Schul-ICT, Jun 2014

Baustelle Schul-IT: 20 Jahre und kein Update

15 June 2014 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

Relativ konsterniert liest sich das Editorial der aktuellen Ausgabe 14/2014 (Biblionetz:b05683) der Zeitschrift c't (Biblionetz:j00010) zum Schwerpunktthema Baustelle Schul-IT: 20 Jahre und kein Update

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Dorothee Wiegand beklagt sich in diesem Editorial, dass in Deutschland das Kultusministerium seit Jahren (genauer: 1995) betont, wie wichtig digitale Medien für die Bildung seien, sich in der Schulpraxis aber vergleichsweise wenig bewege:

So gibt es keinen Zeitplan für die flächendeckende Ausstattung aller Schulen mit Breitbandanschlüssen. Es fehlt immer noch ein bundesweit gültiger Bildungsstandard, wie ihn die KMK für viele andere Fächer festgelegt hat. In der gymnasialen Oberstufe können Schüler mit Informatik nicht ihre Belegungsverpflichtung für die Naturwissenschaften erfüllen, denn Informatik ist den Fächern Biologie, Chemie und Physik nicht gleichgestellt.

Der Schwerpunkt enthält vier Artikel, die sich mit verschiedenen Aspekte von ICT in der Schule beschäftigen:

Für meinen Geschmack hätten die Artikel etwas mehr Konzepte enthalten dürfen, doch die c't setzt vor allem auf anschauliche Praxisbeispiele. Ich bin gespannt, ob und was die Artikelserie beim c't-Publikum auslöst.

Leider sind die Artikel mit Ausnahme der Editorials (bisher) nur auszugsweise online.

One-to-One-Computing (Biblionetz:w02173) beschreibt die Situation in höheren Schulstufen eigentlich bereits nicht mehr korrekt. Wenn die Schule das Mitbringen von persönlichen Geräten erlaubt, nehmen Studierende und SchülerInnen der Sekundarstufe II meist mehr als ein einziges Gerät mit. Neben dem Smartphone ist oft noch das Notebook oder das Tablet oder gar beides in der Mappe. Hochschulen rechnen bereits heute mit ca. 2.5 benötigten IP-Adressen pro StudentIn (und beklagen mangelnde IPV4-Adressen, wenn die Studierendengeräte "echte" IP-Adressen erhalten sollten).

Damit ist der Begriff One-to-One-Computing ja eigentlich veraltet. Ich verwende ihn aber weiterhin. Alle bisher gehörten Vorschläge für einen moderneren Begriff wie Many-to-One-Computing, Personal Learning Environment etc. sind mir zu schwammig und bringen den Paradigmenwechsel einer 1:1-Ausstattung aus meiner Sicht zu wenig prägnant auf den Punkt.

Für mich ist eine 1:1-Ausstattung ein Wendepunkt, ein singularity point. Bei einer 1:1-Ausstattung kippt die Situation, ab dann sind digitale Geräte verfügbar und wir können uns um inhaltliche und didaktische Fragen kümmern, statt logistische Herausforderungen zu lösen. So wie die Veränderungen von einer 1:6 zu einer 1:4-Ausstattung eher gradueller Natur sind (und mich bildungspolitisch seit längerem nicht mehr interessieren, obwohl es im Schulzimmer natürlich einen Unterschied macht), so sind es auch nur graduelle Unterschiede, ob Lernende 1.0, 1.5 oder 2.5 digitale Geräte zur Verfügung haben.

Das war schon früher so: Der Wendepunkt war, als alle Schülerinnen und Schüler einen Stift zum Schreiben hatten. Wie viele Farbstifte heute zur Verfügung stehen, ist irrelevant.

One-to-One-Computing ist für mich die technokratische Metapher für die Aussage "Liebe Schule, digitales Lernen und Arbeiten ist alltäglich."

