Medienbericht

Wer programmiert hier wen?

22 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht
Im Tages Anzeiger von gestern Montag, den 20.09.2010 ist unter dem Titel Versicherer ziehen konservative Bewerber vor ein Artikel zu Online-Eignungstests von Schweizer Versicherungsunternehmen für zukünftige Aussendienstmitarbeitende zu lesen.

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Die Geschichte in Kürze: Die Versicherer liessen ihre bestehenden Aussendienstmitarbeitenden gegen 800 Fragen zu ihrer Lebensweise, Einstellungen etc. beantworten. Mittels Statistikprogrammen eruierten sie danach diejenigen Fragen bzw. Antworten, welche mit dem Verkaufserfolg der Mitarbeitenden korrelierten. Diese Fragen stellen sie nun per Webinterface Stellenbewerberinnen und -bewerbern und können so automatisiert potenziell erfolgreiche Mitarbeitende aussortieren. Im Artikel wird anschliessend darauf eingegangen, ob dieses Vorgehen arbeitsrechtlich korrekt sei.

Mich interessiert ein anderer Aspekt der Geschichte: Welche Rolle spielt hier der Computer? Eines ist klar: Ohne Computer wäre dieses Vorgehen unmöglich. Erst der Computer ermöglicht, mit einigermassen vertretbarem Aufwand alle Mitarbeitenden 800 Fragen beantworten zu lassen und dann Korrelationen zum Mitarbeitenden-Umsatz zu suchen. Dies ist ein Beispiel für die These, dass der Computer dazu geführt hat, immer mehr zu messen und auszuwerten. Gunter Dueck (Biblionetz:p01183) hat dafür den Begriff Omnimetrie (Biblionetz:w01810) geprägt, den er als "die Sucht oder die Notwendigkeit, alles zu messen." definiert.

Der Computer hat in dieser Geschichte noch eine andere Rolle: Er wimmelt automatisiert und scheinbar ohne menschliche Verantwortung aus Sicht der Versicherungen ungeeignete Bewerberinnen und Bewerber ab. Hier werden Entscheidungen scheinbar an den Computer delegiert. Kein Mensch in der Versicherung muss mehr hinstehen und jemandem ins Gesicht sagen, dass die Versicherung nicht an der Bewerbung interessiert sei. Das erledigt der Computer.

Omnimetrie und Delegation sind zwei Aspekte des Mensch-Maschine-Verhältnisses, das wir auf dem Niveau Sekundarstufe 2 im Modul Wer programmiert hier wen? des Online-Informatik-Lehrmittels http://iLearnIT.ch behandeln.

Das Modul beschäftigt sich mit der Interdependenz von Mensch und Maschine. Auf der Primarschulstufe (5./6. Klasse) geht es primär um die sinnvolle Gestaltung der Benutzerschnittstelle, auf der Sekundarstufe II sind dann auch gesellschaftliche und ethische Aspekte ein Thema.

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Als Rahmengeschichte wollen die drei Roboter, bit, byte und nibble Tickets für eine Bergbahn kaufen. Zu diesem Zweck stehen ihnen drei Kaufmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Ticket-Automat
  • Webinterface
  • Bestelltelefon

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Alle drei Kaufmöglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile. Anhand dieser wird das Verhältnis Mensch-Maschine diskutiert. Die drei Kaufmöglichkeiten müssen analysiert werden, lassen sich umprogrammieren und anhand von Türen und Lichtschaltern wird das Thema auch ohne Computer aufgezeigt.

Das Modul ist in drei Schwierigkeitsstufen verfügbar:

Bemerkungen & Fehlermeldungen gerne an info@iLearnIT.ch

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MINT-Fachkräfte-Mangel

03 September 2010 | Beat Döbeli Honegger | Informatik, Medienbericht
Dieser Tage ist der Bericht des Bundesrates Mangel an MINT-Fachkräften in der Schweiz PDF-Dokument (Biblionetz:b04144) erschienen. Die Nachrichtensendung 10 vor 10 hat dazu einen Bericht ausgestrahlt, in welchem unter anderem der Berner Informatikdidaktiker Martin Lehmann (Biblionetz:p05112) zu den Gründen für das geringe Interesse am Fach Informatik befragt wird (nachdem er kameragerecht an einem Mindstorm-Roboter rumgewerkelt hat... wink ).

