Computerlose Computer-Interfaces

Vor etwa zwei Monaten hatte ich im Posting zu SixthSense bereits auf alternative User-Interfaces (Biblionetz:w00579) hingewiesen und mich darin bestätigt gefühlt, dass noch für einige Zeit Innovationen im ICT-Bereich zu erwarten sind.

Manchmal muss man in die Ferne reisen, um das Nahe zu sehen. So ist es mir letzten Monat in Rhodos (siehe hier und hier) ergangen, wo ich an der CSCL 09 endlich mal das Projekt DUAL-T - Touching Abstraction des EPFL-Teams (ETH Lausanne) um Pierre Dillenbourg (Biblionetz:p01285) und Patrick Jermann (Biblionetz:p03130) live sehen konnte.

Ausgehend von der Problemstellung, Logistik-Lernenden die abstrakten Konzepte der Lagerplanung- und Bewirtschaftung besser erklären und erfahrbar machen zu können, entwickelten die Lausanner Wissenschafter eine tangible Simulationsumgebung, bei welcher der traditionelle Computer vollständig verschwindet:

dualt-01.jpg

Die Logistiklehrlinge bauen auf einem Tisch mit vorgefertigten Kartongestellen ein Hochregallager. Eine Kamera erfasst laufend die Standort der Modellgestelle und projiziert per Beamer dynamische Informationen sowie Lagersimulationen auf die Gestelle und die Tischfläche. So sehen die Lehrlinge z.B. sofort, wie die Lage der Gestelle die notwendigen Wege der Gabelstapler verlängert oder verkürzt. Cool! Diese Lernumgebung ist echt enaktiv (Biblionetz:w01996) und nicht "nur" virtuell enaktiv (Biblionetz:w01995), obwohl dahinter natürlich massiv Computertechnologie steckt!

So stelle ich mir das Paradigma des disappearing computers in der Bildung vor!

In einer ersten Fassung mussten übrigens die Parameter der Simulation noch am Computer eingestellt werden, bis die Entwickler auf die Idee kamen, auch die Parametereingabe zu vereinfachen: Nun ist es möglich, alle Parameter der Lernumgebung mit Hilfe von A6-Papierkarten zu steuern, die man ins Blickfeld der Kamera legt. Dank 2D-Barcode (Biblionetz:w02048) erkennt der Computer, um welches User-Interface es sich handelt und wie das Blatt (auch schräg!) auf dem Tisch liegt. Mit Hilfe von schwarzen Punkten (z.B. Magneten) können nun Optionen an-/abgewählt oder mittels Slider verändert werden.

dualt-02.jpg

Was mit Input möglich ist, geht natürlich auch mit dem Output: So lässt sich nun ein A6-Blatt mit dem Titel Lagerbestand Erdbeeren irgendwo auf dem Tisch hinlegen und - schwupp - zeigt sich auf dem Blatt die Fieberkurve des Ergbeerenbestands! So kann in Kleingruppen rund um den Tisch gearbeitet werden, ohne dass der Computer im Weg steht.

(Mehr Videos zum Projekt hier)

Zurück in der Schweiz hatte ich die Gelegenheit, wieder mal Kai Jauslin zu treffen, der nach seinem Informatikstudium an der ETH Zürich nun auch noch einen Bachelor in Interaction Design an der ZHDK abgeschlossen hat. In seiner Abschlussarbeit gesturespace hat er eine berührungslose Gesture-Steuerung entwickelt, mit der sich z.B. in 3D-Welten navigieren lässt. Auch hier dokumentiert ein Video das Ergebnis wohl am besten:

(Auch zu diesem Projekt gibt es weitere Infos)

Nachdem ich das gesehen habe, kann ich mir nun deutlich das folgende Ziel für die nächsten zehn Jahre auf die Fahnen schreiben:

Ich will, dass der Computer aus den Schulzimmern verschwindet!

(oder zumindest aus dem Fokus der Aufmerksamkeit…)
 
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