Was Kinder im Internet suchen … oder Spass mit Statistik

Heise.de verwies vor einigen Tagen auf eine Pressemeldung von Symantec und beschrieb, wonach Kinder im Internet suchen würden. Heise.de schreibt:

Nach Zahlen des Sicherheitsdienstleisters Symantec, der rund 3,5 Millionen Suchanfragen ausgewertet hat, die zwischen Februar und Juni in den USA über das Kinderschutz-System OnlineFamily.Norton getätigt wurden, wollen die Kids nicht nur zu YouTube (häufigster Suchbegriff), Google (Platz 2) und Facebook (Platz 3), sondern auch mehr über Sex wissen. Laut Symantec schaffte es dieser Begriff auf den vierten Platz einer Liste mit den 100 häufigsten Kinder-Suchanfragen. Anzeige

Doch damit längst nicht genug: Schon auf Platz 6 folgt mit "Porn" der nächste Suchbegriff, der Eltern in Erklärungsnöte bringen könnte – noch weit vor eigentlich erwarteten Begriffen wie "Club Penguin" (beliebtes Onlinespiel für Kinder, Platz 22) oder "Webkinz"-Spielzeug des kanadischen Unternehmens Ganz (Platz 16). In den Top 100 sind auch Begriffe vertreten, die sich auf diverse anatomische Merkmale des menschlichen Körpers beziehen, etwa "Boobs" oder "Pussy"

So, und was machen wir nun mit dieser Information? Daraus schliessen, dass wir Kindern das Internet wegnehmen oder mindestens filtern müssen, weil diese Kinder ja vor allem unzüchtige Dinge suchen?

Wir könnten aber auch diese Meldung kritisch hinterfragen:

  • Wer hat die Studie gemacht und publiziert? Symantec, ein Hersteller u.a. eines Web-Filterprogrammes für Familien. Das muss nicht unseriös sein, mahnt aber zur Vorsicht, denn der Hersteller hat ein Interesse daran, die Notwendigkeit seines Filterprogrammes unter Beweis zu stellen.

  • Wer wurde untersucht? Wir wissen es nicht so genau. 3.5 Millionen Suchanfragen von amerikanischen Kunden ebendieses Filterprogramms der Firma Symantec. Waren das Kinder? Wissen wir nicht. Es könnten auch die Eltern dieser Kinder sein.

  • Was sagen uns die Zahlen? Auch nicht viel. Das sich unter den 100 häufigsten Suchbegriffen deren 9 befinden, die irgend etwas mit Pornografie zu tun haben können. Da aber nur eine Rangfolge, aber keine absoluten Zahlen publiziert worden ist, wissen wir nicht, ob ein Suchbegriff auf den ersten 10 Rängen massiv häufiger gesucht wurde als einer auf den Plätzen 90-100 oder ob alle 100 Suchbegriffe einigermassen ähnlich häufig gesucht wurden. Wir können damit nichts über den Anteil an pornografischen Suchen sagen.

Was könnte uns diese Rangliste denn sonst sagen? Schaut man sich die ersten 20 häufigsten Suchbegriffe an, so fallen YouTube, Google, Facebook, MySpace, Yahoo, eBay, Gmail, Hotmail, Wikipedia, YouTube.com auf, an die man mit Ausnahme der letzten beiden nur .com anhängen müsste, um die URL des gesuchten Objekts zu haben. Wer Google mit einer Suchmaschine (vermutlich mit Google…) sucht, zeigt geringe Internetkompetenz.

Einmal mehr gilt: Ausbilden, nicht filtern!

P.S.: Die Meldung wurde von zahlreichen Printmedien aufgenommen (z.B. Augsburger Allgemeine, Tages Anzeiger / Newsnetz), aber praktisch nie hinterfragt. Auch der irreführende Hinweis von heise.de, dass Erwachsene am meisten seriöse Begriffe suchen würden, blieb unkorrigiert. Die Topsuchbegriffsseiten von Google & Co. werden nämlich vor der Publikation von unsittlichen Begriffen gesäubert…


klugscheiss: www.wikipedia.com wird auf www.wikipedia.org umgeleitet. Man kommt also auch so auf die gesuchte URL. wink -- MatthiasDreier - 18 Aug 2009

-- TorstenOtto - 21 Aug 2009
 
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Kategorien: IsaBlog, IsaMedienbildung

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