Aus dem fernen Digitalien

Update: Die Videoaufzeichnung des Referats ist nun verfügbar

Diese Woche durfte ich in Krems die edudays 2015 eröffnen. Es fiel mir schwer, ein Thema zu finden, über das nicht schon tausend Mal geschrieben und gesprochen worden ist. Nach langem Nachdenken habe ich mich entschlossen, genau das zum Thema des Einstiegsreferats zu machen.

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Unter dem Titel Aus dem fernen Digitalien... habe ich in einem ersten Teil versucht, den Leitmedienwechsel (Biblionetz:w02306) erlebbar zu machen und gleichzeitig das "Alles ist schon mal gesagt worden, nur noch nicht von mir" halb scherzhaft, aber eben doch mit einem ernsten Hintergrund zu präsentieren.

Ich habe die Tatsache, dass 250 Leute da waren, obwohl mein Vortrag mit einem Blindtext-Abstract angekündigt worden war, zum Anlass genommen, mit dem Publikum einen Teil des NYT-Tests vom März 2015 durchzuführen: Wurden diese Texte von einem Menschen oder von einem Computer geschrieben?

Dieser Test eignet sich aus meiner Sicht derzeit gut, um aufzuzeigen, dass Automatisierung nicht beim Schalterbeamten und Lageristen haltmacht, sondern auch anfängt Berufe zu gefährden, die eigentlich als intellektuell anspruchsvoll gelten.

Um zu zeigen, wie auswechselbar all die Texte der letzten 40 Jahre mit Forderungen für digitale Bildung sind, habe ich im Anschluss den Test mit sechs entsprechenden Texten erweitert. Die dabei verwendeten Texte stammten einerseits aus der besagten Zeitspanne von 40 Jahren, andererseits von meinem rasch zusammengebastelten Leitmedienwechsel-Blahfaselgenerator (mehr dazu vielleicht ein andermal).

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Im zweiten Teil des Referats habe ich dann 6 Empfehlungen an die digital education community gerichtet, damit wir endlich mehr Breitenwirkung erzielen:

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  1. Nicht zu den Konvertierten sprechen
    Alle edudays, barcamps etc. sind gut und wichtig. Aber da versuchen immer Überzeugte, andere Überzeugte zu überzeugen. Man ist einerseits glücklich, dass alle gleicher Meinung sind und man ist gleichzeitig gemeinsam unglücklich, dass die da draussen nicht derselben Meinung sind. Aus meiner Sicht müsste die digital education community viel stärker an andere Konferenzen, Tagungen und Weiterbildungen Auftreten: Inklusion, Fachdidaktik, Heterogenität, Ganztagesschulen etc. und dort die Potenziale digitaler Medien aufzeigen.
     
  2. Präzise formulieren und argumentieren
    Digital ist nicht per se gut. Das wissen wir eigentlich, aber oft sind wir im Alltag schlampig in unseren Argumentationen oder nehmen die Tatsache, dass Digital eine Realität ist als nicht mehr zu begründende Selbstverständlichkeit hin.
     
  3. Die Argumente der Kritiker kennen
    Pointiert formuliert sollten wir die Argumente der Kritiker besser kennen als diese selbst. Dazu lohnt es sich, gehaltvolle Kritik zu lesen und die bestehende Sammlung gegen Digitales in der Bildung Durchzusehen.
     
  4. Sowohl-Als-Auch statt Entweder-Oder
    Wir sind uns meist bewusst, dass es nicht um ein Entweder-Oder geht, sondern um ein Sowohl-Als-Auch In der euphorischen Diskussion vergessen wir jedoch zeitweise, dies auch wieder mal deutlich zu sagen, was dann zu sinnlosen entweder-oder-Diskussionen führt.
     
  5. Digitales nicht zum Selbstzweck
    Diese Empfehlung ist eine Folge aus "Digital ist nicht per se gut" und "sowohl-als-auch": Wir sollten bei unseren Beispielen gut überlegen, ob sie wirklich einen Mehrwert bieten oder ob das gezeigte Beispiel ohne digitale Medien nicht sogar effektiver wäre.
     
  6. Mehr als ein Beispiel auf Lager haben
    Und zum guten Schluss sollten wir für unsere Behauptungen und Wünsche mehr als ein Beispiel auf Lager haben. Zu oft werden viele Unterrichtsmethoden, Lernumgebungen etc. mit immer dem gleichen Beispiel untermauert. In der Breite kann aber alles nur wirksam werden, wenn es massiv mehr als ein Beispiel gibt…

So, mit dieser Zusammenfassung lässt sich nun leichter entcheiden, ob und wenn ja welche Teile des Referats sich genauer anzuschauen lohnt. Es sind die Folien inkl. Literaturverweise und die Videoaufzeichnung verfügbar.


sms2sms / dissent-is meint via Twitter:

  1. konvertite sind gläubige. du willst zu den (noch) ungläubigen reden? ähm… die unterscheidung führt dich in teufels-küche…
  2. präzision ist eine idee aus der linear-kausalen logik einer idee-logik, welche die welt als eine maschine begreift… ähm…
  3. alle kritiken von allen kritikern kennen zu MüSSEN, meint, verdammt zu sein, alles zu lesen, was je geschrieben worden ist… ähm…
  4. es gibt im (implizit zitierten) tetralemma eine fünfte position… ähm…
  5. digital vs selbstzweck. digital vs. anaolog. digital vs. real. ähm. unterscheidungen löschen? ja! aber was ist die unterscheidung hier?
  6. beispiele auf lager haben. wozu? um bekehren zu können? ähm… #rerelgion geht es darum, dass wir eine horde gläubiger werden? welche von beispielen mundtot gemacht worden sind?


 
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