One-to-One-Computing ist darum eine relevante bildungspolitische Forderung. Alles darüber hinaus sind dann wieder Detaildiskussionen, die von SpezialistInnen geführt werden sollen.


Welches BYOD denn?

06 June 2014 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT

Die Diskussion Der Hype um Bring Your Own Device (BYOD) (Biblionetz:w02286) in der Schule nimmt zu. Es gibt immer mehr entsprechende Schulprojekte und selbst der Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes, Beat Zemp (Biblionetz:p01625) schlägt BYOD in der Sonntagspresse als Methode zur Umsetzung des Lehrplans 21 (Biblionetz:w02172) vor (siehe Biblionetz:t15505).

Doch wenn man genauer hinschaut, muss man nachfragen: "Welches BYOD denn?" BYOD ist nämlich, wie fast alle Begriffe, nicht wirklich scharf definiert, was man insbesondere merkt, wenn man das Verhältnis von BYOD zu einer 1:1-Ausstattung (Biblionetz:w02173) zu definieren versucht. Ich habe das für mich mal gemacht und bin zu folgender Darstellung gekommen:

byod-arten.jpg

1:1-computing beschreibt das Ausstattungsverhältnis von Lernenden zu digitalen Geräten, während BYOD die Herkunft der Geräte beschreibt. Aus meiner Sicht lassen sich somit drei Arten von BYOD-Projekten unterscheiden:

Bezeichnung Beschreibung
"Freiwilliges, reines BYOD" Es wird ausschliesslich mit denjenigen Geräten gearbeitet, welche die Lernenden freiwillig mitbringen, d.h. es ergibt sich nicht zwingend eine 1:1-Ausstattung.
"BYOD mit Schulergänzung" Lernende bringen freiwillig eigene Geräte mit, die Schule stellt für die anderen Lernenden Geräte zur Verfügung, um eine 1:1-Ausstattung zu erreichen.
"Obligatorisches BYOD" Die Lernenden werden verpflichtet, ein eigenes Gerät mitzubringen.

Diese drei Arten von BYOD haben sowohl finanzielle, technisch-organisatorische als auch pädagogische und didaktische Implikationen. Es wäre somit aus meiner Hinsicht hilfreich, wenn in Diskussion zu BYOD jeweils erwähnt würde, welche Art von BYOD gemeint ist.

Detailliertere Darstellung (Juni 2014)

Die Realität ist ja immer komplizierter als die schönen Grafiken. Hier deshalb eine detaillierte Darstellung, die den Homogenitätsgrad der Ausstattung berücksichtigt:

byod-arten-2.png


, IsaKaestchenDenken

Ist BYOD ökologisch?

05 June 2014 | Beat Döbeli Honegger | Schul-ICT
In meinen Vortrag Ohne Geräte keine Apps - Bringt BYOD endlich den Durchbruch bei 1:1-Ausstattungen? an unserer diesjährigen Fachtagung Apps und Games habe ich vier Argumente für BYOD gebracht:

Im Gespräch danach wurde ich gefragt, ob das mit ökologisch wirklich ernst gemeint sei, ob BYOD (Biblionetz:w02286) nicht einfach ein Trick für Schulen sei, den Eltern die ökologische Verantwortung für den Kauf von Computern in die Schuhe zu schieben. Ob das ökologische Argument gerechtfertig sei, habe ich mir schon länger überlegt, aber bisher noch nie unter diesem Blickwinkel.

Wie vermutlich immer bei solchen Fragen gibt es aus meiner Sicht keine absolute Antwort, sondern nur relative. Meine aktuelle Begründung, warum BYOD ökologisch sei (Biblionetz:a01171), läuft folgendermassen:

Wenn immer mehr Kinder immer früher privat mindestens ein digitales Gerät besitzen, welches sich sinnvoll in der Schule nutzen liesse, dann ist es doch besser, wenn dieses Gerät auch in der Schule eingesetzt wird, statt dass die Schule nochmals Geräte mit viel grauer Energie drin beschaffen, während die privaten Geräte zuhause unbenutzt herumliegen. Im Extremfall lässt sich der Hardwareverbrauch halbieren (private Geräte werden auch schulisch genutzt statt in der Schule nochmals eine Vollausstattung anzustreben).

