@ANFANG 04 January 2024 InformationsflutPegelstandanzeige Die Informationsflut-Pegelstandanzeige Kürzlich habe ich mir meine persönliche Informationsflut-Pegelstandsanzeige gebaut. Einerseits als technische Spielerei, damit ich mich wieder einmal mit Webechnologien wie REST-APIs etc. auseinandersetze und andererseits weil ich erleben wollte, wie sich diese Facette von quantified self (Biblionetz:w02356) anfühlt.

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Veralteter Screenshot meiner Informationsflut-Pegelstandsanzeige

Technische Aspekte

Umgesetzt habe ich diese Pegelstandsanzeige als zwei Sensoren in meinem Smarthome-System (Home Assistant), das bei mir zu Hause auf einem Raspberry Pi läuft.

Mailcounter

Da meine berufliche Mail über die Microsoft-Cloud läuft, habe ich via Power Automate von Microsoft einen Mechanismus zusammengestellt, der alle 5 Minuten per Rest-API-Aufruf meinem Raspberry Pi mitteilt, wie viele Mails sich derzeit in meiner Inbox befinden.

pegelstand02.png
Veralteter Screenshot meiner Informationsflut-Pegelstandsanzeige

Der bei Microsoft Flow genannte Ablauf wird alle 5 Minuten ausgelöst und holt sich über einen https-Aufruf beim MS-Graph ein json-Object, das die Anzahl Mails in meiner Inbox enthält:

https://graph.microsoft.com/v1.0/me/mailFolders/inbox/totalItemCount

Im nächsten Schritt wird die benötigte Zahl aus dem json-Objekt extrahiert und im letzten Schritt als REST-API-Aufruf meinem Home-Assistant-Instanz weitergereicht:

https://meine-geheime-homeassistant-adresse.org:port/api/states/input_number.mailcounter

Den Rest der graphischen Aufbereitung sowie der Speicherung einer History übernimmt alles Home Assistant.

Tabcounter

Den Tabcounter habe ich als selbst zusammengestiefelte kleine Chrome-Extension umgesetzt. (Viel musste ich nicht selbst programmieren, ich konnte die bestehende Chrome-Extension HA-Cinema-Time anpassen, indem ich einfach an der passenden Stelle chrome.tabs.query() einsetzen und den Code an passender Stelle auf meinem Computer deponieren musste.

Nun meldet mein Chrome-Browser bei jedem Öffnen und Schliessen eines Tabs die aktuelle Zahl meiner offenen Chrome-Tabs an meine Home-Assistant-Instanz.

Technisch war das Gebastel für mich lehrreich und hat mir wieder einmal gezeigt, wie standardisierte Schnittstellen zur Mächtigkeit der Digitalisierung beitragen, indem neue Systeme mit vergleichsweise geringem Aufwand als Puzzles aus bestehenden Bestandteilen zusammengesetzt werden können (sprich: Das Rad muss nicht dauernd neu erfunden werden).

Inhaltliche Aspekte

Ich finde die Pegelstandanzeige für mich persönlich interessant und hilfreich. Sie ergänzt mein Bauchgefühl, ob ich grad von Informationen geflutet oder ob ich ihr einigermassen Herr werde. Von zeit zu Zeit reserviere ich mir explizit Zeit, um die beiden Pegel zu senken, da dienen die Anzeigen als simple, aber erfolgreiche Motivationshilfe.

Da Arbeitskolleg:innen manchmal wissen möchten, wie stark ich grad belastet bin, habe ich mir schon überlegt, ob ich diese Pegelstandanzeigen auch automatisiert meiner Wochenplan-Mail beilegen sollte. Das ist aber vermutlich aus verschiedenen Gründen keine gute Idee:
  • Die Zahl meiner Mails in der Inbox und offener Browser-Tabs sagt sehr wenig über meine echte Arbeitslast aus und lässt sich vor allem nicht mit den Zahlen anderer Menschen vergleichen:
    • Inboxen können leicht durch alle möglichen Notifications und Newsletter verstopft werden, wenn man diese nicht konsequent abmeldet.
    • Auch ohne Newsletter etc. benötigt nicht jede Mail und jedes Browser-Tab den gleichen Verarbeitungsaufwand. Die reine Zahl an Mails und Tabs sagt somit sehr wenig über den effektiven Arbeitsberg aus.
  • Relevant ist eigentlich nicht die absolute Zahl, sondern die Veränderung in jüngerer Vergangenheit: Es ist nicht wichtig, wie viele Mails oder Tabs insgesamt noch auf mich warten, sondern ob mehr Informationsobjekte reinkommen als ich verarbeiten kann. Somit müsste ich eigentlich keine Pegelstandanzeigen versenden sondern Steigungsindikatoren.
  • Und als letztes lässt sich aus den Zahlen auch nicht ablesen, ob ich Mails und Tabs aus Faulheit oder Überlastung nicht verarbeitet habe.

Fazit: Ich werde die Pegelstandanzeigen weiterhin nutzen, aber nur für mich privat.

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@ANFANG 06 December 2023 FremdeinschaetzungICTliteracy Sind Fremdeinschätzungen von ICT-literacy zuverlässig? Diese Woche ist die neueste Auflage der Pisa-Studie erschienen (Biblionetz:w03097). Das grosse öffentliche Interesse richtet sich auf die Lese- und Mathematikkompetenzen der 9. Klässler:innen. Ich habe mich - nicht überraschenderweise - auf die Kapitel der Länderberichte gestürzt, die sich mit dem digitalen Zeugs beschäftigen:

Dabei bin ich u.a. an folgender Passage aus dem Deutschen Länderbericht hängengeblieben:

Darüber hinaus nehmen Schulleitungen in Deutschland die technische und pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte für den Einsatz digitaler Geräte mit über 92 Prozent signifikant häufiger als ausreichend wahr als Schulleitungen im OECD-Durchschnitt (88 %). International wird folglich die technisch-pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte von den Schulleitungen überwiegend als ausreichend empfunden.

