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Tschüss WhatsApp

Vor kurzem hat mich Facebook (Biblionetz:w02039) wieder einmal fürsorglich nach meiner Mobiltelefonnummer gefragt:

facebook-telefonnummer.jpg

"Nur du kannst deine Nummer sehen."

Liebes Facebook, du weisst selbst, dass das nicht stimmt, denn DU kannst meine Nummer auch sehen. Und das ist vermutlich der Hauptgrund, warum die regelmässig nach meiner Nummer fragst. Mobiltelefonnummern sind wertvolle Identifikationsmerkmale von Personen, da sie einerseits meist persönlich und andererseits relativ dauerhaft sind.

Als du WhatsApp gekauft hast, war das Versprechen, dass zwischen euch keine Daten ausgetauscht würden. Zwei Jahre später sieht das anders aus. Und mit dem lustigen Schalter in WhatsApp hätte ich nicht verhindern können, dass ihr die Daten austauscht, sondern nur… ach ich weiss es nicht mehr.

Denn ich habe beschlossen, meinen WhatsApp-Account zu löschen. Es gibt zahlreiche Alternativen, die nicht davon leben meine Daten auszuwerten oder zu verkaufen:

  • Ich nutze seit längerem auf dem Smartphone die Schweizer App Threema, die mir End-zu-End-Verschlüsselung ohne zentrale Speicherung meiner Kommunikation bietet.
  • Seit kurzem nutze ich auch die App Signal, da es dazu nun auch eine Desktop-App gibt, so dass ich auch unter Windows damit kommunizieren kann.

Mit meinem Entscheid, WhatsApp zu löschen, handle ich mir kurzfristig Probleme ein, da ich gewisse Kommunikationspartner nicht mehr per Instant Messaging erreiche. Trotzdem ist es mir wichtig zu zeigen, dass es Bereiche des digitalen Lebens gibt, wo durchaus Alternativen zu den üblichen Monopolisten existieren, die Datensparsamkeit (Biblionetz:w01211) und privacy by design (Biblionetz:w02435) hochhalten.

(Das beantwortet auch die Frage, was die Newsmeldung, dass Yahoo seit einem Jahr alle Mails in Echtzeit durchsucht und die Ergebnisse dem amerikanischen Geheimdienst weitergeleitet hat, mit meiner Kündigung zu tun hat: Datensparsamkeit. Wenn Daten schon gar nicht zentral gespeichert werden (ein Beispiel für privacy by desgin…), dann kann auch niemand diese Daten (miss)brauchen.)

Weiterführende Hinweise bei netzpolitik.org:

Weiterführende Hinweise bei heise.de:

Update 5.10.2016: Replik auf Philippe Wampfler

In seinem Blogpost Warum ich WhatsApp nicht lösche nimmt Philippe Wampfler (Biblionetz:p12709) Bezug auf meinen Entscheid, WhatsApp zu löschen. Er nennt mehrere Gründe, warum er WhatsApp weiterhin verwenden wird:
  1. Ich will meinem Gegenüber nicht den Kommunikationskanal diktieren
    "Ich möchte den Jugendlichen und den Studierenden, die ich pädagogisch begleite, zuhören können. Das bedeutet, dass meine Kommunikationsschwellen so tief wie möglich sind: Ich will erreichbar sein, um an pädagogischen Gesprächen teilnehmen zu können. Das bedeutet für mich, dass ich nicht anderen die Kanäle diktiere, sondern ihre Kanalwahl respektiere."
    Das sehe ich in der Tat anders. Ich kann - schon aus Ressourcengründen - gar nicht anders, als meinen potenziellen Kommunikationspartnern gewisse Rahmenbedingungen der gemeinsamen Kommunikation zu diktieren (wenn nicht den Kanal, dann doch z.B. die Reaktionszeit). Ich sehe es zudem in meiner aktuellen beruflichen Tätigkeit nicht als notwendig an, auf allen denkbaren Kanälen erreichbar zu sein (bei einer anderen Tätigkeit könnte das anders sein). Umgekehrt habe ich auch eine Vorbildwirkung: Ich zeige im Guten wie im Schlechten, wie und warum digitale Medien genutzt oder nicht genutzt werden sollen.
  2. Dieser Entscheid ist nur Privilegierten möglich
    "Gleichwohl ist aber eine solche Entscheidung nur Privilegierten möglich, die davon ausgehen können, den sozialen Preis zahlen zu können."
    Ich bin mir bewusst, diesbezüglich privilegiert zu sein. Nur: Solange ich nicht das gleiche Verhalten von anderen fordere (was ich in meinem Posting mit keine Wort tue), sehe ich nicht ein, warum das Privilegiertsein hier störend sein könnte. Ja, man könnte mir vorwerfen, dass ich mich moralisch auf eine höhere Ebene stellen würde (ich wäre mir aber nicht bewusst, das zu tun). Aber auch hier wieder: Gerade weil ich privilegiert bin, sollte ich vielleicht diese Möglichkeiten auch nutzen.
  3. Datenschutz ist ein Scheindiskurs
    "Ich halte Datenschutz für einen Symboldiskurs. Wir haben die Kontrolle über unsere Daten verloren."
    Ich teile diese Post-Privacy-Ansicht (Biblionetz:w02424) in ihrer Pauschalität nicht. Wie wir künftig kommunizieren werden, hängt auch von unserem Verhalten ab. Gerade gewinnorientierte Unternehmen schauen sehr genau hin, was Nutzerinnen und Nutzer tun. Wenden sich allzu viele User von allzu datenkrakigen (und im Falle von Facebook auch noch heuchlerisch lügenden ("Wir sorgen uns um deine Sicherheit") Plattformen ab, so werden sich die Unternehmen schon bemühen, ihre Geschäftspraktiken zu ändern.
  4. Mit meiner Aktion kann ich das Problem sowieso nicht lösen
    "Wenn nun einfache Entscheidungen wie der Verzicht auf WhatsApp herangezogen werden, um scheinbar klare Linien zu ziehen zwischen gutem und schlechtem Verhalten, zwischen Datensparsamkeit und Datensammeln, zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, dann hat das symbolischen Wert: Die Telefonnummern werden immer noch an vielen Orten gespeichert, sie gelangen über andere Wege zu Facebook und den Unternehmen, die daran interessiert sind."
    Ich bin mir der Symbolhaftigkeit sehr wohl bewusst. Auch das ist jedoch für mich kein Grund, es nicht zu tun. Bei vielen grossen Problemen der Welt kann ich sie weder alleine lösen noch selbst meinen Anteil vollständig leisten.
  5. Solche Probleme sollte man ausschliesslich politisch lösen
    "Meiner Meinung nach gibt es nur politische Mittel im Kampf um einen ethischen Umgang mit Daten. Die Verantwortung an Individuen abzugeben, führt zu Schuldgefühlen und Überforderung – nicht zu Lösungen."
    Es ist nicht ein Entweder-Oder. Es braucht ein Sowohl-als-auch. Politische Mittel und kleine Schritte einzelner Privilegierter.

Während dem Schreiben dieser Antworten drängt sich mir der (vermutlich nicht ins ins letzte Detail passende) Vergleich mit dem Klimawandel auf:
  • Ich kann das Problem nicht alleine Lösen
  • Viele persönliche Massnahmen (Nachtzug statt Flieger, Home-Office statt Büro, saisonales Biogemüse aus der Region, Leicht-Elektromobil statt Auto) kann ich nur treffen, weil ich privilegiert bin
  • Nicht mal ich (als Privilegierter) werde ohne Preisgabe grosser Bequemlichkeit die Ziele 2000-Watt-Gesellschaft hinkriegen
  • Nicht alle Massnahmen ziehe ich konsequent durch (morgen fliege ich innerhalb von Europa)

Nur: Sind das Gründe, gänzlich auf Massnahmen zu verzichten, die den Klimawandel ein kleines bisschen verlangsamen könnten? (Warum ist das Angebot von Bio-Gemüse in letzter Zeit so gestiegen: Weil Privilegierte angefangen haben, es zu verlangen. (dass das ungerecht ist, ist wiederum ein anderes Problem). Aber es waren nicht zuerst die politischen Massnahmen, sondern die Aktionen Einzelner, die etwas bewirkt haben).

Kommentare

Auch PHW sammelt und verwaltet Daten im Umkreis seiner Schulen, die gemeinhin als sensibel und schützenswert angesehen werden. Ich gehe davon aus, dass auch er dieses Daten als schützenswert betrachtet.

-- BeatRueedi - 07 Oct 2016



 
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