Ić bin kein Schweizer

Unter dem Titel Ić bin kein Schweizer (Biblionetz:t19159) berichtet das Magazin des Tages-Anzeigers von Robert Matešić der sich gerne in der Schweiz einbürgern lassen möchte, dem die Behörden jedoch mitteilen, sein Nachname lasse sich nicht wie gewünscht als Matešić schreiben, da die entsprechende Verordnung das Zeichen ć nicht kenne. Der Artikel erklärt gegen Ende, dass eigentlich technische Gründe dafür den Ausschlag geben. Da man bei den Behörden noch nicht mit dem umfassenden Zeichensatz UTF-8 arbeitet, hat man sich früher für einen Teilzeichensatz entscheiden müssen und hat ISO 8859-15, den westeuropäischen Zeichensatz gewählt. Somit lassen sich alle westeuropäischen Namen problemlos im Schweizer Pass abbilden, nicht jedoch die osteuropäischen. Der Artikel schliesst mit der Frage, ob dies dem Artikel 8 der Schweizerischen Bundesverfassung widerspricht: "Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache..."

Ich finde diese Geschichte aus der Perspektive der Informatikdidaktik sehr spannend. Sie zeigt deutlich, dass in einer digitalisierten Welt Informatikerinnen und Informatiker die Arbeits- und Lebenswelt vieler Menschen prägen (Biblionetz:a01003) und hier die Digitalisierbarkeit der Welt (Biblionetz:w02914) zumindest in den früheren Zeichensätzen an ihre Grenzen gestossen ist. Die Geschichte zeigt beispielhaft, dass Softwaresysteme sehr wohl normative Aussagen enthalten können ("westeuropäische Sonderzeichen sind wichtiger als osteuropäische Sonderzeichen"), was teilweise ja bestritten wird (siehe z.B. Krude Argumente gegen das Programmieren in der Schule).

Aus meiner Sicht würde sich diese Geschichte wunderbar als Einstieg im Informatikunterricht zum Thema Zeichensätze oder Codierung oder Digitalisierung eignen. Aufgeschlüsselt nach den Perspektiven des Dagstuhl-Dreiecks (Biblionetz:w02886):

  • Technologische Perspektive: (Biblionetz:w02888) Was steckt technologisch hinter diesem Problem? Warum steht im Artikel, dass frühere Computersysteme nur 191 Zeichen in einem Zeichensatz speichern konnten? Wie speichert denn der Computer überhaupt Zeichen? Wie löst das im Artikel erwähnt UTF-8 das Problem? Warum verwenden dann nicht einfach alle Systeme automatisch UTF8? etc.

  • Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive: (Biblionetz:w02889) Welche (diskriminierenden) Konsequenzen haben diese Beschränkungen bisherigen Zeichensätze? Wer ist dafür verantwortlich? Hätte dies besser gemacht werden sollen? Wo gibt es ähnliche Probleme? etc.

  • Anwendungsperspektive: (Biblionetz:w02887) Wie sieht die Situation bei den Computern in der eigenen Umgebung aus? Kann mein Notebook, Tablet, Smartphone mit solchen Zeichen umgehen? Wo sind Sonderzeichen erlaubt, wo nicht (URL, Mailadressen, Nicknames, Passwörter etc.)? Wie finde ich Sonderzeichen, die nicht auf meiner Tastatur sind? Wie sieht es mit Textverarbeitungsprogrammen, Präsentationssoftware etc. aus? (Mein Blog und mein Biblionetz beherrschen z.B. bereits UTF8, die jeweiligen RSS-Feeds jedoch noch nicht…)


 
Zum Kommentieren ist eine Registration notwendig.

Kategorien: IsaBlog, IsaInformatik, IsaMedienBericht

Kontakt

  • Beat Döbeli Honegger
  • Plattenstrasse 80
  • CH-8032 Zürich
  • E-mail: beat@doebe.li