Das klingt doch erfreulich - oder? Gemäss dieser Einschätzungen wissen Lehrkräfte in der OECD, wie man digitale Medien technisch und pädagogisch einsetzt, grössere Weiterbildungsinitiativen sind damit eigentlich überflüssig, oder?

Ich will ja den Lehrkräften nicht zu nahetreten und ihnen Kompetenzen absprechen, aber diese Einschätzung von Schulleitungen widerspricht sowohl meiner direkten als auch meiner indirekten Erfahrung mit Lehrkräften. Auf die Gefahr hin, armchair-reasoning zu betreiben, wage ich zu behaupten: Nein, viele Lehrkräfte wissen weder technisch noch pädagogisch, wie man digitale Medien sinnvoll einsetzen kann. (Daran sind sie meistens nicht selbst schuld).

Wie kommet es denn dazu, dass Schulleitungen in einer PISA-Befragung eine solche Einschätzung abgeben? Ich habe drei Hypothesen:

  • H1: Die Schulleitungen haben selbst wenig Ahnung davon, was man eigentlich technisch und pädagogisch bezüglich Digitalisierung als Lehrperson wissen müsste (eine Art Dunning-Kruger-Effekt (Biblionetz:t06119) bezüglich Fremdeinschätzung).
  • H2: Die Schulleitungen sind sich bewusst, dass sie wenig davon verstehen und denken sich: "Naja, ich kann ja von den Lehrpersonen nicht mehr verlangen als ich auch selbst weiss. Mehr vom Digitalen zu verstehen als ich ist eine absurde Forderung."
  • H3: Die Schulleitungen möchten nicht den Eindruck erwecken, als hätten sie ihre Aufgaben nicht gemacht: "Ich werde ja wohl meine Schule so organisiert haben, dass die Mitarbeitenden kompetent sind, oder?" Löblich und verständlich, aber trotzdem evtl. problematisch.

Schon 2006 habe ich mich im Blog bezüglich der damaligen PISA-Erhebung gefragt, ob denn Selbsteinschätzungen der eigenen ICT-literacy zuverlässig seien (Biblionetz:f00124). Nun 2023 muss ich die Frage ausweiten auf Sind Fremdeinschätzungen der ICT-literacy zuverlässig? @ENDE

@ANFANG 25 July 2023 BauplanFuerEineSeele Sommerlektüre: Bauplan für eine Seele

Die Veröffentlichung von ChatGPT Ende November 2022 hat nicht nur das Konzept von machine learning (Biblionetz:w02863) ins gesellschaftliche Bewusstsein katapultiert (auch wenn nicht von machine learning sondern von künstlicher Intelligenz gesprochen wird).

Neben vielem anderen hat ChatGPT auch die alte Diskussion wieder aufflammen lassen, ob denn Computer denken und gar Bewusstsein haben könnten. Auch wenn das für mich zu den drängendsten Fragen gehört, die wir uns im Zusammenhang mit ChatGPT & Co. stellen müssen, sind es doch spannende philosophische Fragen, die mich an meine Studienzeit zurückerinnern.

Einerseits hatte ich im Informatikstudium an der ETH Zürich (1990-1996) Lehrveranstaltungen zu Expertensystemen und neuronalen Netzwerken, andererseits habe ich privat mit grossem Interesse Bücher zum Thema Künstliche Intelligenz gelesen, auch wenn dies damals noch nicht sehr alltagsrelevant, sondern mehr futuristisch erschien. Es ist somit kein Zufall, dass sich die ersten Fragen im Biblionetz mit solchen Fragen in der Schnittmenge von Informatik und Philosophie beschäftigen:

Ein paar Jahre nach dem Studium habe auch ich eine Art KI-Winterschlaf erlebt und das Thema ist aus meinem Fokus meines Interesses weitgehend verschwunden (sichtbar an den nur noch spärlichen Einträgen im Biblionetz (orange Balken)):

Jetzt mit dem Wiederaufflammen der allgemeinen öffentlichen Diskussion habe ich mich an frühere Lektüren zurückerinnert. Ich hätte damals nie gedacht, welche Beachtung die Informatik allgemein und nun die Fragen rund um KI dereinst je erreichen würden. Aktuell überbieten sich die Massenmedien und Neuerscheinungen mit einem KI-Hype sondergleichen. Um mich wieder für das Thema fit zu machen, habe ich mir deshalb vorgenommen, ältere Publikationen (erneut) zu lesen, die ohne Schnappatmung erläutern, was künftig wie möglich sein könnte. Ich verpasse zwar damit die neusten technischen Tricks, aber dafür erhoffe ich mir grössere Klarheit bei den grundlegenden Fragen.

