t17600) kein Thema in der öffentlichen Wahrnehmung des Lehrplans 21 (Biblionetz:w2172) ist.

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Im aktuellen Interview der Coop-Zeitung mit Urs Moser Die neue Schule - Das will der Lehrplan 21 (Biblionetz:t18208) kommen die Begriffe ICT, Medien und Informatik nicht vor. Zur Frage, was sich denn gegenüber früheren Lehrplänen geändert habe, meint Urs Moser:

Mein gestriges Referat am 3. nationalen Fachforum Jugendmedienschutz war ein Auftakt zu einer Podiumsdiskussion zur Rolle der Schule bei der Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Um eine etwas lebhaftere Diskussion zu initiieren, habe ich unter dem Titel Digitale Medien im Lehrplan 21: Hoffnung oder Hydra? betont pessimistische Töne angeschlagen:

Ging es beim Lehrplan 21 (Biblionetz:w02172) noch darum, einen Drachen zu erlegen bzw. zu zähmen, so kommt mir die aktuelle Situation eher wie der Kampf gegen eine 21-köpfige Hydra vor. Die Umsetzung des Lehrplans 21 erfolgt in der Schweiz brav föderalistisch kantonal, im Bereich Medien und Informatik hat sich die D-EDK explizit gegen eine koordinierende Arbeitsgruppe ausgesprochen. Somit sind jetzt in 21 Kantonen die gleichen Probleme, Vorbehalte und Herausforderungen zu lösen und es muss 21fach Aufklärungsarbeit geleistet werden. Ich sehe die Herausforderung in drei Bereichen:

  • Stundentafel: Jeder Kanton setzt die Vorschläge des Lehrplans 21 bezüglich Stundentafel anders um. Gewisse Kantone machen wie vorgeschlagen bereits ab der 5. Klasse ein Fach "Medien und Informatik", andere integrieren das Thema in Mathematik und Deutsch.
  • Aus- und Weiterbildung: Alle Bildungsdirektionen kämpfen mit Sparprogrammen und haben darum wenig Freude an Forderungen nach umfangreicher Weiterbildung der Lehrpersonen im Bereich "Medien und Informatik". Wie aber Lehrpersonen der Sekundarstufe I in 4 Nachmittag befähigt werden sollen, Informatik zu unterrichten, ist mir ein Rätsel.
    Im Ausbildungsbereich sehen sich die Pädagogischen Hochschulen mit dem Problem konfrontiert, in einen vollen Studienplan ein weiteres Fach "Medien und Informatik" zu integrieren.
  • Einführungszeitpunkt: Gewisse Kantone haben bereits mit der Einführung begonnen, andere wollen erst 2021 (wie passend...) starten. Dies erschwert kantonsübergreifende Kooperationen.
  • Lehrmittel: Für den Themenbereich "Medien und Informatik" fehlen bisher zum Lehrplan passende Lehrmittel. Auf der Website http://www.lehrplan.ch wird dieses Fehlen in der FAQ bei der Frage nach den Lehrmitteln nicht einmal erwähnt...

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Natürlich gibt es vierlorts lobenswerte Einzelinitiativen. Aber im Schnitt ist die Arbeit seit der Verabschiedung des Lehrplans 21 anstrengeder geworden.

Als mögliche Unterstützung für Interessenvertreter in den Kantonen zwei Dokumente:

Nicht nur in der Schweiz mit dem Teillehrplan Medien und Informatik (Biblionetz:t17000) des Lehrplans 21 stellt sich die Frage des Verhältnisses von Medienbildung (Biblionetz:w01779) und informatischer Bildung (Biblionetz:w02382). Auch in anderen Ländern bewegt sich das Pendel hin und her.

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Grund genug für ein Themenheft der Zeitschrift MedienPädagogik haben wir (Heinz Moser, Horst Niesyto, Klaus Rummler und ich) uns gesagt. Seit kurzem ist der Call for Papers PDF-Dokument draussen:

Medienbildung und informatische Bildung - quo vadis?

