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OLPC am Scheideweg?

Die Initiative One Notebook per Child (OLPC) (Biblionetz:w02041) befindet sich im Umbruch.

Ende 2007 hat die Produktion und Auslieferung des XO begonnen. Damit konnte der Tatbeweis erbracht werden: Wenn auch nicht für die anvisierten 100 Dollar, so ist es doch möglich für derzeit 188 Dollar einen Laptop für Schulkinder in Entwicklungsländern herzustellen.

Dieser Meilenstein hat auch zu personellen Konsequenzen geführt. Als erste wichtige Person hat Ende 2007 Mary Lou Jepsen, die Chefentwicklerin des OLPC die Initiative verlassen, um die für den XO entwickelten neuen Technologien nun auch kommerziell zu vermarkten.

Als nächstes hat der Initiator der OLPC-Initiative, Nicolas Negroponte (Biblionetz:p00155) angekündigt, dass er als Leiter von OLPC einen Nachfolger suche, da jetzt andere Qualitäten gefragt seien als beim Aufbau der Initiative.

Seit Anfang 2008 haben zwei weitere prominente Mitglieder der OLPC-Initiative ihren Rücktritt angekündigt: Die innoffizielle Nummer 2, Walter Bender, bisheriger Leiter Softwareentwicklung und Ivan Krstić, massgeblicher Entwickler der Sicherheitselemente des OLPC. Beide haben als Grund ihr Missfallen über die zukünftige Ausrichtung der OLPC-Initiative angegeben (siehe Rückrittschreiben Walter Bender).

Es ist nicht ganz einfach festzustellen, was die zukünftige Ausrichtung von OLPC wirklich ist und wie gravierend die personellen Veränderungen für die weitere Entwicklung sind. Es fehlen entsprechende offizielle und klare Statements. Stattdessen versuchen derzeit viele Beteiligte zwischen den Zeilen zu lesen und aus dem Schweigen gewisser Beteiligter ihre Schlüsse zu ziehen. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass auch interpretiert und übertrieben wird. Es wäre wünschenswert, wenn bald wieder Klarheit herrschen würde.

olpc-windows.jpg

Stein des Anstosses ist der Einsatz von Windows auf den Laptops von OLPC. Es ist bereits seit längerem bekannt, dass Microsoft daran arbeitet, eine abgespeckte Version von Windows XP auf dem XO-Laptop zum Laufen zu bringen. Doch nun häufen sich die Gerüchte (siehe Meldung von AP), dass der XO evtl. auch mit Windows XP an Entwicklungsländer ausgeliefert werden soll, entweder als Dual-Boot-Lösung oder aber ausschliesslich mit Windows XP. Die Begründung: Gewisse Entwicklungsländer seien nur bereit zum Kauf von Geräten, auf denen Windows laufe. Um den Absatz des XO zu erhöhen und damit die OLPC-Initiative zu fördern, sei deshalb die Ausrüstung des XO mit Windows zu begrüssen. Die Gegner dieser Absicht sehen darin einen Verrat an der Grundidee von OLPC, nur Open Source Software zu verwenden und damit Entwicklungsländer nicht in neue wirtschaftliche Abhängigkeiten zu bringen.

Derzeit laufen die Diskussionen heftig, sowohl international (siehe hier, hier, hier) als auch im deutschsprachigen Raum (siehe hier). Meistens berufen sich die Diskutierenden auf die Aussage von Nicolas Negroponte / OLPC:

It's an education project, not a laptop project.

Je nach Position werden aus diesem Grundsatz jedoch andere Schlüsse gezogen:

  • Die Befürworter der Ausstattung des XO mit Windows argumentieren, dass es ja gerade nicht um die spezifischen Hard- und Softwareeigenschaften des OLPC-Laptops gehe, sondern darum, den Kindern den Zugang zur Informationsgesellschaft zu geben. Ob dies mit Windows oder mit Linux geschehe, sei zweitrangig. Wenn die Ausrüstung mit Windows den Absatz des OLPC-Laptops erhöhe, dann sei dies im Sinne der OLPC-Initiative.
    • Ein Teil der Befürworter argumentiert, dass bei einer Dual-Boot-Lösung sich Linux sowieso als bessere Lösung durchsetzen werde).
  • Die Gegner der Ausstattung des XO mit Windows argumentieren, dass es eben gerade nicht um die Verteilung irgendwelcher Laptops an Kinder in Entwicklungsländer gehe, sondern um die Verbreitung der (konstruktivistischen) Grundideen des OLPC-Laptops. Würde der XO mit Windows ausgeliefert, dann handle es sich um einen X-beliebigen Laptop, aber nicht mehr um das durchdachte Bildungspaket von OLPC.
    • Ein Teil der Gegner argumentiert, dass sich bei einer Ausstattung des XO mit Windows ein grosser Teil der derzeit ehrenamtlich arbeitenden Open Source Community aus dem Projekt zurückziehen könnte.

Derzeit ist das Commitment zu Free and Open Source (noch?) als eines der fünf Grundprinzipien der OLPC-Initiative auf dem Wiki von OLPC verankert:

Free and Open Source

The child with an XO is not just a passive consumer of knowledge, but an active participant in a learning community. As the children grow and pursue new ideas, the software, content, resources, and tools should be able to grow with them. The very global nature of OLPC demands that growth be driven locally, in large part by the children themselves. Each child with an XO can leverage the learning of every other child. They teach each other, share ideas, and through the social nature of the interface, support each other's intellectual growth. Children are learners and teachers.

There is no inherent external dependency in being able to localize software into their language, fix the software to remove bugs, and repurpose the software to fit their needs. Nor is there any restriction in regard to redistribution; OLPC cannot know and should not control how the tools we create will be re-purposed in the future.

A world of great software and content is necessary to make this project succeed, both open and proprietary. Children need to be able to choose from all of it. In our context of learning where knowledge must be appropriated in order to be used, it is most appropriate for knowledge to be free. Further, every child has something to contribute; we need a free and open framework that supports and encourages the very basic human need to express.

Give me a free and open environment and I will learn and teach with joy.

Siehe auch:


 
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