Weil ja Sommerferien anstehen und ich mich auch wieder einmal vom bei mir heute üblichen schriftlichen Kurzfutter lösen wollte, habe ich das dickste verfügbare Buch (831 Seiten) aus dem Gestell geklaubt: Bauplan für eine Seele (Biblionetz:b01593) von Dietrich Dörner:

Dietrich Dörner ist emeritierter Professur für Psychologie und allgmeiner bekannt als Autor des Buches Logik des Misslingens (Biblionetz:b00219). Ich finde es spannend, eine Beschreibung der Möglichkeiten nicht von Informatiker:innen sondern aus der Sicht der Psychologie zu lesen. Dörner schreibt in der Einleitung, dass er das Buch unter anderem geschrieben hat um zu zeigen, dass die Psychologie eine Wissenschaft sei mit falsifizierbaren Modellen:

Wollen wir aber unser Seelenleben nicht als ein Gefüge von Wenn-dann-Aussagen ansehen, kommen wir hinsichtlich der Psychologie in eine schwierige Lage. Wir müßten dann nämlich akzeptieren, daß die Psychologie als Wissenschaft allenfalls teilweise möglich ist. Könnten wir nachweisen, daß sich manche psychische Prozesse nicht «maschinell», also aus einem - wie auch immer komplizierten - Gefüge von Wenn-dann-Aussagen, herleiten ließen, stünden wir vor einem Problem: Wir könnten diese Prozesse nicht erklären und somit auch keine Theorien für sie konstruieren. Damit aber würde sich die menschliche Seele dem wissensschaftlichen 2ugriff entziehen, und die Psychologie wäre eigentlich gar keine Psychologie, keine Seelenwissenschaft, sondern allenfalls Seelenkunde, eine Beschreibung dessen, was hier und da, dann und wann vorkäme.

Dörner beschreibt in seinem Buch die Funktionsweise einer Dampfmaschine namens PSI, erläutert, welche Funktionen eine solche Maschine zum Überleben benötigt und wie sich dies mit Dampfneuronen bewerkstelligen lässt.

Das Buch scheint nur physisch publiziert worden zu sein, was nicht nur angesichts des Projekts "Ferienlektüre" bei über 800 Seiten nicht optimal scheint, sondern auch zum Zitieren und automatisierten Erfassen eher mühsam ist. Vielleicht muss ich das Buch antiquarisch ein zweites Mal kaufen und danach einscannen.

Kurzfassungen / Alternative Darreichungsformen

Wem 830 Seiten vielleicht doch etwas zu viel sind: Es gibt eine Kurzfassung von 39 Seiten unter Das Leben von Ψ PDF-Dokument (Biblionetz:t30418) online frei verfügbar und bei Archive.org ist die Aufzeichnung eines Vortrags aus dem Jahr 2000 (Biblionetz:t30419) verfügbar:

Eine alternative, ähnlich ausgerichtete Lektüre ist das Buch Mentopolis / The Society of Mind (Biblionetz:b01496) von Marvin Minsky, erschienen bereits 1985:

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@ANFANG 24 June 2023 SolltenWirWenigerArbeitenWeilUnsDieDigitalsierungRoutinearbeitenAbnimmt Sollten wir weniger arbeiten weil uns die Digitalsierung Routinearbeiten abnimmt?

Dies ist vorerst nur lautes Denken und evtl. nicht zu Ende gedacht.

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Die Digitalisierung nimmt uns kognitive Routinearbeiten ab: Alles was ich mit Regeln beschreiben kann, lässt sich automatisieren. Soweit so bekannt. Uns Menschen bleiben somit diejenigen Arbeiten, bei denen es keine simplen Regeln gibt, die man einfach befolgen kann - sprich: Wir müssen Dinge klären und Entscheiden. Wenn dies zutrifft, steigt unsere Entscheidungsdichte (Anzahl Entscheide pro Zeiteinheit).

Als Entscheidungsmüdigkeit (englisch: decision fatigue) wird von einigen Expert:innen das Phänomen beschrieben, dass uns Entscheide müde machen und es uns nach mehreren Entscheiden immer schwerer fällt, gute Entscheide zu fällen. (Biblionetz:w03441, Wikipedia:Decision_fatigue). Ob es diese Entscheidungsmüdigkeit allerdings tatsächlich gibt, ist nicht unumstritten.

Sollte es das Phänomen der Entscheidungsmüdigkeit tatsächlich geben, so wäre es sinnvoll, wenn wir angesichts der Digitalisierung unsere Wochenarbeitszeit reduzieren bzw. Teilzeit (Biblionetz:w03363) arbeiten würden.

Kommentare:

Oder die Entscheidungsdichte senken. Vlt. zugunsten der Qualität der Entscheidungen und Zufriedenheit der Beschäftigten?

-- WikiGuest - 01 Jul 2023 @ENDE

@ANFANG 24 June 2023 VerlaengertDieDigitalisierungDieNotwendigeAusbildungszeit Verlängert die Digitalisierung die notwendige Ausbildungszeit?

Dies ist vorerst nur lautes Denken und evtl. nicht zu Ende gedacht.

verlaengerte-ausbildungszeit.png

Die Digitalisierung (Biblionetz:w01513) (derzeit erkennbar und heiss diskutiert am Phänomen Textgeneratoren (Biblionetz:w02833)) erhöht das kognitive Anspruchsniveau für berufliche Tätigkeiten. Sehr salopp formuliert: Ich muss etwas besser können als ChatGPT & Co., sonst werde ich nicht angestellt werden.

Wenn nun die kognitive Leistung von Computern zunimmt (exemplarisch sichtbar an der verbesserten Prüfungsleistung von GPT 4 im Vergleich zu GPT 3.5 (Biblionetz:a01518)), dann benötige ich eine längere Ausbildung, um dieses Niveau ebenfalls zu erreichen (ausser die Ausbildung kann durch Digitalisierung im gleichen Ausmass effizienter werden).

@ENDE

@ANFANG 12 March 2023 WarumSollIchLernenWasDieMaschineBesserKann Warum soll ich lernen, was die Maschine (besser) kann?

ChatGPT (Biblionetz:w03387) hat deutlich gemacht: Das Niveau dessen, was der Computer erstaunlich gut oder gar besser als der Mensch kann, ist gestiegen. Computer können ab jetzt auf einem Sprachniveau kommunizieren und Texte generieren, die einerseits das sprachliche Niveau gewisser Schüler:innen übertreffen und andererseits immer weniger zuverlässig als künstlich erkannt werden können. Für kommende Generationen stellt sich damit (in und ausserhalb der Schule) unter anderem die Frage der Motivation: Warum sollte ich etwas lernen, was die Maschine (besser) kann als ich?

