Jugendmedienkompetenzschutz?

Heute vor einer Woche war ich an einer gesamtschweizerischen Veranstaltung, die durch ein Begrüssungswort eines Bundesrats geadelt worden war. Aber auch eine Woche später ist mir noch nicht restlos klar, an was für einer Veranstaltung ich vor einer Woche eigentlich war. (Ein Gefühl, das Heinz Moser (Biblionetz:p00885) bereits vor der Veranstaltung beschlich.)

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Die Dachveranstaltung nannte sich 1. Schweizer Tag der Medienkompetenz, zentraler Bestandteil darin war das Nationale Fachforum Jugendmedienschutz und zwischen diesen beiden Polen (?) bewegte sich die Veranstaltung, wobei ich öfters das Gefühl bekam, dass das Schützen gegenüber dem Kompetenzen fördern und den Potenzialen digitaler Medien die Überhand hatte. Offiziell waren beispielsweise die Fachforen schön aufgeteilt zwischen fördern und schützen, das Bauchgefühl aber blieb.

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Vor allem aber hatte ich das Gefühl, der Veranstaltung fehle eine Vision oder schon nur eine positive Grundstimmung, dass sich in diesem Bereich auch Chancen auftun. Der Tag machte eher den Eindruck einer Pflichtübung auf verschiedenen Ebenen: Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen, weil es die Politik aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung verlangt.

Selbstverständlich ist eine schweizweite Koordination der entsprechenden Aktivitäten wichtig. Die vom Bundesamt für Sozialversicherungen in Auftrag gegebene Bestandesaufnahme der Informations- und Schulungsangebote im Jugendmedienschutz und zur Förderung der Medienkompetenzen PDF-Dokument hat dann aber für mich den eher zweifelhaften Beigeschmack einer wenig innovativen oder visionären Amtshandlung. Bisher wurden 561 Angebote gefunden (wissenschaftlich: n=561) und an der Tagung präsentiert, aufgeschlüsselt nach Trägerschaft und Art der Objekte. Da wurde dann festgestellt, dass 27.8% der Objekte "Broschüren/Flyer/Merkblatt/Ratgeber" sind und nur 1.1% "Kampagnen/Programme/Strategien."

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Ach ja!? Trotz der Unterschiedlichkeit der Objekte wurden dann Prozentangaben präsentiert, welcher Anteil der Objekte von welchen Urhebern stammt und für welches Zielpublikum gedacht sind. Was sagen diese Zahlen aus, wem dienen sie? Hier entsteht leider eher der Eindruck, dass ein Thema verwaltet wird, um am Ende des Bundesprogramms sagen zu können, man habe etwas gemacht (und zwar wissenschaftlich).

Die Veranstalter gingen anscheinend nicht davon aus, dass die Teilnehmenden Internet und soziale Netze würden nutzen wollen. So gab es am Veranstaltungsort kein zugängliches WLAN und ein Hashtag für Twitter war keines vorgesehen.

Gefallen hat mir eigentlich die Eröffnungsrede von Bundesrat Didier Burkhalter unter dem Titel L'èducation est la clé! (Biblionetz:t14759). Hier einige Zitate:

Die Förderung von Medienkompetenzen ist ein Lern- und Bildungsprozess. Deshalb erachten wir es als entscheidend, dass alle Partner zusammenarbeiten, die in diesem Bereich tätig sind. Dazu gehören Schulen, pädagogische Hochschulen, Fachstellen auf kantonaler und lokaler Ebene, private Vereine und Stiftungen, Polizeidienste und die Wirtschaft: Wir alle sind gefordert und wir können und sollen uns unserer Verantwortung nicht entziehen.

Der Bundesrat hat gleichzeitig klargestellt, dass die Förderung eines kompetenten Umgangs mit den Chancen und Gefahren von Medien im Vordergrund steht und nicht die Ausarbeitung neuer Verbotsregelungen; denn eine sozusagen Überbevormundung erzielt oft den gegenteiligen Effekt und bietet nur kurzfristige Lösungsansätze an.

La clé de la réussite de ce processus passe d'abord et avant tout par ce que l'on peut donner aux enfants, ce que l'on doit donner aux enfants : l'éducation. Par l'apprentissage des chances et des dangers. Par une capacité à relativiser, à remettre les informations dans leur contexte, à faire usage de son esprit critique.

Die beste Antwort ist die aktive Begleitung der Medienaktivitäten von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene. Der Schlüssel dazu ist Bildung in Verbindung mit Vertrauen und Selbstverantwortung. Diese Kombination, diese Werte sind - und bleiben - die wichtigsten Jugendschutzmassnahmen.

Das Medienecho auf die Veranstaltung war in meiner Wahrnehmung relativ gering, abgesehen von Tagesschau und 10vor10. Diese beiden Beiträge bestätigen aber meinen zu Beginn geäusserten Eindruck, dass es vor allem um das Schützen vor den Gefahren des Internets ging. Beide Beiträge drehen sich ums Thema Cybermobbing:

Tagesschau vom 27.10.2011

10vor10 vom 27.10.2011



 
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