Jetzt auch noch in der Schule?
Am 09.09.2016 ist mein Forumsbeitrag in der Zeitung
Bote der Urschweiz erschienen (
Biblionetz:t19000):
Die sitzen doch zu Hause schon
genug vor dem Bildschirm!», werden
einige denken, wenn sie von der
Einführung des Fachs «Medien und
Informatik» in der Volksschule oder der
Ausstattung aller Schülerinnen und
Schüler des Bezirks Schwyz mit persönlichen
Tablets hören. Damit liegen sie
gar nicht so falsch. Tatsächlich verbringen
Kinder und Jugendliche ausserhalb
der Schule viel Zeit mit digitalen
Medien das belegen zahlreiche Studien
und die Erfahrung vieler Eltern.
Dies spricht jedoch nicht dagegen, dass
digitale Medien auch ihren Platz in der
Schule erhalten im Gegenteil. Die
Allgegenwärtigkeit digitaler Medien sowohl
im Berufs- als auch im Privatleben
zeigt, wie wichtig dieser Themenbereich
geworden ist.
Autofahren lässt sich als isolierte
Fertigkeit innert kurzer Zeit gut
ausserhalb der Schule erlernen. Die
Bedienung eines Autos hat sich in den
letzten 50 Jahren nicht gross verändert,
und mit Autos kann man primär eines:
fahren. Digitale Medien, also Computer,
Tablets, Smartphones etc. sind dagegen
Universalwerkzeuge, deren Möglichkeiten
laufend zunehmen. Im Gegensatz
zum Auto genügt es nicht zu
wissen, auf welches Pedal man drücken
muss. Kinder und Jugendliche benötigen
ein vertieftes Verständnis der digitalen
Welt, um sich mündig in ihr
bewegen zu können.
Hier kann nur die Schule die Chancengerechtigkeit
gewährleisten. Wo, wenn nicht in der Schule, sollen
Kinder und Jugendliche lernen, mit
digitalen Medien vernünftig umzugehen?
Nur in der Schule werden alle
Schülerinnen und Schüler erreicht,
unabhängig von den Möglichkeiten der
Eltern, die erforderliche Medienbildung
zu übernehmen. So hat sich die Stimmung
an Elternabenden in den letzten
Jahren stark gewandelt. Die meisten
Eltern begrüssen es heute sehr, wenn
sie bei der anspruchsvollen Aufgabe
unterstützt werden, einen mündigen
und kritischen Umgang mit Medien zu
vermitteln. Die Schule kann auch ein
differenzierteres Bild von digitalen Medien
vermitteln. Während diese im
privaten Umfeld vorwiegend als Unterhaltungsgeräte
wahrgenommen werden,
kann die Schule dazu beitragen,
die Geräte auch als Werkzeug zum
Lernen und Arbeiten zu sehen und zu
verwenden. Die langjährigen Erfahrungen
an der Projektschule Goldau zeigen,
dass dies kein praxisferner Wunschtraum,
sondern eine durchaus realistische
Folge des gezielten Computereinsatzes
an der Schule sein kann.
Die sitzen doch zu Hause schon
genug vor dem Bildschirm!», ist
auch verbunden mit dem Vorurteil,
dass Schülerinnen und Schüler dauernd
vor digitalen Geräten sitzen würden,
sobald diese in der Schule verfügbar
sind. Auch da sprechen die Erfahrungen
der Projektschule Goldau eine
andere Sprache. Etwa 10 bis 15 Prozent
der Unterrichtszeit arbeiten die Schülerinnen
und Schüler mit den jederzeit
verfügbaren, persönlichen Digitalgeräten.
Weder der Sportunterricht, die
Schulreisen noch die allgemeine Bewegung
haben deswegen in der Projektschule
Goldau abgenommen. Eigentlich
nicht verwunderlich: Niemand
würde erwarten, dass die Wandtafel
dauernd genutzt wird, nur weil sie im
Schulzimmer hängt. Genutzt wird sie,
wenn es didaktisch sinnvoll ist. Bei den
digitalen Geräten müssen wir uns eine
ähnliche Gelassenheit erst angewöhnen.
Auch der erste Zwischenbericht
einer mehrjährigen Tabletstudie der
Pädagogischen Hochschule Schwyz
kann vielleicht die Gemüter etwas beruhigen.
Es hat sich gezeigt, dass Schülerinnen
und Schüler, die in der Schule
über ein persönliches Tablet verfügen,
deswegen zu Hause nicht häufiger
Computerspiele spielen.
Die Zeit des «entweder oder» ist
bei digitalen Medien in der Schule
definitiv vorbei. Es geht um ein
sinnvolles «sowohl als auch». Die
Schule steht vor der dreifachen Herausforderung,
mit, über und trotz digitaler
Medien zu unterrichten. Ich freue mich
darauf, auch die diese Woche eingetretenen
Erstsemestrigen an der Pädagogischen
Hochschule Schwyz auf diese
anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten!
Dr. Beat Döbeli Honegger ist Professor für Informatik- und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz in Goldau. Im März dieses Jahres ist sein Buch «Mehr als 0 und 1 Schule in einer digitalisierten Welt» im hep-Verlag erschienen.
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