Während junge (und alte) Menschen diese Frage letztendlich für sich selbst beantworten müssen, versucht im Kontext Schule auch das Umfeld diese Frage zu beantworten bzw. die Schülerinnen und Schüler mit Begründungen zu motivieren, warum Kopfrechnen trotz Taschenrechner, Termumformungen trotz Photomath, Fremdsprachen trotz DeepL und Texte formulieren trotz ChatGPT gelernt werden sollte.

Da diese Frage nicht immer offen auf dem Tisch liegt und Eltern, Lehrpersonen und die Gesellschaft implizit teilweise andere Antworten auf diese Frage haben, möchte ich mit zehn möglichen Antworten Diskussionen zu dieser Frage auslösen:

Folie mit zwei Icons und zehn Antworten auf die Frage 'Warum soll ich lernen, was die Maschine besser kann? Die Antworten lauten: Weil die Maschine nicht immer verfügbar ist. Weil es peinlich ist, die Maschine zu benötigen. weil ich es benötige, um die Maschine bedienen zu können. weil ich es benötige, um die Ergebnisse einschätzen zu können. Weil ich so Anspruchsvolleres verstehen und gestalten kann. Weil ich den Schulabschluss benötige. Weil es mir Spass macht. Weil ich meinen Geist fit halten will. weil Eltern und Schule das so wollen. Weil ich der Maschine nicht vertraue.

Die Antworten sind weder vollständig noch aus meiner Sicht alle sinnvoll. Sie sind auch nicht als abschliessende Aufzählung zu verstehen, sondern als Aufforderung zur Diskussion: Was fehlt? Welche Antworten würden Schüler:innen nie geben? Welche Antworten wünschen wir Erwachsenen von Schülerinnen und Schülern? Wie gehen wir Erwachsenen damit um, wenn Schüler:innen für keine Begründung zugänglich sind?

Es würde mich freuen, wenn Lehrpersonen ihren Schüler:innen diese Frage stellen würden (ohne vorgegebene Antworten) und wenn Schulhausteams diskutieren würden, wie sie auf ihrer Stufe und in ihren Fächern und Themen mit dieser Frage künftig umgehen wollen. Ignorieren der Frage hilft vermutlich nicht.

P.S.: Was man sich sonst noch so für Gedanken zu ChatGPT machen kann, sammeln wir an der PHSZ unter https://mia.phsz.ch/LLM

P.S.II: Ja, die Grafik darf für Diskussionen etc. genutzt werden.

@ENDE

@ANFANG 02 February 2023 ComputationalThinkingZumVerstaendnisDesDigitalenLeitmedienwechsels Computational Thinking zum Verständnis des digitalen Leitmedienwechsels

Frank Vohle (Biblionetz:p03155) beschreibt in einem lesenswerten Blogpost, wie Gabi Reinmann (Biblionetz:p01980) und er 2005 das Konzept Weblog (Biblionetz:w01272) und mit Sebastian Fiedler (Biblionetz:p03357) darüber diskutiert hat, was das wesentliche eines Weblogs sei. Während Gabi und er auf den Post als kreative Ausdrucksmöglichkeit fokussierten, hätte Sebastian auf das Revolutionäre des RSS-Feeds (Biblionetz:w01650) gepocht.

Ich musste schmunzeln bei der Lektüre, denn ich bin auch einer dieser RSS-Nerds! Längere Zeit habe ich (meist erfolglos) versucht, andere Menschen in Vorträgen und weiterbildungen von der Bedeutung und den Vorteilen von RSS-Feeds zu überzeugen. Geholfen hat es wenig, RSS ist wieder weitgehend von der Bildfläche verschwunden und Menschen abonnieren weiterhin Newsletter und scrollen endlos durch Timelines von sozialen Medien und News-Portalen.


Meine Vortragsfolien von 2009 zum Thema RSS

Als nächstes beschreibt Frank Vohle in seinem Beitrag, dass er ebenfalls zur Jahrtausendwende das Biblionetz entdeckt, aber nicht wirklich verstanden hätte:

In diesen Nuller-Jahren entdeckte ich auch erstmals Beats Bibliothek. Hinter „Beat“ steht der Schweizer Informatiker und Bildungsdidaktiker Beat Döbeli Honegger und hinter seiner „Bibliothek“ steckt, ja was denn, eine Art „Luhmannscher Zettelkasten“, wie er selbst schreibt. Zu finden sind dort u.a. Texte, Begriffe, Personen, Fragen, Aussagen und Hitlisten rund um das Thema Medienbildung. Alle Elemente – über eine Million – sind verknüpft und bilden einen persönlichen Thesaurus, weswegen der Name Beats Bibliothek treffend ist. Was mich fasziniert: Ich sah damals beim ersten Lesen noch nicht annähernd, was sich da herausbilden sollte; ich hatte dafür keine Kategorie im Kopf, die mir helfen konnte, zu verstehen. Jetzt aus der Rückschau, nach 25 Jahren, mit alle den Erfahrungen und Vergleichen (Zettelkasten, Hypersystem, Internet) ist es klar(er), zumindest sehe ich den Sinn, die Umrisse und den Hintergrund einer „Memex“, einer persönlichen „Ontologie“.