10vor10 vom 01.09.2010

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Der Verleger und das Internet

22 August 2010 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht
In der heutigen NZZ (17.08.2010) fordert der Schaffhauser Zeitungsverleger Norbert Neininger unter dem Titel Verlage haben Anrecht auf besseren Schutz (Biblionetz:t12121) ein "Leistungsschutzrecht als Grundlage für den weiteren Erhalt freier Medien".

Ob er mit diesem Artikel der Sache der Verlage und des Qualitätsjournalismus einen Dienst erwiesen hat, scheint mir eher zweifelhaft. Der Artikel strotzt vor sachlichen Fehlern, der sowohl zeigt, dass Neininger von wichtigen Exponenten und Geschäftsmodellen im Internet wenig Ahnung hat als auch- was mich fast noch schlimmer dünkt - der Artikel es in der NZZ zur Publikation gebracht hat, ohne dass jemand sanft korrigierend eingegriffen hätte.

Beispiele gefällig? Wer sich für ausführliche Verrisse und Widerlegungen interessiert, lese Peter Haber: Lauwarme Semmel in der Neuen Zürcher Zeitung, die bisher 13 Kommentare auf der NZZ-Website, sowie die Kommentare auf dem Weblog des Autors.

Hier nur der Satz mit der grössten Irrtumsdichte:

Nachdem klar geworden ist, dass es weder Google noch Wikipedia um die Vermehrung des Wissens, sondern um Marktanteile, Umsatz und Ertrag geht und auch auf den Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook (über Werbung) Milliarden eingenommen werden, verteidigen nun auch Verleger ihre und damit die Interessen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Solange ein Mitglied des Präsidiums des Verbands Schweizer Presse solche Sachen über das Internet schreibt, mache ich mir wirklich Sorgen um die Zukunft der Schweizer Presse...

Update: Norbert Neininger hat wiederum auf die Reaktionen reagiert, die sein Artikel ausgelöst hat:

Mein Artikel zur Verbesserung der Urheberrechts zum Schutz des geistigen Eigentums von Journalisten und Verlagen im Internet wurde – das war zu erwarten – heftig diskutiert. Nicht zu erwarten aber war, dass dies teilweise sehr form- und stillos geschah. Ganz offensichtlich hat FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher also recht, wenn er (in „Payback“) feststellt, dass der häufige Umgang mit der neuen Hard- und Software (im und ums Internet) die Konzentration schwächt. So wurden beispielsweise Dinge widerlegt, die ich gar nie behauptet hatte. Über die Unhöflichkeit und Schnoddrigkeit sollen andere lamentieren, ich nehme selber sie ebenso kommentarlos zur Kenntnis wie die Tatsache, dass Deutschfehler häufig sind.

Hmm, diese Einleitung macht aus meiner Sicht die Sache nicht besser. Es sind keine Sachargumente, Neininger fühlt sich betupft über die zum Teil schnodrigen Reaktionen, die er erleben musste. Sein Versuch, sein ad hominem Argument (Biblionetz:w02133) der zahlreichen Deutschfehler zu kaschieren ("nehme ich kommentarlos zur Kenntnis") wirkt nicht sehr souverän. Zudem sollte nicht mit Steinen werfen, wer selbst im Glashaus sitzt: Auch notable Printmedien haben in letzter Zeit zunehmend Mühe mit der Rechtschreibung...

Auf den geäusserten Vorwurf, seine Vorschläge seien unausgegoren, meint Neininger:

Man darf davon ausgehen, dass unser Verband dieses Thema sorgfältig und überlegt angeht und man sich keine Sorgen über fehlendes juristisches Wissen machen muss. Mein Artikel war nicht der Ort, um Einzelheiten zu publizieren.

Hmm, gerade bei einem Medienschaffenden würde man aber doch erwarten, dass er das Thema nicht nur sorgfältig und überlegt angeht, sondern beschreibt. Wikipedia im gleichen Atemzug und ohne weitere Begründung mit Google als nach Gewinnen und Marktanteilen strebende Organisation zu bezeichnen, ist aber nicht sehr sorgfältig und überlegt. Da hilft auch der nun unternommene Versuch nicht, dies mit Zitaten von Jim Wales aus dem Jahr 2007 zu belegen.

Phasen der Technologie-Kritik

04 December 2009 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht, Medienbildung
Via Jochen Robes / weiterbildungsblog, Jörg Kantel / schockwellenreiter.de und Markus Beckedahl / netzpolitik bin ich auf den wunderbaren Artikel Standardsituationen der Technologiekritik (Biblionetz:t10080) von Kathrin Passig gestossen und habe mich bestens amüsiert.

