Finnland verabschiedet sich von der Handschrift
01.12.2014 13:57 Uhr von Martin Schindler Maschinenschreiben und Texting wird ab 2016 auf dem Lehrplan finnischer Grundschulen das Schreiben mit der Hand ablösen. Finnland will Handschrift aus dem Curriculum streichen. (Bild: Shutterstock) Flüssiges Maschinenschreiben ist eine wichtige Kultur-Technik, die jedes Kind beherrschen sollte. Diese Ansicht vertritt Minna Harmanen, Mitarbeiterin im finnischen Kultusministerium. Daher wird in dem Lehrplan für finnische Grundschulen ab Herbst 2016 Handschrift nicht mehr zwingend vorgeschrieben sein. Die Kinder müssen dann nicht mehr zwingend Kalligraphieübungen absolvieren und auch keine zusammenhängende Handschrift mehr erlernen. Statt dessen sollen die finnischen Kinder in der Verwendung von Tastaturen und im Texting geschult werden, wie das finnische Blatt Savon Sanomat berichtet. Damit sollen auch diejenigen Kinder diese Fertigkeit erlernen können, die im Elternhaus keinen Zugriff auf solche Geräte hätten.
… anlässlich seiner Sitzung vom 30. November 2012 beschlossen, das Tastaturschreiben ab der 4. Klasse der Primarstufe einzuführen (ERB vom 30. Nov. 2012 PDF). Das Tastaturschreiben (10-Finger-System) soll künftig im Sinne eines individuellen Lehrgangs im Rahmen von offenen Unterrichtsformen mittels geeigneter Tastaturschreib-Lernprogramme systematisch gelernt werden. Fürs Erlernen des Tastaturschreibens wird also kein eigenes Fach konzipiert, sondern Zeitgefässe (ca. 10-15 Min. pro Woche) in anderen Fächern, insbesondere im Deutschunterricht, zur Verfügung gestellt. Zusätzlich haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, das Tastaturschreiben auch zuhause am Computer zu üben. Zugleich soll den Schülerinnen und Schülern vermehrt die Möglichkeit gegeben werden, Texte (z.B. im Deutschunterricht) am Computer zu schreiben, um das Zehnfinger-Tastaturschreiben anwenden zu können.
Am Ende der 6. Klasse sollen die Schülerinnen und Schüler fähig sein, einen unbekannten zusammenhängenden Text mit mindestens 500 Anschlägen (50 Anschläge pro Minute) in 10 Minuten am Computer einzugeben und auszudrucken, ohne dabei mehr als drei Fehler zu machen.
Quelle: www.sz.ch
An seiner Sitzung vom 10.06.2014 hat der Schwyzer Erziehungsrat nun auch die Umsetzung beschlossen. Dort steht:
Am Ende der 6. Klasse sollen die Schülerinnen und Schüler fähig sein, einen unbekannten zusammenhängenden Text mit mindestens 500 Anschlägen (50 Anschläge pro Minute) in 10 Minuten am Computer einzugeben und auszudrucken, ohne dabei mehr als drei Fehler zu machen.
Quelle: www.sz.ch
Aufgrund der Empfehlungen aus dem Schulversuch von 2007-2009 werden die Leistungen im Tastaturschreiben benotet und mit 50% in die Schriftnote eingerechnet.
Quelle: www.sz.ch
Mindestens notenmässig ist damit die *Handschrift (Biblionetz:w02259) dem Schreiben mit dem Computer (Biblionetz:w01911) gleichgestellt.*
Das wird noch hohe Wellen werfen, denn gemäss meiner Erfahrung ist die Handschrift ein hoch emotionales Thema.
Ich bin innerlich gespalten, ob ich das Vorgehen des Kantons Schwyz positiv oder negativ sehe (obwohl ich am Entscheid nicht unbeteiligt war als Mitautor der ICT-Strategie des Kantons Schwyz (Biblionetz:t14412)).
Schreiben mit dem Computer bietet zahlreiche Potenziale: Quelle: www.sz.ch
- Biblionetz:a00673 Der Computer kann das Lesen- und Schreibenlernen fördern.
- Biblionetz:a00732 Schreiben am Computer erleichtert die Überarbeitung von Texten
- Biblionetz:a00740 Schreiben am Computer erleichtert die Veröffentlichung der eigenen Arbeit
- Biblionetz:a01138 Schülerinnen und Schüler schreiben am Computer längere Texte als von Hand
- Biblionetz:a01139 Schreiben am Computer kann die Schreibmotivation fördern.