Besten Dank, lieber Frank für diese Erwähnung und Einschätzung! In gewisser Hinsicht geht es mir ähnlich, denn ich wusste vor 25 Jahren auch nicht, auf was ich mich da eingelassen habe! Hätte ich das gewusst, hätte ich evtl. nie damit begonnen - einerseits angesichts der vielen Zeit, die ich mit der Entwicklung und Befüllung des Biblionetzes verbracht habe in den letzten 25 Jahren (wohlwissend, dass eine Zeit kommen wird, wo Computer diese Arbeit werden übernehmen können) und andererseits aus Erfurcht, dass es mir vermutlich zu Beginn nicht gelingen würde, eine Datenstruktur zu entwerfen, die ein Vierteljahrhundert Bestand haben und meinen wandelnden Bedürfnissen stand halten könnte. (Das Biblionetz hat übrigens über eine Million Verknüpfungen zwischen den Objekten, aber massiv weniger als eine Million Objekte…). Ab einer gewissen Zeit war (und ist) für mich das Biblionetz auch ein informelles Forschungsprojekt, selbst auszuprobieren, wie denn Werkzeuge des persönlichen Wissensmanagments in einer digitalisierten Welt aussehen könnten.


Vortragsfolien aus dem Jahr 2020 zu Entstehung und Aufbau des Biblionetzes

Die Erfahrung der letzten 25 Jahre hat mir auch gezeigt, dass die Grundstruktur des Biblionetzes genügend robust war, um meinen Bedürfnissen auch heute noch zu genügen (oder liegt das daran, dass ich mich die letzten 25 Jahre nicht weiterentwickelt habe?) Das Biblionetz war für mich deshalb auch ein wichtiges Objekt, das mir den Wert meines Informatikstudiums an der ETH Zürich bewusst gemacht hat: Ich hatte im Studium gelernt, einen gewissen Ausschnitt der Welt zu abstrahieren / modellieren und mit Hilfe von gewissen Automatismen einigermassen effizient im digitalen Raum abzubilden oder aufzubauen. Gerade das Biblionetz zeigt: Es waren nicht die konkreten Softwareprodukte relevant (das Biblionetz läuft unter der Haube seit 25 Jahren mit Microsoft Access…), sondern die Fähigkeit, wesentliche Struktureigenschaften des zu Modellierenden zu erkennen und Grundtechnologien zu kennen, um diese digital umsetzen zu können.

Zusammen mit dem von Frank Vohle beschriebenen RSS-Nerdtum würde ich diese Eigenschaft als computational thinking (Biblionetz:w02206) beschreiben, dem von Seymour Papert (Biblionetz:p00192) erfundenen und von Jeanette Wing (Biblionetz:p09720) bekannt gemachten Begriff, der sich mit "denken wie Informatiker:innen" umschreiben lässt. Kein Wunder - ich bin ja schliesslich Informatiker, also werde ich doch hoffentlich so denken, wie Informatiker:innen wink

(Bei dieser Gelegenheit ist mir wichtig zu betonen, dass sich in meiner Wahrnehmung computational thinking nicht komplett von der Informatik lösen und auf abstraktes Problemlösen etc. reduzieren lässt, sondern dass die aktuellen Potenziale und Begrenzungen von derzeit verfügbarer Informationstechnologie Teil von computational thinking sein müssen).

Was mich beruflich seit 25 Jahren umtreibt: Wie lässt sich das notwendige computational thinking beschreiben und vermitteln, das zum Verständnis des digitalen Leitmedienwechsels notwendig ist - ohne dass gleich die gesamte Menschheit ein Informatikstudium absolvieren muss?

Seit Jahrzehnten reden wir mit unterschiedlichen Begriffen von Digitalisierung. In der Praxis ist es aber sehr oft eine Schreibmaschinendigitalisierung (Biblionetz:w03334), d.h. die echten Potenziale des Digitalen bleiben ungenutzt und der digitale Prozess ist mitunter noch umständlicher und aufwändiger als der analoge Vorgänger (was Kritiker:innen natürlich in ihrer Kritik am Digitalen bestätigt).

Hier gefällt mir Franks Verweis auf das Buch Flatland (Biblionetz:b0334) von Edwin Abott sehr gut: Wie oft raufen sich Informatiker:innen die Haare, weil in Projekten die Potenziale der Digitalisierung schlicht nicht gesehen werden und dieses Nichtsehen so grundlegend ist, dass auch niemand auf die Idee kommt, frühzeitig Informatiker:innen beizuziehen und nach ihrer Sichtweise auf die Herausforderung zu fragen. Als Informatiker:in kommt man sich teilweise tatsächlich vor wie jemand aus Abotts Buch, der/die zu erklären versucht, dass der wahrgenommene Kreis eigentlich eine Kugel oder ein Zylinder sei.

Ich bin überzeugt davon, dass zum Verständnis der heutigen digitalisierten Welt ein Grundverständnis von Informatik notwendig ist, genau so, wie wir ein Grundverständnis an Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Wirtschaft etc. benötigen, um die Welt verstehen und gestalten zu können. Dies ist der Grund, warum ich mich für Informatik in der Schule einsetze, das Dagstuhl-Dreieck (Biblionetz:w02886) propagiere oder mit dem DPACK-Modell eine Erweiterung des TPACK-Modells vorschlage, das Technologie eben nicht nur als Anwendungskompetenz betrachtet, sondern unter Digitalitätskompetenz (Biblionetz:w03297) alle drei Dagstuhl-Perspektiven vereint. Denn diese drei Dagstuhl-Perspektiven scheinen mir notwendig zu sein, um künftige Entwicklungen des digitalen Leitmedienwechsels, wie sie sich derzeit exemplarisch grad am von Frank ebenfalls erwähnten ChatGPT (Biblionetz:w03387) zeigen, mindestens im Ansatz einschätzen zu können.

