Die Frage «Wie verhindern wir die Nutzung von X in Kompetenznachweisen?» ist legitim, hat aber nur dritte Priorität.

In letzter Zeit werde ich öfter auf das Thema «digitales Prüfen» (Biblionetz:w02017) angesprochen. Ich bekunde öfters Mühe mit Antworten. Einerseits, weil ich mich nicht besonders gut mit digitalem Prüfen auskenne. Insbesondere wenn mein Gegenüber darauf besonders erstaunt reagiert, weil ich mich doch mit Digitalem in der Bildung auseinandersetzen würde, muss ich oft etwas weiter ausholen: Digitale Kompetenznachweise und insbesondere das Verhindern von Betrug in solchen digitalen Kompetenznachweisen sind legitime Themen, sollten aber eingebettet sein in übergeordnete Fragestellungen und haben deshalb für mich nur dritte Priorität.

Beim Aufkommen einer neuen Technologie, die etwas besser oder schneller erledigt als es der Mensch bisher getan hat, kommt rasch die Frage auf, wie sich verhindern lässt, dass diese Technologie in der Schule zum Betrügen genutzt werden kann. Klassisches Beispiel: Der Taschenrechner. Er kann schneller rechnen als der Mensch. Somit wurde er anfänglich reflexartig für Prüfungen in der Schule verboten.

Längerfristig hat die Menschheit aber gemerkt, dass das pauschale Verhindern von Taschenrechnern in der Schule keine gute Idee ist. Denn die Existenz des Taschenrechners hat die für das Leben relevanten Kompetenzen verändert. Während die meisten der Meinung wären, dass elementares Kopfrechnen weiterhin zu einer vernünftigen Allgemeinbildung gehört, wird niemand mehr behaupten, man müsse im 21. Jahrhundert zuverlässig schriftlich dividieren können im Leben. Dementsprechend wurden Lehrpläne angepasst: Im Lehrplan 21 kommt zwar das schriftliche Dividieren noch vor, das Einüben der zuverlässigen Nutzung des Verfahrens ist aber im Lehrplan 21 nicht mehr vorgesehen.

Beim Aufkommen neuer Technologien muss es erste Priorität sein zu fragen, wie diese Technologie die künftig im Leben relevanten Kompetenzen und damit die Lernziele, -inhalte und -methoden verändert.

Wenn eine Technologie die für das Leben relevanten Kompetenzen verändert, dann ist die Chance gross, dass Menschen lernen sollten, diese Technologie zu nutzen und im Verbund von Mensch und Technologie bessere Ergebnisse zu erzielen. Beispiel Taschenrechner: Das blosse Rechnen hat an Bedeutung verloren (das übernimmt zuverlässig der Taschenrechner), dafür sind das Verständnis von Berechnungsverfahren und abstraktere Themen der Mathematik wichtiger geworden. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es deshalb sinnvoll, Taschenrechner in der Schule und auch bei Leistungsnachweisen zu nutzen, da sonst die Schule und die Leistungsnachweise lebensweltfern werden und nicht mehr die relevanten Kompetenzen vermitteln.

Das Beispiel Taschenrechner zeigt aber auch, dass wir schon in der Vergangenheit der Meinung waren, trotz verfügbarer Technologien diese nicht immer in der Schule und in Leistungsnachweisen zulassen zu wollen. Die Gesellschaft ist der Meinung, dass Taschenrechner In den ersten Schuljahren nicht gross verwendet werden und Schülerinnen und Schüler zeigen sollen, dass sie die Grundrechenarten auch ohne Verwendung des Taschenrechners beherrschen. Mir ist auch dieser Aspekt wichtig: Obwohl wir davon ausgehen, dass wir später im Leben praktisch immer Zugriff zu etwas taschenrechnerartigem haben werden, finden wir es sinnvoll, wenn dieses Hilfsmittel zu gewissen Zeiten nicht verfügbar ist.

Die zweite Priorität bezüglich Kompetenznachweisen beim Aufkommen einer neuen Technologie hat für mich deshalb die didaktische Frage, wann und weshalb diese Technologie nicht beim Lernen und in Kompetenznachweisen verwendet werden sollen. (Ob und wie der Einsatz der Technologie das Lernen unterstützen kann, ist eine andere wichtige Frage, die ich hier aber nicht weiter verfolgen will).

So, und erst wenn wir die ersten beiden Fragen beantwortet haben, möchte ich mich der Frage zuwenden, wie wir gegebenenfalls die Nutzung einer neuen Technologie in einem Kompetenznachweis verhindern können, um valide und gerechte Leistungsnachweise sicherzustellen.

Wenn mir jemand diese Frage stellt, so möchte ich eigentlich zuerst hören, wie diese Person die ersten beiden Fragen beantwortet.

Während wir als Gesellschaft die Frage bezüglich Taschenrechner weitgehend hinter uns haben, steht sie uns bezüglich anderer Technologien noch bevor:

a) Verbot, Taschenrechner ist Tool das hilfreich ist und mühsames Ausrechnen überflüssig werden lässt. Lösungsweg muss auch zählen, dadurch ist die Frage nach dem Rechner obsolet. No need to do so.

-- WikiGuest - 07 Dec 2022

-- WikiGuest - 08 Jan 2023
 
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