- Biblionetz:a01169 Schreiben am Computer vereinfacht das gemeinsame Erarbeiten von Texten
Das erste brauchbare, wenn auch noch primitive
Produkt einer neuen Technologie hat die Tendenz, sich
ferstzusetzen. Ich habe dieses Phänomen das QWERTZ-Phänomen
genannt.
Die oberste Reihe einer Standardschreibmaschine zeigt die Buchstabenfolge QWERTZ. Für mich ist dies ein Symbol dafür, dafi die Technik allzuoft nicht dem Fortschritt dient, sondern dafür sorgt, das an Altem festgehalten wird. Fur die QWERTZ-Anordnung gibt es keine rationale Erklärung, lediglich eine historische. Sie wurde als Lösung eines Problems aus der ersten Zeit der Schreibmaschine eingeführt: Die Tasten verklemmten sich des öfteren. Dieses Problem sollte dadurch minimalisiert werden, dass die Tasten, die häufig nacheinander gebraucht werden, getrennt wurden. Ein paar Jahre später beseitigte der allgemeine Fortschritt in der Technik das Problem des Verklemmens, aber QWERTZ blieb. Einmal angenommen, zog die Anordnung Millionen von Schreibmaschinen und eine Methode (sogar ein Curriculum) des Tippenlernens nach sich. Die sozialen Kosten einer Veränderung (z. B. eine Anordnung, bei der die meistbenutzten Tasten auf der Tastatur zusammen liegen) stiegen mit dem persönlichen Interesse an der alten Anordnung, das entstand, weil immer mehr Finger gelernt hatten, der QWERTZ-Tastatur zu folgen. QWERTZ ist geblieben, obwohl es andere, «vernünftigere» Systeme gibt.
Biblionetz:t17008
Klar, bereits 1982 sagte Klaus Haefner (Biblionetz:p00188) das baldige Ende der Tastatur aufgrund von Spracherkennung (Biblionetz:w02442) voraus und bis heute ist noch nicht viel davon zu sehen. Aber trotzdem: Ist es zukunftsgerichtet, die QUERTZ-Anordnung in die Lehrpläne aufzunehmen? Schreiben am Computer ist ja nicht das Gleiche wie Tastaturschreiben.
Ich finde es begrüssenswert, dass neben der Handschrift noch andere Arten des Schreibens Eingang in den Lehrplan finden. Ob das 10-Fingersystem die richtige Antwort ist, bezweifle ich wie die Strategie des Schweizer Buchzentrums, aufgrund des Umsatzrückgangs bei Büchern nun vermehrt auf den Verkauf von DVDs zu setzen (Biblionetz:t17344).
Ach seufz, dieser Leitmedienwechsel (Biblionetz:w02306).
P.S. Nochmals der Hinweis für Kulturpessimisten: Weder in Finnland noch im Kanton Schwyz soll die Handschrift abgeschafft werden.
P.S.2: Für die deutsche Sprache gibt es mindestens zwei optimierte Tastaturlayouts: Die oberste Reihe einer Standardschreibmaschine zeigt die Buchstabenfolge QWERTZ. Für mich ist dies ein Symbol dafür, dafi die Technik allzuoft nicht dem Fortschritt dient, sondern dafür sorgt, das an Altem festgehalten wird. Fur die QWERTZ-Anordnung gibt es keine rationale Erklärung, lediglich eine historische. Sie wurde als Lösung eines Problems aus der ersten Zeit der Schreibmaschine eingeführt: Die Tasten verklemmten sich des öfteren. Dieses Problem sollte dadurch minimalisiert werden, dass die Tasten, die häufig nacheinander gebraucht werden, getrennt wurden. Ein paar Jahre später beseitigte der allgemeine Fortschritt in der Technik das Problem des Verklemmens, aber QWERTZ blieb. Einmal angenommen, zog die Anordnung Millionen von Schreibmaschinen und eine Methode (sogar ein Curriculum) des Tippenlernens nach sich. Die sozialen Kosten einer Veränderung (z. B. eine Anordnung, bei der die meistbenutzten Tasten auf der Tastatur zusammen liegen) stiegen mit dem persönlichen Interesse an der alten Anordnung, das entstand, weil immer mehr Finger gelernt hatten, der QWERTZ-Tastatur zu folgen. QWERTZ ist geblieben, obwohl es andere, «vernünftigere» Systeme gibt.
Biblionetz:t17008
- http://de.wikipedia.org/wiki/Neo_%28Tastaturbelegung%29
- http://de.wikipedia.org/wiki/RISTOME-Tastaturbelegung