Der Flatland-Effekt greift jedoch auch hier: Selbst im Jahr 2023 wird diese Überlegung im Bildungsbereich nicht überall geteilt oder genügend gewichtet (was trotz der anderen grossen aktuellen Herausforderungen langfristig gesehen nicht ganz einzusehen ist). Doch ich habe ja noch Zeit und werde mich auch die kommenden (15, 20, 25?) Jahre als Erklärbär der digitalen Transformation in der Bildung versuchen…


Vortrag aus dem Jahr 2021, der unter anderem das DPACK-Modell vorstellt.

Kommentare von Frank Vohle:

Danke dir Beat! Mit Ludwig Fleck wissen wir, dass Denkstile Tatsachen erzeugen. Es gibt aber Denkstile im Plural. Wenn InformatikerInnen z.B. auf PädagogenInnen treffen, dann ist Missverstehen oder Illusion des Verstehens programmiert bzw. nicht unwahrscheinlich :-). Was tun? Denkstiltraining wäre ein Anfang, damit ich überhaupt kapiere, wie der jeweils Andere die Welt modelliert, sagt, was für ihn/sie WESENTLICH ist, vgl. RSS-Feed. Frank

-- FrankVohle - 02 Feb 2023

Antwort von mir

Lieber Frank,

unter anderem deshalb freue ich mich, dass ich seit nunmehr 15 Jahren als Informatiker umzingelt von Pädagog:innen und Psycholog:innen an einer kleinen Pädagogischen Hochschule im täglichen Training das gegenseitige Verstehen üben kann!

Antwort von Frak Vohle

Du bist ja auch ein Bildungsinformatiker, Kind zweier Welten, der zwischen den Stühlen schafft. Und von "solchen" brauchen wir mehr.

-- FrankVohle - 02 Feb 2023 @ENDE

@ANFANG 19 November 2022 NurDrittePrioritaet Die Frage «Wie verhindern wir die Nutzung von X in Kompetenznachweisen?» ist legitim, hat aber nur dritte Priorität. In letzter Zeit werde ich öfter auf das Thema «digitales Prüfen» (Biblionetz:w02017) angesprochen. Ich bekunde öfters Mühe mit Antworten. Einerseits, weil ich mich nicht besonders gut mit digitalem Prüfen auskenne. Insbesondere wenn mein Gegenüber darauf besonders erstaunt reagiert, weil ich mich doch mit Digitalem in der Bildung auseinandersetzen würde, muss ich oft etwas weiter ausholen: Digitale Kompetenznachweise und insbesondere das Verhindern von Betrug in solchen digitalen Kompetenznachweisen sind legitime Themen, sollten aber eingebettet sein in übergeordnete Fragestellungen und haben deshalb für mich nur dritte Priorität.

Beim Aufkommen einer neuen Technologie, die etwas besser oder schneller erledigt als es der Mensch bisher getan hat, kommt rasch die Frage auf, wie sich verhindern lässt, dass diese Technologie in der Schule zum Betrügen genutzt werden kann. Klassisches Beispiel: Der Taschenrechner. Er kann schneller rechnen als der Mensch. Somit wurde er anfänglich reflexartig für Prüfungen in der Schule verboten.

Längerfristig hat die Menschheit aber gemerkt, dass das pauschale Verhindern von Taschenrechnern in der Schule keine gute Idee ist. Denn die Existenz des Taschenrechners hat die für das Leben relevanten Kompetenzen verändert. Während die meisten der Meinung wären, dass elementares Kopfrechnen weiterhin zu einer vernünftigen Allgemeinbildung gehört, wird niemand mehr behaupten, man müsse im 21. Jahrhundert zuverlässig schriftlich dividieren können im Leben. Dementsprechend wurden Lehrpläne angepasst: Im Lehrplan 21 kommt zwar das schriftliche Dividieren noch vor, das Einüben der zuverlässigen Nutzung des Verfahrens ist aber im Lehrplan 21 nicht mehr vorgesehen.

Beim Aufkommen neuer Technologien muss es erste Priorität sein zu fragen, wie diese Technologie die künftig im Leben relevanten Kompetenzen und damit die Lernziele, -inhalte und -methoden verändert.

Wenn eine Technologie die für das Leben relevanten Kompetenzen verändert, dann ist die Chance gross, dass Menschen lernen sollten, diese Technologie zu nutzen und im Verbund von Mensch und Technologie bessere Ergebnisse zu erzielen. Beispiel Taschenrechner: Das blosse Rechnen hat an Bedeutung verloren (das übernimmt zuverlässig der Taschenrechner), dafür sind das Verständnis von Berechnungsverfahren und abstraktere Themen der Mathematik wichtiger geworden. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es deshalb sinnvoll, Taschenrechner in der Schule und auch bei Leistungsnachweisen zu nutzen, da sonst die Schule und die Leistungsnachweise lebensweltfern werden und nicht mehr die relevanten Kompetenzen vermitteln.

Das Beispiel Taschenrechner zeigt aber auch, dass wir schon in der Vergangenheit der Meinung waren, trotz verfügbarer Technologien diese nicht immer in der Schule und in Leistungsnachweisen zulassen zu wollen. Die Gesellschaft ist der Meinung, dass Taschenrechner In den ersten Schuljahren nicht gross verwendet werden und Schülerinnen und Schüler zeigen sollen, dass sie die Grundrechenarten auch ohne Verwendung des Taschenrechners beherrschen. Mir ist auch dieser Aspekt wichtig: Obwohl wir davon ausgehen, dass wir später im Leben praktisch immer Zugriff zu etwas taschenrechnerartigem haben werden, finden wir es sinnvoll, wenn dieses Hilfsmittel zu gewissen Zeiten nicht verfügbar ist.

