Das schulische Cloud-Dilemma

Das folgende Posting ist keine abschliessende Haltung, sondern lautes öffentliches Denken:

Der Tages-Anzeiger greift in seiner heutigen Ausgabe (20.08.2013) das Dilemma mit Cloud-Computing-Diensten auf, in welches Schulen derzeit immer stärker geraten (siehe hier, Biblionetz:t15633, Biblionetz:t15634). Immer mehr Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler benutzen die zahlreichen Dienste und Programme, die von internationalen (aber vor allem US-amerikanischen) Cloud-Anbietern wie Dropbox, box.net etc. aber auch "traditionellen" Softwareherstellern wie Microsoft oder Adobe im Internet angeboten werden. Diese Dienste sind bequem sowohl in der Schule als auch von zuhause erreichbar, vergleichsweise einfach nutzbar und oft auch kostenlos.

Die Kehrseite dieser verlockenden Angebote: Die Server stehen meist im Ausland und unterstehen oft nicht der schweizerischen, deutschen oder EU-Datenschutzgesetzgebung. Nutzende können somit nicht mit Sicherheit sagen, wer alles Zugriff auf ihre Daten hat, Clouddienste können den Datenschutz gefährend (Biblionetz:a01193). Einerseits scheinen sich Geheimdienste gerne bei Clouddiensten zu bedienen, andererseits besteht auch die Gefahr, dass Diensteanbieter die Nutzerdaten für Werbe- und Marketingzwecke nutzen wollen, denn die Schule ist ein lukrativer Markt für Unternehmen (Biblionetz:a01194), so die Befürchtung.

Was tun? Derzeit sehe ich folgende Reaktionen von Schul- und Bildungsverwaltungen:

  • Problem ignorieren: Vermutlich die häufigste Reaktion. Das Thema ist entweder noch unbekannt oder verglichen mit anderen aktuellen Herausforderungen nicht relevant genug für eine Reaktion.

  • Schulischen Zwang zu Clouddiensten verbieten: Weder Lehrpersonen noch Schülerinnen und Schüler dürfen gezwungen werden, Clouddienste zu nutzen.

  • Jegliche schulische Nutzung von Clouddiensten verbieten: Allen Lehrpersonen wird verboten, Clouddienste für schulische Zwecke zu nutzen.

Ich werde derzeit oft um Rat gefragt, wie Schulen und Schulbehörden denn mit diesen Dilemma umgehen sollten. Ich habe (noch) keine einfache Antwort. Derzeit sehe ich mindestens drei Ebenen:

  1. Grundsätzliche, staatspolitische Ebene: Der Einsatz muss verboten werden, wenn es den geltenden Datenschutzgesetzen widerspricht, um den Anbietern die Stirn zu bieten und sie zu zwingen, lokale Datenschutzgesetze zu akzeptieren. Oft wird diese Haltung als lächerlich und utopisch abgetan, aber ich bin mir da nicht ganz so sicher. Vermutlich würden Anbieter ihre Datenschutzbestimmungen anpassen wollen, wenn genügend viele Verbote ausgesprochen werden. Auf einer normativ-staatlichen Ebene finde ich deshalb diese Haltung nicht ganz abwegig. Problematisch ist natürlich dabei, dass der (berechtigte oder unberechtigte) Eindruck entstehen kann, dass solche Verbote auch Ausdruck einer allgemeinen Technikfeindlichkeit, Abwehrhaltung und Bewahrpädagogik sein könnten…
  2. Technisch-organisatorische Ebene: Oft wird auf technisch-organisatorische Lösungen verwiesen:
    • Auf Open Source Lösungen setzen: Derzeit häufig zu hören ist der Ruf nach Open Source- Lösungen. Das scheint mir ein eigenes Blog-Posting wert zu sein, in Kürze nur dies: Alltagstauglich sind Open-Source-Lösungen derzeit für Office-Lösungen und für Desktops und Notebooks, nicht aber für Tablets, Handhelds und Smartphones.
    • Daten in der Cloud verschlüsseln etc.: Solche Lösungen funktionieren im Einzelfall, sind aber meiner Ansicht nach (bisher) nicht schulalltagstauglich.
    • Clouds selbst hosten: Man könnte eigene Clouds nutzen, statt solche im Ausland. Wobei dann zu definieren wäre, was "eigene" heissen soll: Im eigenen Land/Kanton/Bundesland oder im Keller des Schulhauses? Und damit wären wir dann bei weiteren Support- und Sicherheitsfragen. Internationale Clouddienste haben das Geld und das Know-how, um ihre Clouds einigermassen sicher zu machen…
  3. Pragmatische, schulpraktische Ebene: Hier empfehle ich Lehrpersonen oft, Clouddienste dann zu nutzen, wenn sie es für sinnvoll halten, Verbote hin oder her. Der Einsatz digitaler Medien in der Schule wird zu Recht kritisch auf Effektivität und Effizienz abgeklopft. Da macht es aus schulpraktischer Sicht wenig Sinn, wenn staatspolitische Überlegungen dazu führen, dass der Einsatz digitaler Medien in der Schule mühsamer und umständlicher als notwendig ist. Denn das ist wieder Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Sinn von ICT in der Schule eh bezweifeln.


Ich habe den Artikel auch kopfschüttelnd gelesen. Wenn die "Lösung" des Problems eine überteuerte, selbst gehostete Schrott-Plattform ist, so ist niemandem gedient. Die 'üblichen Verdächtigen' verletzen keineswegs Datenschutzbestimmungen: Der heikel Punkt sind bspw. von Lehrpersonen veröffentliche persönliche Daten… Nicht der Hammer ist das Problem, aber dessen Nutzung.

-- JuergStuker - 20 Aug 2013

ja, auf der praktischen "lebens-" bzw schulweltlichen ebene muss man pragmatisch reagieren - muddling through, mal so, mal anders. Eine wirkliche Lösung, die die Widersprüche auf neuer Ebene entlastet, scheint mir mehr und mehr zu erfordern, solche Probleme nicht mehr als kantonale oder nationale (gesetzlich) lösen zu wollen, sondern zu transnationalen Verhandlungen und Vereinbarungen zu gelangen, denn alle Länder und Regionen sind doch global von diesen Problemen betroffen.

-- LisaRosa - 20 Aug 2013

ich arbeite seit jahren auf der pragmatischen ebene, immer nach den jeweils für mich und die betr. kolleginnen praktikabelsten möglichkeiten. seit google drive smartphone optimiert ist, verwalte ich meine >250 SuS dort und teile die dokumente mit eben den kolleginnen. nein, darin sind keine persönlichen daten zu finden: julinda, aufmerksam, 5.5 sind keine persönlichen daten.

-- BeatRueedi - 20 Aug 2013
 
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Kategorien: IsaBlog, IsaSchulICT

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