Kürzlich habe ich mir meine persönliche Informationsflut-Pegelstandsanzeige gebaut. Einerseits als technische Spielerei, damit ich mich wieder einmal mit Webechnologien wie REST-APIs etc. auseinandersetze und andererseits weil ich erleben wollte, wie sich diese Facette von
quantified self (
Biblionetz:w02356) anfühlt.
Veralteter Screenshot meiner Informationsflut-Pegelstandsanzeige
Technische Aspekte
Umgesetzt habe ich diese Pegelstandsanzeige als zwei Sensoren in meinem Smarthome-System (
Home Assistant), das bei mir zu Hause auf einem Raspberry Pi läuft.
Mailcounter
Da meine berufliche Mail über die Microsoft-Cloud läuft, habe ich via
Power Automate von Microsoft einen Mechanismus zusammengestellt, der alle 5 Minuten per Rest-API-Aufruf meinem Raspberry Pi mitteilt, wie viele Mails sich derzeit in meiner Inbox befinden.
Veralteter Screenshot meiner Informationsflut-Pegelstandsanzeige
Der bei Microsoft
Flow genannte Ablauf wird alle 5 Minuten ausgelöst und holt sich über einen https-Aufruf beim MS-Graph ein json-Object, das die Anzahl Mails in meiner Inbox enthält:
https://graph.microsoft.com/v1.0/me/mailFolders/inbox/totalItemCount
Im nächsten Schritt wird die benötigte Zahl aus dem json-Objekt extrahiert und im letzten Schritt als REST-API-Aufruf meinem Home-Assistant-Instanz weitergereicht:
https://meine-geheime-homeassistant-adresse.org:port/api/states/input_number.mailcounter
Den Rest der graphischen Aufbereitung sowie der Speicherung einer History übernimmt alles Home Assistant.
Tabcounter
Den Tabcounter habe ich als selbst zusammengestiefelte kleine Chrome-Extension umgesetzt. (Viel musste ich nicht selbst programmieren, ich konnte die bestehende Chrome-Extension
HA-Cinema-Time anpassen, indem ich einfach an der passenden Stelle
chrome.tabs.query()
einsetzen und den Code an passender Stelle auf meinem Computer deponieren musste.
Nun meldet mein Chrome-Browser bei jedem Öffnen und Schliessen eines Tabs die aktuelle Zahl meiner offenen Chrome-Tabs an meine Home-Assistant-Instanz.
Technisch war das Gebastel für mich lehrreich und hat mir wieder einmal gezeigt, wie standardisierte Schnittstellen zur Mächtigkeit der Digitalisierung beitragen, indem neue Systeme mit vergleichsweise geringem Aufwand als Puzzles aus bestehenden Bestandteilen zusammengesetzt werden können (sprich: Das Rad muss nicht dauernd neu erfunden werden).
Inhaltliche Aspekte
Ich finde die Pegelstandanzeige für mich persönlich interessant und hilfreich. Sie ergänzt mein Bauchgefühl, ob ich grad von Informationen geflutet oder ob ich ihr einigermassen Herr werde. Von zeit zu Zeit reserviere ich mir explizit Zeit, um die beiden Pegel zu senken, da dienen die Anzeigen als simple, aber erfolgreiche Motivationshilfe.
Da Arbeitskolleg:innen manchmal wissen möchten, wie stark ich grad belastet bin, habe ich mir schon überlegt, ob ich diese Pegelstandanzeigen auch automatisiert meiner Wochenplan-Mail beilegen sollte. Das ist aber vermutlich aus verschiedenen Gründen keine gute Idee:
- Die Zahl meiner Mails in der Inbox und offener Browser-Tabs sagt sehr wenig über meine echte Arbeitslast aus und lässt sich vor allem nicht mit den Zahlen anderer Menschen vergleichen:
- Inboxen können leicht durch alle möglichen Notifications und Newsletter verstopft werden, wenn man diese nicht konsequent abmeldet.
- Auch ohne Newsletter etc. benötigt nicht jede Mail und jedes Browser-Tab den gleichen Verarbeitungsaufwand. Die reine Zahl an Mails und Tabs sagt somit sehr wenig über den effektiven Arbeitsberg aus.
- Relevant ist eigentlich nicht die absolute Zahl, sondern die Veränderung in jüngerer Vergangenheit: Es ist nicht wichtig, wie viele Mails oder Tabs insgesamt noch auf mich warten, sondern ob mehr Informationsobjekte reinkommen als ich verarbeiten kann. Somit müsste ich eigentlich keine Pegelstandanzeigen versenden sondern Steigungsindikatoren.
- Und als letztes lässt sich aus den Zahlen auch nicht ablesen, ob ich Mails und Tabs aus Faulheit oder Überlastung nicht verarbeitet habe.
Fazit: Ich werde die Pegelstandanzeigen weiterhin nutzen, aber nur für mich privat.
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