Der Verleger und das Internet

In der heutigen NZZ (17.08.2010) fordert der Schaffhauser Zeitungsverleger Norbert Neininger unter dem Titel Verlage haben Anrecht auf besseren Schutz (Biblionetz:t12121) ein "Leistungsschutzrecht als Grundlage für den weiteren Erhalt freier Medien".

Ob er mit diesem Artikel der Sache der Verlage und des Qualitätsjournalismus einen Dienst erwiesen hat, scheint mir eher zweifelhaft. Der Artikel strotzt vor sachlichen Fehlern, der sowohl zeigt, dass Neininger von wichtigen Exponenten und Geschäftsmodellen im Internet wenig Ahnung hat als auch- was mich fast noch schlimmer dünkt - der Artikel es in der NZZ zur Publikation gebracht hat, ohne dass jemand sanft korrigierend eingegriffen hätte.

Beispiele gefällig? Wer sich für ausführliche Verrisse und Widerlegungen interessiert, lese Peter Haber: Lauwarme Semmel in der Neuen Zürcher Zeitung, die bisher 13 Kommentare auf der NZZ-Website, sowie die Kommentare auf dem Weblog des Autors.

Hier nur der Satz mit der grössten Irrtumsdichte:

Nachdem klar geworden ist, dass es weder Google noch Wikipedia um die Vermehrung des Wissens, sondern um Marktanteile, Umsatz und Ertrag geht und auch auf den Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook (über Werbung) Milliarden eingenommen werden, verteidigen nun auch Verleger ihre und damit die Interessen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Solange ein Mitglied des Präsidiums des Verbands Schweizer Presse solche Sachen über das Internet schreibt, mache ich mir wirklich Sorgen um die Zukunft der Schweizer Presse…

Update: Norbert Neininger hat wiederum auf die Reaktionen reagiert, die sein Artikel ausgelöst hat:

Mein Artikel zur Verbesserung der Urheberrechts zum Schutz des geistigen Eigentums von Journalisten und Verlagen im Internet wurde – das war zu erwarten – heftig diskutiert. Nicht zu erwarten aber war, dass dies teilweise sehr form- und stillos geschah. Ganz offensichtlich hat FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher also recht, wenn er (in „Payback“) feststellt, dass der häufige Umgang mit der neuen Hard- und Software (im und ums Internet) die Konzentration schwächt. So wurden beispielsweise Dinge widerlegt, die ich gar nie behauptet hatte. Über die Unhöflichkeit und Schnoddrigkeit sollen andere lamentieren, ich nehme selber sie ebenso kommentarlos zur Kenntnis wie die Tatsache, dass Deutschfehler häufig sind.

Hmm, diese Einleitung macht aus meiner Sicht die Sache nicht besser. Es sind keine Sachargumente, Neininger fühlt sich betupft über die zum Teil schnodrigen Reaktionen, die er erleben musste. Sein Versuch, sein ad hominem Argument (Biblionetz:w02133) der zahlreichen Deutschfehler zu kaschieren ("nehme ich kommentarlos zur Kenntnis") wirkt nicht sehr souverän. Zudem sollte nicht mit Steinen werfen, wer selbst im Glashaus sitzt: Auch notable Printmedien haben in letzter Zeit zunehmend Mühe mit der Rechtschreibung…

Auf den geäusserten Vorwurf, seine Vorschläge seien unausgegoren, meint Neininger:

Man darf davon ausgehen, dass unser Verband dieses Thema sorgfältig und überlegt angeht und man sich keine Sorgen über fehlendes juristisches Wissen machen muss. Mein Artikel war nicht der Ort, um Einzelheiten zu publizieren.

Hmm, gerade bei einem Medienschaffenden würde man aber doch erwarten, dass er das Thema nicht nur sorgfältig und überlegt angeht, sondern beschreibt. Wikipedia im gleichen Atemzug und ohne weitere Begründung mit Google als nach Gewinnen und Marktanteilen strebende Organisation zu bezeichnen, ist aber nicht sehr sorgfältig und überlegt. Da hilft auch der nun unternommene Versuch nicht, dies mit Zitaten von Jim Wales aus dem Jahr 2007 zu belegen.


 
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