Zum Verhältnis von Medienbildung und informatischer Bildung

Die Zeitschrift MedienPädagogik wird sich in einem eigenen Themenheft 2015 breit mit dem Verhältnis Medienbildung und informatische Bildung auseinander setzen. Der vorliegende Call bittet um Themenvorschläge (im Rahmen eines Abstracts von ca. 150-200 Wörtern), welche sich auf folgende Fragebereiche beziehen:
  • Wie wird der Verlauf der Informatikdiskussion innerhalb der Medienpädagogik in den letzten Jahrzehnten eingeschätzt, und welche Schlüsse müssen daraus für die Zukunft gezogen werden?
  • Was sind mögliche Gründe für die aktuellen Bestrebungen in Teilen der Informatik, sich von Medienbildung abzugrenzen? Wurden seitens der Medienpädagogik die Thematisierung informatischer Methoden, Sichtweisen und Prozesse vernachlässigt?
  • Gibt es zwischen Medienbildung/ Medienpädagogik und informatischer Bildung einen kohärenten Bereich oder müsste die informatische Bildung unabhängig davon konzipiert werden? Gibt es gemeinsame pädagogische und didaktische Ziele, die für beide Bereiche gelten? Gibt es sich ergänzende, wechselseitig bedingende Aufgaben und Ziele?
  • Welche medienbezogenen Kompetenzen sind bei Lernenden und Lehrenden in einer digitalen Gesellschaft erforderlich? Und was bedeutet dies für die Medienbildung sowie für die informatische Bildung?
  • Welchen Stellenwert soll die informatische Bildung im Konzept einer medienpädagogischen Grundbildung bzw. einer „Grundbildung Medien“ an Hochschulen und Schulen erhalten? Wie sieht dies in den einzelnen schulischen Bildungsplänen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus? Welche zusätzlichen bildungspolitischen Forderungen wären zu stellen? Ist angesichts der Fülle medienbezogener Aufgabenstellungen der rein fächerintegrative Ansatz an Schulen gescheitert? Bedarf es eines eigenen Schulfachs, um hinreichend Grundlagen für eine fächerintegrative Perspektive zu legen?
  • Welche Begründungen für Medienbildung und informatische Bildung gibt es und wie sollen die damit verbundenen Anliegen im Rahmen eines umfassenden Verständnisses in der schulischen Bildung umgesetzt werden?
  • Wie lassen sich bei ausserschulischen Aktivitäten Medienbildung und informatische Bildung kombinieren? Welche herausragenden Projekte gibt es hier bereits? Welche Umsetzungsperspektiven in die Breite sind hier sinnvoll und notwendig?
  • Wie sind die Entwicklungen im deutschsprachigen Raum in den internationalen Diskurs einzuordnen? Ergibt sich aus dieser Perspektive ein zusätzlicher Handlungsbedarf?

Die eingereichten Beiträge sollen theoretisch und empirisch fundiert sein, sich auf wichtige Aspekte der Thematik beziehen und bisher unveröffentlicht sein (Originalartikel). Sie sollten ca. 30.000 bis max. 40.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen. Ein Abstract von 150–200 Wörtern fasst die zentralen Aussagen und Ergebnisse kurz zusammen. Sowohl Titel wie Abstract des Beitrags müssen in deutscher und englischer Sprache vorliegen und zusammen mit dem Artikel eingereicht werden.

Alle Beiträge werden einem double-blind peer-review-Verfahren unterzogen.

Zeitplan:
  • Einreichung der Abstracts: bis 31. März 2015
  • Einladung zur Einreichung der Beiträge bis 30. April 2015
  • Abgabe der Manuskripte: bis 31. August 2015
  • Begutachtung (Peer-Review-Verfahren): bis 31. Oktober 2015
  • Evtl. Überarbeitung der angenommenen Beiträge: bis 10. Januar 2016
  • Produktion (Layout, Aufschaltung): bis 31. März 2016

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Moduldidaktik statt Fachdidaktik?

23 October 2014 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbildung, Veranstaltung
Thomas Merz (PH Thurgau) und ich bieten an der zweiten Tagung Fachdidaktiken der cohep folgenden Workshop an:

Moduldidaktik statt Fachdidaktik?

Zur besonderen Situation von Medienbildung und Informatik

Medienbildung und Informatik werden im Lehrplan 21 aufgewertet, indem sie als Themen in einem gemeinsamen Modul eigene Zeitgefässe erhalten. Doch die Fachdidaktiken - oder müsste von Moduldidaktiken gesprochen werden? - Medienbildung und Informatik sind an den einzelnen PHs unterschiedlich ausgeprägt und ausgerichtet. Auch die Verbindung in einem gemeinsamen Modul ist für beide Themen ungewohnt. Mit der Umsetzung des Lehrplans 21 werden Fragen von Ausrichtung und Gewichtung, aber auch konkret von Lehrmitteln, Aufgabensammlungen sowie notwendiger Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen und PH-Dozierenden bald sehr drängend werden. Der Workshop skizziert den aktuellen Stand der Themen an den Deutschschweizer PHs und diskutiert notwendige gemeinsame und getrennte Schritte zu ihrer Professionalisierung.

Wir freuen uns über zahlreiche Teilnehmende und spannende Diskussionen!

Kontakt

  • Beat Döbeli Honegger
  • Plattenstrasse 80
  • CH-8032 Zürich
  • E-mail: beat@doebe.li
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