Die zweite Priorität bezüglich Kompetenznachweisen beim Aufkommen einer neuen Technologie hat für mich deshalb die didaktische Frage, wann und weshalb diese Technologie nicht beim Lernen und in Kompetenznachweisen verwendet werden sollen. (Ob und wie der Einsatz der Technologie das Lernen unterstützen kann, ist eine andere wichtige Frage, die ich hier aber nicht weiter verfolgen will).

So, und erst wenn wir die ersten beiden Fragen beantwortet haben, möchte ich mich der Frage zuwenden, wie wir gegebenenfalls die Nutzung einer neuen Technologie in einem Kompetenznachweis verhindern können, um valide und gerechte Leistungsnachweise sicherzustellen.

Wenn mir jemand diese Frage stellt, so möchte ich eigentlich zuerst hören, wie diese Person die ersten beiden Fragen beantwortet.

Während wir als Gesellschaft die Frage bezüglich Taschenrechner weitgehend hinter uns haben, steht sie uns bezüglich anderer Technologien noch bevor:

a) Verbot, Taschenrechner ist Tool das hilfreich ist und mühsames Ausrechnen überflüssig werden lässt. Lösungsweg muss auch zählen, dadurch ist die Frage nach dem Rechner obsolet. No need to do so.

-- WikiGuest - 07 Dec 2022

-- WikiGuest - 08 Jan 2023 @ENDE

@ANFANG 20 July 2022 GaslaternenForschung Gaslaternen-Forschung

Die wachsende Bedeutung der digitalen Transformation für die Bildung aber auch die Corona-Pandemie führen dazu, dass in meiner Wahrnehmung derzeit wieder vermehrt Evaluationen der Nutzung digitaler Medien in der Schule durchgeführt werden. In den meisten Fällen werden dazu Fragebogen für Schüler:innen und Lehrpersonen zu deren Selbsteinschätzung von digitaler Kompetenz und Nutzung digitaler Medien zu Lehr- und Lernzwecken verwendet.

In jüngerer Vergangenheit sind mir dabei mehrere Fälle begegnet, bei denen in meiner Einschätzung veraltete Fragen und/oder Skalen verwendet worden sind. Zwei Beispiele.

Beispiel 1: Erhebungsinstrument von 2010

In einer 2021 veröffentlichten Publikation (Biblionetz:t28997) wird zur Erhebung der verfügbaren IT-Infrastruktur ein Erhebungsinstrument aus dem Jahr 2010 verwendet:

Zur Erfassung der technischen Schulausstattung wurde ein Erhebungsinstrument von Breiter et al. (2010) verwendet, welches die Zugangsmöglichkeiten zu sieben digitalen Endgeräten in der Schule und spezifisch für den eigenen Unterricht erfasst. Folgende Endgeräte wurden berücksichtigt: Rechner im Unterrichtsraum, Computerraum, Laptop-Klassensätze, Tablet-Klassensätze, mobile Präsentationseinheiten, Smartboards sowie digitale Kameras, Fotokameras, Aufnahmegeräte. In der vorliegenden Studie wurde die Originalkodierung (0= nicht an der Schule vorhanden; 1= jederzeit Zugang im Unterricht; 2= Zugang nur nach Anmeldung und Absprache; 3= in unserer Schule nicht vorhanden) angepasst: 0= nicht an der Schule vorhanden, 1= an der Schule vorhanden. Hieraus wurde ein Summenscore gebildet, welcher eine Aussage über die Anzahl beziehungsweise Vielfalt der an der Schule vorhandenen Endgeräte macht (Min/Max: 0/7).

Die Verwendung eines über 10 Jahre alten Erhebungsinstruments zur Selbsteinschätzung der IT-Infrastruktur ist für mich hoch problematisch, da die IT-Infrastruktur zu denjenigen Aspekten der digitalen Transformation gehört, die sich rasch entwickeln. Konkret: Während dieses Instrument im Jahr 2010 eventuell die damals wünschenswerte Vielfalt abbilden konnte, passt es nicht mehr zur heutigen Zeit. Wer verwendet heute noch «Aufnahmegeräte» (gemeint sind vermutlich Diktiergeräte) mit Schülerinnen und Schülern deren Audiodateien zur Weiterverarbeitung danach mühsam mit Kabel oder Speicherkarten auf moderne Geräte (Tablets, Smartphones) übertragen werden sollten (die weder über die dafür notwendigen Speicherkartenleser oder Kabelanschlüsse verfügen), wenn leistungsfähige Tablets und Smartphones zur Verfügung stehen? Im Extremfall einer Schule mit einer 1:1-Tablet-Ausstattung kann das Erhebungsinstrument von Breiter et al. von 2010 den Wert 0 ergeben, da die Schule weder über Computerräume, Computer- oder Tablet-Klassensätze noch über analoge oder digitale Kameras, Diktiergeräte oder interaktive Whiteboards verfügt.

Egal was und mit welchen statistischen Methoden mit einem auf dies Art und Weise erhobenen Wert gerechnet und letztendlich geschlussfolgert wird: Es ist problematisch – oder wie Informatiker:innen sagen würden: GIGO: Garbage in – Garbage out. Es hilft übrigens nichts, wenn in solchen Fällen errechnet und geschlussfolgert wird, dass die IT-Ausstattung keinen Einfluss auf andere untersuchte Variablen habe und damit der IT-Ausstattung eigentlich keine grosse Bedeutung zukomme. Auch diese Aussage steht auf sehr wackligen Füssen.

