Blackboard-Patentstreit

Während an den morgigen Berner Telematiktagen das Learning Management System Blackboard (Biblionetz:w01598) als state of the art learning management system präsentiert werden wird, urteilt die Edu-Blogosphäre derzeit deutlich negativer. Der Grund ist ein laufender Patentstreit:

Die Firma Blackboard hat im Januar 1996 das US-Patent Patent 6,988,138 PDF-Dokument über "Internet-based education support system and methods" zugesprochen erhalten, das Verfahren zur webbasierten Ankündigung, Studierendenzuteilung, Informationanzeige und Noteneinsicht von Lehrveranstaltungen beschreibt. Bereits ein halbes Jahr später hat die Firma Blackboard Klage PDF-Dokument gegen die Firma Desire2Learn wegen Verletzung eben dieses Patents erhoben.

Darauf hin ging ein erster Sturm der Entrüstung los, weil viele das Patent von Blackboard als Trivialpatent bezeichneten. Die Beschreibung sei so allgemein gehalten, dass sich mit diesem Patent prakisch sämtliche derzeitigen Learning Management Systeme der Patentverletzung schuldig machen würden. Davon betroffen wären nicht nur kommerzielle Learning Management Systeme, sondern auch Open-Source-Produkte wie Moodle, Ilias oder Sakai.

Aus diesem Grund wurde in der Folge versucht, die Gültigkeit des Patents anzufechten, indem gezeigt werden soll, dass Blackboard nicht die ersten waren, welche die in der Patentschrift verwendeten Verfahren angewendet haben. Entsprechende Dokumentationen sind in der englischsprachigen Wikipedia und auf der Website von Moodle zu finden. Am 25.Januar 2007 wurde die Aufforderung ans US-Patentamt gutgeheissen, die Gültigkeit des Blackboard-Patents aufgrund der neuen Beweislage ("prior art") neu zu prüfen. Das Ergebnis dieser Gültigkeitsprüfung steht noch aus.

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Ausgelöst durch diesen Patentstreit enstanden auch mehrere Protestbewegung, einerseits konkret gegen die Firma Blackboard unter http://www.boycottblackboard.org/ und andererseits generell gegen Patente im Bildungswesen.

Im Februar 2007 versuchte die Firma Blackboard die Wogen zu glätten, indem sie versicherte, ihre Patente nicht gegen Open Source LMS einzusetzen:

Blackboard hereby commits not to assert any of the U.S. patents listed below, as well as all counterparts of these patents issued in other countries, against the development, use or distribution of Open Source Software or Home-Grown Systems to the extent that such Open Source Software and Home-Grown Systems are not Bundled with proprietary software.

Den Rechtsstreit mit der Firma Desire2Learn hingegen wurde aufrecht erhalten. Am 22. Februar 2008 hat nun ein texanisches Gericht entschieden, dass die Firma Desire2Learn tatsächlich das Patent der Firma Blackboard verletze, was den jüngsten Entrüstungssturm ausgelöst hat (z.B. bei slashdot).

Der endgültige Ausgang dieses Patentstreits ist noch nicht absehbar, da das Ergebnis der Gültigkeitsprüfung noch länger auf sich warten lassen dürfte.

Why do I blog this: Die ganze Geschichte ist aus zwei Gründen interessant:
  • Einerseits wird spannend zu beobachten sein, wie dieser Rechtsstreit die LMS-Szene beeinflusst, ob z.B. dadurch Open-Source-LMS Aufwind erhalten.
  • Andererseits zeigt dieser Patentstreit deutlich, welche Folgen die Patentierbarkeit von Software haben kann. Dies könnte die Diskussion um Softwarepatente in Europa beeinflussen (siehe auch http://www.nosoftwarepatents.com).

Siehe auch:
 
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