Selbstverständlich geht auch diese Argumentation von gewissen impliziten Annahmen aus:

  • Die private Hardwareausstattung von Kindern und Jugendlichen wird weiter zunehmen. Dies ist ein nicht veränderbare gesellschaftliche Entwicklung.
  • Eine 1:1-Ausstattung mit Geräten in der Schule ist wünschenswert.

Es liesse sich auch anders argumentieren: Der ökologische Fussabdruck solcher Geräte ist so gross, dass die Schule auf Vollausstattungen verzichten und im Gegenteil sogar darauf hinwirken sollte, dass Kinder und Jugendliche zuhause nicht zu viele dieser Geräte erhalten. Immerhin gibt es in meiner Sammlung von Argumenten gegen 1:1-Ausstattungen 4 Umweltarugmente:

Ich neige jedoch auch in der ökologischen Dimension wie bei der Strahlenbelastungsfrage (Biblionetz:a00882) und der Datenschutzdebatte (Das schulische Cloud-Dilemma) zu einer pragmatischen Haltung: Würde man alle Bedenken zu Ende denken, dürfte man keinerlei digitalen Geräte in der Schule (und eigentlich auch im Privaten) mehr benutzen. Eine solche Haltung scheint mir aber für die Schule lebens- und gesellschaftsfremd. Die Schule soll bis zu einem gewissen Grad die gesellschaftliche Entwicklung aufnehmen und daraus das Beste machen.

(Und ich hab mal naiv gemeint, einen Bogen um Green-IT (Biblionetz:w02419) machen zu können wink )

Ich habe jetzt unter dem Titel was anderes erwartet, nämlich ob BYOD zu den übrigen Schulkomponenten passt, ob es sich passgenau in das Gesamt-Schulsetting einbetten lässt (wäre IMHO durchaus eine spannende Frage). Vielleicht wäre in deiner Übersicht der Begriff "ressourcenschonend" oder "umweltfreundlich" geeigneter?

-- Main.NandoStoecklin - 23 Sep 2013 Lieber Beat Danke für deine Gedanken auf meine/unsere Reaktion in Twitter an der Tagung vom Samstag. Hm, tönt plausibel: Die Schüler sollen ihre Geräte zur Schule bringen, wenn sie diese eh schon gekauft haben. Und damit heizen wir wohl den Wettlauf unter den Schülern an: Wer hat den schelleren Tablet-PC, wer den grösseren Speicher, schon mit iOS7? – Oha, geht nicht mehr, also ein neues Taplet usw. Ich denke, das Argument «ökologisch» sollten wir besser nicht aufbringen, da kann man nur verlieren…

-- Main.JuergFraefel - 23 Sep 2013 Lieber Beat, Lieber Main.JuergFraefel

Das mit dem "Wettrüsten" auf dem Pausenhof findet ja jetzt schon mit den Smartphones statt und stimmt mit meinen Beobachtungen überein.

Ein anderes Argument für die Ökologie: Konsequentes BYOD fängt mit der virtualisierung des Clients und seiner Applikationen an. Die benötigte Leistung für BYOD findet dadurch im RZ statt und kann dort ökologischer bereit gestellt werden. D. h. auch auf der anderen Seite es braucht nicht das neueste Gerät und das begreifen auch die Schüler und Eltern wenn Sie dadurch keinen Nachteil erfahren. Längere Nutzungdauer des Clients ist gewährleistet und das ist logisch ökologisch.

-- Main.NiklausLang - 23 Sep 2013 Das Argument von Main.NiklausLang spricht ja für Chromebooks - die wird sich aber kaum ein Schüler wirklich als einziges Endgerät kaufen wollen, oder?

-- Main.TorstenOtto - 24 Sep 2013