Beispiel 2: Veraltete, abgeschnittene Antwortskala

Aktuell befragt das Institut für Erziehungswissenschaft der UZH zusammen mit der eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) Lehrpersonen der Sekundarstufe II in der Schweiz zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht. Dabei wird u.a. folgende Frage gestellt:

Betrachtet man die zur Verfügung gestellte Antwortskala dieser Frage, so fällt auf, dass sie weder vollständig noch ausbalanciert ist. So ist es zwar möglich, mit «nie» zu antworten, nicht aber mit «jede Unterrichtsstunde». Mehrere Lehrpersonen haben sich bei mir gemeldet, dass sie diese Fragen teilweise gar nicht wahrheitsgemäss ausfüllen könnten…

Gaslaternen-Forschung

In Anlehnung an den Begriff der Strassenlaternen-Forschung (Biblionetz:w03285), welcher die Tendenz beschreibt, dort zu forschen, wo die Daten am leichtesten verfügbar sind, nenne ich solche Forschung künftig Gaslaternen-Forschung (Biblionetz:w03362). Damit beschreibe ich das Phänomen, in sich wandelnden Untersuchungsfeldern veraltete Evaluationsinstrumente und -skalen zu verwenden, weil diese bereits validiert und publiziert sind.

Probleme von Gaslaternen-Forschung

Gaslaternen-Forschung hat für mich zwei Probleme. Das offensichtliche – Garbage in / Garbage Out – habe ich bereits angesprochen. Es ist frustrierend zu sehen, wie oft mit viel Statistik versucht wird, aus veralteten Erhebungsinstrumenten valide Erkenntnisse zu gewinnen.

Auf einer Meta-Ebene ist für mich Gaslaternenforschung aber auch über das konkrete Forschungsvorhaben problematisch, weil sie meiner Meinung nach das Vertrauen in entsprechende Forschung untergräbt. Wer aufgefordert wird, Fragebogen mit solch veralteten Auswahlmöglichkeiten zu beantworten, verliert das Vertrauen in die Aussagekraft entsprechender Forschungsergebnisse und wird deshalb künftig (noch) weniger (oder nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit) an entsprechenden Befragungen teilnehmen

Warum entsteht Gaslaternen-Forschung?

Angesichts der offensichtlichen Probleme von veralteten Erhebungsinstrumenten: Warum tun Forschende so etwas? Sie sind ja nicht blöd (oder mindestens nicht alle davon). Ich habe zwei Erklärungsansätze. Beide beruhen auf der Grundaussage: «Dazu existiert bereits ein publiziertes Erhebungsinstrument».

  • Fehlende Kompetenz im entsprechenden Thema: In meiner Wahrnehmung werden solche Erhebungsinstrumente oft von Forschenden verwendet, die zwar forschungsmethodisch kompetent sind, sich aber mit dem konkreten Aspekt des problematischen Erhebungsinstruments nicht auskennen und damit die Problematik des Instruments gar nicht erkennen.
  • Effizienz / Vergleichbarkeit / Publizierbarkeit der eigenen Untersuchung: Daneben gibt es auch Forschende, denen die Problematik veralteter Erhebungsinstrumente durchaus bekannt ist, sich aber trotzdem bewusst für deren Verwendung entscheiden. Dahinter stecken mehrere Begründungen, die sich letztendlich alle auf die Maxime Publish or Perish in der Wissenschaft zurückführen lassen:
    • Effizienz: Es ist effizienter, ein bestehendes Erhebungsinstrument zu verwenden, als ein eigenes zu entwickeln.
    • Vergleichbarkeit: Wird ein bestehendes Erhebungsinstrument verwendet, so lassen sich die Daten der eigenen Erhebung mit derjenigen früherer Erhebungen vergleichen. Damit sind unter Umständen interessante längsschnittliche Aussagen machbar.
    • Publizierbarkeit: Sowohl die Verwendung etablierter Erhebungsinstrumente als auch längsschnittliche Vergleiche erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine entsprechende Publikation akzeptiert wird, da dies zeigt, dass die Autor:innen sich mit der bereits publizierten Forschung beschäftigt haben (nein, diese Hypothese habe ich nicht empirisch geprüft).

@ENDE

@ANFANG 27 May 2009 SixthSense sixthsense Heinz Küng hat mich auf ein aktuelles TED-Video von MIT-Forscherin Pattie Maes aufmerksam gemacht, in welchem sie ihr Projekt sixthsense vorstellt.

'SixthSense' is a wearable gestural interface that augments the physical world around us with digital information and lets us use natural hand gestures to interact with that information.

Das Video hat mich ein paar Mal zum Schmunzeln gebracht und wieder mal bestätigt, dass die technische Entwicklung noch einiges zu bieten haben wird. Das Telefon in der Hand sieht ja wirklich nach science fiction vom Feinsten aus:

sixthsense.jpg

Bei aller Begeisterung als Technikfreak gilt es aber immer wieder zu bedenken, dass das technisch Mögliche nur die eine Seite der Medaille ist. Ob sich dies auch so verbreiten wird, ist eine ganz andere Sache. So ist es beispielsweise 10 Jahre (!) her, seit der Sony-Forscher Jun Rekimoto (Biblionetz:p03969) an der CHI 1999 gezeigt hat, wie augmented reality (Biblionetz:w01896) bei Meetings funktionieren könnte.

Ein Film der mich heute noch fasziniert, vielleicht gerade weil die Innovation den Weg in den Alltag noch nicht gefunden hat:

(Jun Rekimoto ist auch Mitentwickler von CyberCode (Biblionetz:w01163), einem 2D-Barcode-System (Biblionetz:w02048) aus dem Jahr 2000 (!), das seinen Weg in die Sony Vaio C1-Subnotebooks gefunden hat, dann aber leider wieder verschwand.

Meet the SixthSense interaction Pattie Maes + Pranav Mistry https://www.ted.com/talks/pattie_maes_pranav_mistry_meet_the_sixthsense_interaction?language=en (2009)

-- WikiGuest - 28 Jan 2022 @ENDE

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