Obwohl ich ja nicht als naiver Technologieeuphoriker gelten möchte, (was mir vielleicht aufgrund meines Alters noch leicht fällt (siehe unten)), habe ich mich dennoch über die süffisant geschriebene Abhandlung samt historischen und aktuellen Beispielen gefreut.

Kathrin Passig führt neun Phasen der Technologiekritik auf:

  1. Biblionetz:a01018 Wozu soll das gut sein?
  2. Biblionetz:a01019 Wer braucht denn sowas?
  3. Biblionetz:a01020 Nur zweifelhafte oder privilegierte Minderheiten wollen das!
  4. Biblionetz:a01021 Das ist nur eine Modeerscheinung, die wieder verschwinden wird
  5. Biblionetz:a01022 Das wird nichts verändern
  6. Biblionetz:a01023 Das ist nicht gut genug
  7. Biblionetz:a01024 Schwächere als ich können damit nicht umgehen!
  8. Biblionetz:a01025 Es zeugt von mangelndem Anstand
  9. Biblionetz:a01026 Es führt zu verminderter Schreib-, Lese- und damit Denkfähigkeit

Ähnlich wie beim Hype-Cycle (Biblionetz:w01398) der Gartner Group kann Passig nun aktuelle neue Technologien (iPhone, E-Book, Twitter) in diesen neun Phasen verorten und kommt zum Schluss, dass jede neue Technologie etwa 15 Jahre brauche, um die neun Phasen zu durchlaufen.

Pikant die Aussage gegen Schluss des Artikels:

Das eigentlich Bemerkenswerte am öffentlich geäußerten Missmut über das Neue aber ist, wie stark er vom Lebensalter und wie wenig vom Gegenstand der Kritik abhängt. Dieselben Menschen, die in den Neunzigern das Internet begrüßten, lehnen zehn Jahre später dessen Weiterentwicklungen mit eben jenen damals belächelten Argumenten ab. Es ist leicht, Technologien zu schätzen und zu nutzen, die einem mit 25 oder 30 Status- und Wissensvorsprünge verschaffen. Wenn es einige Jahre später die eigenen Pfründen sind, die gegen den Fortschritt verteidigt werden müssen, wird es schwieriger.

Hui, und ich wollte schon Twitter kritisieren... ;-)

Und nun: Selber lesen! ,

Ich werde vermutlich kein Pirat

22 October 2009 | Beat Döbeli Honegger | Medienbericht, Medienbildung
Auch wenn ich bereits mehrmals darauf angesprochen wurde, ob das nicht eine Partei für mich wäre: Ich werde vermutlich kein Mitglied der Piraten-Partei der Schweiz. Dies nicht etwa, weil ich kein Mitglied in einem Verein sein, will, der mich als Mitglied aufnehmen möchte, sondern weil ich Ein-Themen-Parteien nicht sehr sinnvoll finde. Egal ob Auto, Hund oder ICT, die Welt und damit die Politik ist einfach komplexer und vielschichtiger als sich mit einem Thema abdecken liesse.

Spannend fand ich nun den Artikel So liebe Politiker, jetzt sprechen wir über das Internet (Biblionetz:t09925) in der vergangenen Sonntagszeitung vom 18.10.2009. David Bauer hat die etablierten Parteien bezüglich Internet und diesbezüglich kontroverser Themen befragt. Das kommt zwar nicht so schlimm wie im Jahr 2007, als Kinder deutsche Politiker zum Internet befragen, aber auch 2009 hat keine der grossen Schweizer Parteien ein Positionspapier zum Thema Informations- und Kommunikationstechnologie (ausser der CVP mit einem Papier zur Wissensgesellschaft).

Leider fehlt in der frei verfügbaren Version des Artikels die nachfolgende Tabelle, welche die Positionen der etablierten Parteien zu verschiedenen ICT-Themen auflistet:

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Interessant finde ich zum Beispiel, dass linke Parteien Open Source eher befürworten als bürgerliche Parteien.

Eigentlich würde ich gerne mehr zu Netzpolitik bloggen, komme aber aus zeitlichen Gründen selten dazu. Selbst im Biblionetz ist das Thema meiner Ansicht nach untervertreten. So ist zwar der Begriff Netzneutralität erfasst, besitzt aber mangels Inhalt noch keine eigene Biblionetzseite frown, sad smile

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