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Computer machen keine Schule

…titelt die Sonntagszeitung vom 24.6.2007 (Biblionetz:t07700): US-Studien zeigen, dass elektronische Medien die Schüler-Leistungen nicht verbessern.

t07700.jpg

Der Artikel nimmt den zweiten Zwischenbericht (Biblionetz:b03181) des Texas Center for Educational Research zum Anlass, um festzustellen, dass der Einsatz von ICT die Schulleistungen in Lesen und Rechnen nicht verbessern. Danach wird aus dem Artikel der New York Times von Anfang Mai 2007 zitiert ("Seeing No Progress, Some Schools Drop Laptops", Biblionetz:t07582 )

Diese negativen Befunde werden der Resolution des LCH und dem eher positiven Fazit der LCH-Studie des IMS gegenübergestellt.

Muss gleich los, darum mein Kommentar vorerst nur in Kurzform:
  • Es ist kein Geheimnis mehr, dass ICT-Einsatz insbesondere überfachliche Kompetenzen (Biblionetz:w01958) fördert, diese aber schwieriger zu messen sind (und insbesondere bisherige Leistungsmessungstests nicht dafür geeignet sind).
  • Der Artikel zieht den Schluss, dass wenn das Lernargument nicht gilt, dass sich dann der Einsatz von ICT in der Schule nicht lohnt. Doch das Lernargument ist nicht der einzige Grund, warum ICT in der Schule wesentlich sind. Lebensweltargument, Zukunftsargument und Effizienzargument wären auch noch zu berücksichtigen…

Ergänzung von Marc Pilloud (25.6.07)
  • Wenn man davon ausgeht, dass Computer+Internet ein Medium sind (und nicht nur ein Werkzeug oder Gerät), so kann man laut der Theorie von Mc Luhan sagen, Computer prägen die Art und Weise wie Menschen Denken auf einer fundamentalen Ebene, wie dies z.B. auch die Schrift tut.
  • Wenn man diese These als richtig erachtet und der Computer ein Medium ist, kann man nicht warten bis man 30 ist und es dann noch schnell mal lernen, wenn es dann einfachere und bessere Computer gibt. Dann kann man auch nicht warten und sagen, ich lerne es dann, wenn ich es brauche, wie z.B. das Autofahren.
  • Wenn es sich um ein anderes Denken handelt, als dasjenige, dass man sich mit der Schriftkultur erwirbt, kann man es auch nicht mit Methoden aus einer Kultur des Schrift-Denkens messen.
  • Wenn Computer+Internet ein neues Medium sind, dann ändert dies nicht nur das Denken sondern auch die Kultur. Deshalb wird "Computern" auch als eigene Kulturtechnik bezeichnet.
  • Aus vorhergehenden Thesen abgeleiten, ist es wahrscheinlich, dass die Einführung von Computer+Internet die Schulkultur verändert wird.
  • Zu dieser Digitalen-Kultur-Technik gehört auch oder gerade das Programmieren, was bis heute keinen Durchbruch in der Schulkultur erlebt hat.
  • Menschen die in dieser Kulturzeit geboren sind werden nicht durch Zufall auch als "Digital Natives" (Biblionetz:w01839) bezeichnet. Im Gegensatz zu Menschen, die sich neu in dieser Digitalen-Denk-Kultur zu bewegen lernen oft auch als "Digital Immigrants" (Biblionetz:w01840) bezeichnet werden.
  • Es ist zu vermuten, das Menschen die nicht in dieser Digitalen-Denk-Kultur leben, diese nicht messen, beurteilen, bewerten, ja kaum mehr wahrnehmen können als ein Phänomen, dass in ihren Begriffen nicht vollständig zu fassen ist.
  • Ich empfehle deshalb vor allem die Kritik an der Digitalen-Kultur von "Digital Natives" zu reflektieren.
  • Auch wenn ich hier die "Digitale-Kultur" als neu bezeichne, so stehen wir einerseits gerade erst am Anfang dieser Kulturzeit (schaut schon mal bei Second Life vorbei um einen Eindruck zu bekommen, was in den nächsten 4 Jahren kommt), andererseits bleibt die "Digitale-Kultur" ein Kind der Moderne und des formal-operatorischen Denkens und dessen komplexestes Produkt und könnte möglicherweise das Sprungbrett sein um die Moderne im Geist des Menschen zu transzendieren.

  • Noch einige nicht aus differenzierte Anmerkungen:
    • Ja, die Computer-Internet-Kritiker haben recht, "Computern" ändert unsere Hirnstrukturen, wie es das Lesen und Schreiben auch tut.
    • Wenn Amerika (ohne Californien) politisch-kulturell-wirtschaftlich in einer Regressionsphase ist, um Tiefenstukturen aufzuräumen, muss Europa sich nicht durch dessen Forschungsergebnisse beeindrucken lassen. Unser Motto heisst "weiter" (siehe auch "Der europäische Traum" von Jeremy Rifkin Biblionetz:p00966)

Quellen zu Marcs Ergänzungen:

Ergänzung von Dominik Petko (25.06.07)
  • Ein wichtiger Punkt ist, dass Medien an und für sich keinen Lernerfolg verbessern. Es kommt schlicht auf den didaktisch sinnvollen Einsatz jedes medialen Werkzeugs durch Lehrperson und Lernende an (gilt auch für Papier und Bleistift). Bei alledem sind dann auch noch die Voraussetzungen bei Lehrenden und Lernenden zu berücksichtigen und vieles mehr. Die Komplexität des Zusammenspiels der Variablen bei der Messung von Einflussgrössen auf Bildungswirkungen ist leider nicht besonders öffentlichkeitswirksam. Holzschnittartige Vereinfachung ist also Trumph, in der Sonntagspresse ebenso wie in Bestsellern verschiedener Neuropsychologen…

Hinweis von Jan Hodel (26.6.2007)
  • Ich verweise auf den Blog-Eintrag von Stewart Mader , der seinerseits BusinessWeek zitiert. Zitat: " [...] The magic of technology is that it works for students with a variety of learning styles instead of requiring them to learn in a style that isn’t optimal, and that’s the opposite of training for standardized tests. [...]" Mit anderen Worten: Solange die Schülerleistungen in standardisierten Tests erhoben werden, wohingegen die Neuen Lerntechnologien gerade nicht standardisiert messbare Bildungsprozesse fördern will (wobei zu fragen ist, wie die Einlösung dieses Anspruchs überprüft werden kann), soll sich niemand wundern, dass Neue Lerntechnologien keine "messbaren Verbesserungen der Schülerleistungen" hervorbringen - einmal ganz unabhängig davon, ob sie didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, oder eben nicht.


 
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